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Das Museum Altranft im Oderbruch wird beim "Berlin Brandenburg Preis" ausgezeichnet.

©  Stefan Schick

Auszeichnung in Potsdam: Kulturgut Mark: Der "Berlin Brandenburg Preis" wird erstmals vergeben

Bei der Veranstaltung werden soziale und kulturelle Initiativen ausgezeichnet. Ohne sie wäre das Land um vieles ärmer.

Die Idee für diesen Preis ist Volker Hassemer vor zwei Jahren gekommen. Gemeinsam mit anderen war er – wie jedes Jahr im Sommer – auf Tour durch Brandenburg. Er besuchte Dorfkirchen, es gab Fontane-Lesungen. Berliner waren dabei, die Menschen aus den Dörfern wurden eingeladen, jene, die in der Mark etwas retten wollen, nämlich ihre Schätze inmitten schönster Landschaft. Manche Rettung ist geglückt, andere nicht. Auf jeden Fall sind im Stillen oft "mit großer Leistung Dinge auf die Beine gestellt worden", sind "Attraktionen für die Region entstanden, über die man reden sollte", sagt Hassemer.

Es ist nicht nur irgendein weiterer Preis – es ist viel mehr

Deshalb hat der frühere Berliner Stadtentwicklungssenator und heutige Vorstandschef der Stiftung Zukunft Berlin mit seinen Mitstreitern einen "Berlin Brandenburg Preis" initiiert. Hassemer sagt: "Ich war erstaunt, dass es das noch nicht gibt". Zwei Jahre dauerte die Vorbereitung, die Stiftung Zukunft Berlin und die Brandenburgische Gesellschaft für Kultur und Geschichte tragen den Preis, die Landesdenkmalämter von Berlin und Brandenburg machten mit, eine Jury wurde einberufen.

Es geht um Zivilgesellschaft, um Bürger, die Projekte stemmen, die nachhallen, die auf Dauer wirken. Weil sie nicht nur Kulturgüter, Zeichen der Geschichte, ob Bauwerke, Parks und Denkmäler, erhalten und erlebbar machen, sondern neues Leben, neues Bürgerengagement ins Land tragen. Und so ist dieser Preis, der am Mittwochabend in Potsdam von Brandenburgs Kulturstaatssekretärin Ulrike Gutheil und Berlins Staatssekretär Frank Nägele übergeben wird, nicht nur einfach ein weiterer Denkmalpreis. Denn was die beiden Preisträger vollbringen, geht weit darüber hinaus, ein Denkmal zu erhalten.

Der Musiksommer in Chorin: eine "magische Verbindung"

Zum Beispiel beim Choriner Musiksommer. Der Klassiker unter den Ausflugszielen in der Hauptstadtregion, bei dem Besucher in den Stuhlreihen sitzend oder mit Picknickdecke auf der Wiese klassische Konzerte in den Resten des erhaltenen Zisterzienserklosters hören, inmitten früher Backsteingotik. Ein Bauwerk, über das der preußische Baumeister Karl Friedrich Schinkel einst befand, es sei "des Landes schönster Schmuck".

Die Jury befand, der Choriner Musiksommer sei eines der herausragenden Festivals in der Kulturlandschaft der Region. "Klassik und Klosterruine, Kultur und Natur gehen bei den hochkarätigen Konzerten eine magische Verbindung ein, die sich auf das Publikum überträgt", heißt es zur Begründung. Mit dem Preis würdigt die Jury auch, dass das seit 1964 bestehende Festival auch über die historischen Umbrüche hinweg erhalten blieb und nach der Wiedervereinigung den Ansporn gab für viele andere Anlässe sommerlicher Kulturevents, die Berlin und Brandenburg verbinden.

Das Museum Altranft: Chronik der Geschichte des Oderbruchs

So weit hat es der zweite Preisträger noch nicht geschafft. Aber da wächst etwas im Oderbruch, das weit über ein Heimatmuseum hinausgeht. In Altranft etwa. Über Jahre stand dort ein Freilichtmuseum, Landmaschinen und anderes konnten besichtigt werden. Das Konzept war in die Jahre gekommen. Die Rettung kam vor zweieinhalb Jahren, als das Museum von der Kulturstiftung des Bundes zu einer von fünf Modellregionen für Kultur im Wandel aufgenommen wurde, um eine Transformation anzustoßen.

Naheliegend heißt das Programm "Trafo". "Für uns ist der Berlin Brandenburg Preis viel wert, er kommt im besten Moment", sagt Projektleiter Kenneth Anders. Denn in zweieinhalb Jahren ist das Trafo-Projekt vorbei, jetzt geht es darum, sich für die Zukunft aufzustellen.

Das Museum als solches gibt es weiter, mit Ausstellungen, historischen Gebäuden wie Schloss, Landarbeiterhaus, Schmiede und Bauernhof, sogar mit einer Ausstellung über Rübenheber, weil im Oderbruch einst vor allem Zuckerrüben geerntet wurde. Doch es soll nun auch darum gehen, das Besondere des Oderbruchs zu zeigen, den Reiz der Landschaft, das Wirken des Menschen – auch in der Gegenwart.

Denn das Oderbruch selbst ist ein Kulturgut. Der Alte Fritz, der Preußenkönig, ließ es im 18. Jahrhundert erst trockenlegen und dann besiedeln. "Die gigantischste Binnenkolonisation Preußens", sagt Anders. Mit Vergünstigungen lockte Preußen Siedler von überall her, aus Hessen, der Pfalz, Sachsen, selbst aus Österreich, ein Zuwandererprogramm in eine "Landschaftsmaschine", wie Anders das Oderbruch nennt. 1400 Kilometer Vorfluter, 40 Schöpfwerke, 200 Wehre zeugen davon.

Inzwischen macht das Museum auch Theater, veranstaltet Salongespräche, hat ein Bildungsprogramm für die Schulen in der Region, vernetzt die vielen kleinen Museen und Heimatstuben in den Dörfen. Ja, es geht auch im Identität. So sind nun 25 Landwirte – vom Einzelbauern bis zum Chef einer Genossenschaft – interviewt worden. Ihre Antworten werden Teil einer Ausstellung, vor allem sind sie Grundlage für ein Theaterstück, das im November uraufgeführt werden soll unter dem Titel: "Die kluge Bauerntochter kehrt zurück."

Für die Jury ist das Museum längst schon eine Denkfabrik und ein Kreativlabor für ein selbst organisiertes Leben, für Kultur auf dem Land. Immerhin wächst die Zahl der Besucher, 2016 waren es 7000, im vergangenen Jahr 10 000. Viele kommen aus Berlin.

Anders will das Oderbruch zum Welterbe machen

Überhaupt, die Berliner: Viele kaufen sich Häuser fürs Wochenende, erhalten sie, ziehen hierher, bringen sich in den Dörfern ein, sagt Anders. "Die Abwehr gegen die sogenannten Buletten, die Berliner, ist zurückgegangen, die Leute merken, dass sie der Region guttun." Weil auch sie dafür sorgen, dass die Region, bis heute "ein nicht suburbanisierter ländlicher Raum" sei, wie Anders sagt, nicht abgehängt wird. Inzwischen arbeitet er daran, dass das Oberbruch in einigen Jahren zum europäischen Kulturerbe erklärt werde.

Für Volker Hassemer geht es beim Preis auch um das Sprechen über die Region; was sie leistet, um das Glück, dass es so etwas wie den Musiksommer und das Museum Altranft gibt – und eben nicht nur Start-ups in Berlin. Vieles, das noch unter Wert verkauft wird.

Mit Absicht ist der Preis auch nicht dotiert. Es soll für sich selbst stehen. Und für ein neues Denken für die gemeinsame Region. Im Jahr 2020, daran erinnert Hassemer, kann 100 Jahre Großberlin gefeiert werden, aber auch das 30-jährige Bestehen des Landes Brandenburg. Eines aber bekommen die Preisträger: Eine Vase von der Königlichen Porzellan-Manufaktur, darin eine Blume: das Langblättrige Waldvögelein, eine Orchidee, die im Brandenburgischen wächst.

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