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Impflinge warten im Corona Impfzentrum Messe Berlin.

© dpa

Künftige Politik in Berlin: Nehmt Euch die Impfzentren zum Vorbild!

Tatkraft, gute Organisation und viel Herzenswärme: So geht's richtig. Mögen die Impfzentren den Weg weisen für Politik in dieser Stadt. Ein Kommentar.

Nur in rührenden Feuilletons der Zwanziger Jahre des letzten Jahrhunderts wurde Berlin träumerisch als die Stadt gemalt, die immer wird und niemals fertig ist. Die Kulturredakteure von heute aus München und Frankfurt hingegen schwelgen in Metaphern von der Stadt des Scheiterns, wenn sie sich genüsslich-arrogant mit Berlin beschäftigen, und leider haben sie oft Recht.

Als Berlinerin oder Berliner irgendwo in Deutschland seine Herkunft offenbaren zu müssen, macht nur selten gute Gefühle. Dabei gibt es ein Beispiel für erfolgreiches Handeln, in dem sich die verschütteten alten Tugenden der Stadt zeigen und an dem man auch ablesen kann, welche Fehler eine Verwaltung nicht machen darf. Es ist der geradezu überwältigende Erfolg der sechs großen Corona-Impfzentren.

Geplant wurde deren Aufbau im beginnenden Winter des vergangenen Jahres zu einem Zeitpunkt, an dem man wusste, dass der Impfstoff ab einem Tag X in größeren Mengen geliefert werden konnte, aber die Zuverlässigkeit der Versorgung so wenig gewährleistet sein würde wie die Verteilung der Impfdosen an die Hausarztpraxen.

Die wären eigentlich die erfahrensten Endversorger gewesen; aber heute ist schon fast vergessen, dass kaum eine Praxis in der Lage war, die Lagerung bei Temperaturen von minus 60 Grad und darunter zu gewährleisten.

Das alles wurde von der Zivilgesellschaft geleistet

Mit der Einrichtung von Impfzentren für hunderttausende von Menschen hatte in Berlin, so wie in anderen Bundesländern, niemand Erfahrung. Der Senat legte sechs geeignete Orte fest und überließ alles weitere erfahrenen, nicht-staatlichen Instanzen. Zum Chef dieser Task-Force „Impfzentren“ wurde Albrecht Broemme ernannt. Tatkraft und Organisationsvermögen hatte der pensionierte THW-Chef gerade beim Bau der Corona-Notklinik in den Messehallen bewiesen.

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Broemme schaffte nicht nur mit dem THW und beauftragten Unternehmen die Fertigstellung aller Zentren bis Ende Dezember, er stützte sich auch auf ein Netzwerk von Organisationen, die für den reibungslosen Betrieb der Zentren sorgen sollten. Von Bundeswehr über DRK, Malteser, Johanniter und Arbeiter-Samariter-Bund standen hier an sieben Tagen in der Woche von morgens bis abends Menschen jeden Alters bereit.

Sie nahmen die zunächst vor allem älteren Berlinerinnen und Berliner in Empfang, geleiteten sie durch den Impfprozess und betreuten sie. Natürlich wurden sie dafür bezahlt. Aber mit Geld nicht aufzuwiegen waren die menschliche Wärme und die Herzlichkeit, die im Laufe der nächsten Monate mehr als 600 000 Menschen umgaben, und von der diese voller Rührung berichteten.

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Das alles geschah ohne staatliches Zutun. Es wurde von der Zivilgesellschaft der Stadt geleistet, die so in Erinnerung rief, dass Zusammenleben immer dann am besten funktioniert, wenn der Staat zwar Mittel (aus Steuergeldern, wohlgemerkt) zur Verfügung stellt, die Bürgerinnen und Bürger aber Verantwortung leben lässt. Und auch dies ist wichtig: Die klare Zielvorgabe, die eindeutigen Zuständigkeiten und die überschaubaren Strukturen.

In anderen großen Städten Deutschlands haben Impfzentren ebenfalls gut funktioniert. Dass es in Berlin gelang, war die große Überraschung. Es könnte ein Vorbild sein, auch für die Politik dieser Stadt.

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