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Sie sollten den Verkehr beruhigen und zum Begegnen einladen, jetzt müssen sie weg. Die grünen Punkte und die gelben Parklets.

© Mike Wolff

Parklets auf der Bergmannstraße: Kreuzbergs Grüne wollen jeden zehnten Parkplatz abschaffen

Auf der Bergmannstraße werden die Parklets wieder abgebaut. Aber die Grünen wollen den Straßenraum im ganzen Bezirk neu aufteilen – zu Ungunsten des Autos.

Von Laura Hofmann

Die Gegner der wuchtigen gelben Straßenmöbel wird’s freuen: Am heutigen Mittwoch wird das erste Parklet auf der Kreuzberger Bergmannstraße abgebaut. Damit setzt das Bezirksamt einen Beschluss der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) um, der ein vorzeitiges Ende des Verkehrsberuhigungsexperiments vorsieht.

Innerhalb von drei Wochen sollen dann auch die anderen Parklets verschwinden, ebenso wie die auf die Straße gepinselten grünen Punkte, die zur Verkehrsberuhigung dienen sollten, aber die Gemüter einiger Anwohner und Bezirkspolitiker in Rage gebracht hatten.

Rund 1,1 Millionen Euro hat das Projekt Begegnungszone Bergmannstraße gekostet, inklusive Planung. Bezahlt hat es die Senatsverwaltung für Verkehr.

Doch was davon auch in Zukunft Bestand hat, ist noch unklar. Es zeichnet sich aber ab: Fuß- und Radverkehr sollen auf der belebten Einkaufsstraße Priorität vor dem Auto bekommen. Dafür hat sich eine Mehrheit der beteiligten Anwohnerinnen und Anwohner wiederholt ausgesprochen.

Zuletzt beim sogenannten „Real-Labor“ am vergangenen Freitag, mit dem die die Test- und Evaluierungsphase der Begegnungszone zum Abschluss gebracht wurde.

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Auf die Frage, welche Qualitäten ihnen für die Zukunft der Bergmannstraße besonders wichtig seien, sprachen sich die meisten Teilnehmer für „weitestgehende Autofreiheit“ und „Fußverkehr“ aus. Ebenfalls viele Stimmen bekam der „Fahrradverkehr“ sowie der Punkt „Begrünung“.

Stadtrat: Rückbau symbolisiert "Widerstände" gegen Verkehrswende

Auch Bezirksbürgermeisterin Monika Herrmann (Grüne) wünscht sich eine autofreie Bergmannstraße mit einem klugen Lieferverkehrssystem, in der Fußgänger Vorrang vor Radfahrern haben. Schnelle Radler sollen künftig in der Mitte der Gneisenaustraße entlang geführt werden. Der neue Radweg soll vom Südstern bis zu den Yorckbrücken führen, derzeit wird dazu eine Machbarkeitsstudie erarbeitet.

Für den Kreuzberger Baustadtrat Florian Schmidt (ebenfalls Grüne) symbolisiert der Rückbau der Parklets „die Widerstände, auf die die Verkehrswende treffen kann“. Gründe wie Lärm, Ästhetik oder Kosten würden vorgebracht – „dahinter steht jedoch vor allem ein Widerwille gegen das Zurückdrängen des Automobils“.

Passanten sitzen in einem Parklet an der Bergmannstraße in Kreuzberg.

© Paul Zinken

Und auch ein Einwohnerinnenantrag mit 1360 Unterschriften, initiiiert vom Bündnis Changing Cities und dem Netzwerk Fahrradfreundliches Friedrichshain-Kreuzberg, fordert den Fortbestand der Parklets und Maßnahmen gegen den Durchgangsverkehr.

Fünf Varianten für die zukünftige Gestaltung der Bergmannstraße wurden im Sommer von zwei Werkstätten mit Anwohnerbeteiligung entwickelt: Sie nennen sich „Grünraum statt Autoverkehr“, das wäre die von Herrmann präferierte Idee, „Grünraum und teilweise Autoverkehr“, „Einbahnstraßen und Raum für alle“, „die Fahrradachse“ und die „Nullvariante“, die eine Rückkehr zur Situation vor der Begegnungszone vorsieht.

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Die verschiedenen Varianten wurden in den vergangenen Wochen auf Schaubildern an den Parklets ausgestellt. Bis zum 29. September können Bürger auf der Online-Plattform mein.berlin.de ihre Kommentare zu den einzelnen Ideen abgeben. Anfang 2020 werden die in den Bürgerwerkstätten und anderen Beteiligungsformaten geäußerten Wünsche der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) vorgelegt, die dann über die dauerhafte Gestaltung der Bergmannstraße entscheidet.

Jeder zehnte Parkplatz soll wegfallen – das wären insgesamt 5000

Und was passiert jetzt mit den vormaligen Parkflächen, auf denen die Parklets standen? Dazu gibt es aus dem Bezirksamt keine klare Antwort. Und auch im Beschluss der Bezirksverordnetenversammlung steht nicht, dass dort wieder Parkplätze entstehen sollen. Vielmehr wollen die Grünen im Bezirk weitere Pkw-Parkplätze beseitigen, konkret jeden zehnten, so sieht es ein Antrag der Fraktion vor, der in der heutigen BVV-Sitzung voraussichtlich in die zuständigen Ausschüsse verwiesen wird.

Das würde bedeuten, das 5000 der rund 50.000 Parkplätze für Pkw wegfallen. „Ich finde das gut und richtig“, kommentiert Bürgermeisterin Herrmann und weist darauf hin, dass schon einige Parkplätze im Bezirk umgenutzt worden seien, um dort zum Beispiel Radbügel aufzustellen. Auch E-Scooter sollen künftig vor allem auf der Straße parken, darauf haben sich die Bezirke Friedrichshain-Kreuzberg, Neukölln und Mitte mit der Senatsverkehrsverwaltung verständigt.

Jeden zehnten Pkw-Parkplatz umzuwidmen nennt Annika Gerold, Grünen-Fraktionsvorsitzende im Bezirk „einen guten Start“, ihre Fraktion könnte sich auch mehr vorstellen. Ob eine Mehrheit der BVV da mitgeht, ist fraglich. Die SPD-Verordnete Hannah Lupper sagt zwar, perspektivisch sei „völlig klar, dass es weniger Parkplätze für Pkw“ geben müsse, allerdings müsse man das bedarfsorientiert mit der Bevölkerung entscheiden, und nicht „mit der Keule“ von oben, wie in der Begegnungszone geschehen.

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