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Berlins Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) spricht im dpa-Interview.

© dpa/Britta Pedersen

Exklusiv

Kritik an Entscheidung gegen Großsiedlungen in Berlin: Giffey wirft Grünen und Linken „Zukunftsverweigerung“ vor

Berlins Regierende Bürgermeisterin kritisiert Grüne und Linke wegen der Absage zweier Großbauprojekte als „wirklichkeitsfremd“. Die SPD-Politikerin will Wohnungsbau „mit aller Kraft“.

Berlins Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) wirft ihren linken und grünen Koalitionspartnern „Zukunftsverweigerung“ vor. „Das Verhindern von Wohnungsneubau ist nicht progressiv, sondern rückwärtsgewandt und wirklichkeitsfern“, sagte Giffey dem Tagesspiegel. Das gelte gerade in einer wachsenden Stadt wie Berlin.

Giffey reagiert damit auf Beschlüsse aus der Grünen- und von Stadtentwicklungsexperten der Linken-Fraktion. Diese wollen zwei geplante Großsiedlungen unter anderem aus Klimaschutzgründen nicht umsetzen. Insgesamt ist damit der Bau von bis zu 7000 Wohnungen in Gefahr. Konkret geht es um die Bebauung der Freiflächen an der Elisabeth-Aue und Späthsfelde.

Die Regierende Bürgermeisterin betonte, den Bau zusätzlicher Wohnungen uneingeschränkt fortsetzen zu wollen. „Ich erwarte, dass alle Partner den Wohnungsneubau mit aller Kraft vorantreiben und Vorhaben nicht verzögert und verhindert werden, die ein neues Zuhause für tausende Berlinerinnen und Berliner ermöglichen.“

Laut Giffey würden der „angespannte Wohnungsmarkt in vielen deutschen Großstädten und die anhaltende Zuwanderung“ dringend mehr bezahlbaren Wohnraum nötig machen. Mit Bezug auf eine Studie des Deutschen Mieterbundes warnte Giffey vor einem „Rekord-Wohnungsmangel“ in diesem Jahr.

„Berlin verfügt kaum über leerstehende Wohnungen. Wer Wohnungsbau verhindert, treibt die steigenden Mietpreise weiter in die Höhe“, sagte die SPD-Politikerin. Dies gehe besonders zulasten von Menschen mit geringen und mittleren Einkommen.Giffey sagte: Eine Politik nach dem Motto „Bezahlbaren Wohnraum fordern und gleichzeitig Wohnungsneubau verhindern“ wird genauso wenig funktionieren wie das Prinzip „Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass.“

Giffey warnt vor Bruch des Koalitionsvertrages

Giffey warnte ihre Koalitionspartner vor einem Bruch des Koalitionsvertrags. „Im Koalitionsvertrag haben wir verabredet, dass in dieser Legislatur keine Bestrebungen zur Bebauung des Tempelhofer Feldes vorangebracht werden, dafür aber die anderen großen Baufelder entwickelt werden.“ Die Ankündigung gehe „gegen unsere gemeinsame Vereinbarung“, sagte sie dem Tagesspiegel.

Der angespannte Wohnungsmarkt in allen Großstädten und die anhaltende Zuwanderung zeigten deutlich, wie dringend Berlin mehr bezahlbare Mietwohnungen brauche. „Wer Wohnungsbau verhindert, treibt die steigenden Mietpreise weiter in die Höhe. Das geht zu Lasten nicht nur der Bedürftigen, sondern auch der Menschen mit mittleren Einkommen“, sagte Giffey.

Wie berichtet, wollen Grüne und Linke die Bebauung der beiden Freiflächen durch eine Änderung des Flächennutzungsplans verhindern. „Wegen der zunehmenden Hitze in der Stadt müssen wir Flächen vor der Bebauung sichern“, hatte der stadtentwicklungspolitische Sprecher der Grüne-Fraktion, Julian Schwarze, erklärt. „Wenn wir nachverdichten wollen, dann dort, wo schon heute der Boden versiegelt ist, und nicht auf der grünen Wiese.“ In Frage kämen dazu etwa verkehrlich gut erschlossene Siedlungs- und Einfamilienhausgebiete.

Dies werten Beobachter als ein Abrücken vom Koalitionsvertrag. Darin verständigten sich SPD, Grüne und Linke darauf, die Wohnungsbaupotenziale der genannten Flächen zu untersuchen. Die Linke-Fraktion verwies am Donnerstag darauf, dass der Antrag bislang nur vom zuständigen Arbeitskreis, nicht jedoch von der gesamten Fraktion beschlossen sei.

„Die Fraktion hatte noch gar keine Möglichkeit, sich eine Meinung zu bilden und steht weiter zum Koalitionsvertrag“, sagte ein Sprecher. Jedoch dürfte das Votum der Fachpolitiker der Fraktion bei einer anstehenden Entscheidung Gewicht haben.

Kritik kommt auch aus der Opposition

Kritik an den Plänen kam auch aus der Opposition. „Dieser Vorschlag zeigt, wie sehr Grüne und Linke an Realitätsverlust leiden. Der Baustopp ist das genau falsche Signal“, sagte CDU-Spitzenkandidat Kai Wegner dem Tagesspiegel. Viele Menschen verzweifelten auf der Wohnungssuche. Zudem seien die Mieten zuletzt weiter gestiegen. „Das ist das Ergebnis der rot-grün-roten Politik. Wir brauchen die geplanten Wohnungen auf diesen Flächen, und wir brauchen auch den Bau von bezahlbaren Wohnungen am Rand des Tempelhofer Felds“, sagte Wegner.

Die Bebauung der Elisabeth-Aue ist allerdings auch bei SPD und CDU umstritten. Beide Parteien hatten sich in der Bezirksverordnetenversammlung Pankow wiederholt gegen die Bebauungspläne mit 5000 Wohnungen gestellt.

„Mieten explodieren, man findet kaum noch Wohnungen“, sagte FDP-Spitzenkandidat Sebastian Czaja auf Twitter. Zugleich hätten Grüne und Linke „nichts Besseres zu tun, als massiv Wohnungsbau zu verhindern“. Dies müsse ein Ende haben.

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Unterstützung für den Vorschlag äußerte der Berliner Landesverband der Umweltschutzverbands BUND. „Wir haben grundsätzlich das Problem, dass mit der zusätzlichen Versiegelung der Stadt ökologisch wichtige Flächen verloren gehen für den Natur- und Artenschutz, aber auch für das Stadtklima“, sagte BUND-Landesgeschäftsführer Tilmann Heuser.

Bei den Großsiedlungen auf den angedachten Flächen handele es sich zudem um Langfristprojekte mit einem Horizont von 15 Jahren. „Die Wohnungsbauziele dieses Jahrzehnts werden durch einen Stopp gar nicht beeinträchtigt.“ Die Energie, die die Politik aufbringe um die Elisabeth-Aue und Späthsfelde zu bebauen, wäre besser bei der Suche nach Möglichkeiten für den Wohnungsbau in der Stadt angewendet. „Da bestehen viel mehr Potenziale als bei diesen Flächen auf der grünen Wiese“, sagte Heuser.

Der Umweltschützer verwies darauf, dass es selbst im Stadtzentrum noch immer etliche Flachbauten und Parkplätze, etwa bei Supermärkten gebe. „Da kommt der Umbau nur sehr zäh voran. Wenn man sich darum kümmern würde, könnte man kurzfristig deutlich mehr erreichen, als mit viel Aufwand Großprojekte wie die Elisabeth-Aue und Späthsfelde zu betreiben“, erklärte der BUND-Geschäftsführer.

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