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Michael Müller (SPD), Landesvorsitzender und Berlins Regierender Bürgermeister.

© Christophe Gateau/dpa

Update

Kredite statt Kürzungen: Berliner SPD lehnt Sparkurs während Corona-Krise ab

Die SPD will in der Corona-Krise keine Ausgaben kürzen, sondern die Schulden massiv erhöhen und 20 bis 30 Jahren zurückzahlen. Das wurde am Montag beschlossen.

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

Der SPD-Landesvorstand fordert den Senat und die eigene Fraktion im Abgeordnetenhaus auf, im Nachtragshaushalt für 2020/21 auf Kürzungen bei Investitionen und Personalausgaben zu verzichten. Auch in den Bezirkshaushalten soll nicht gespart werden, steht in dem Beschluss, der am Montag von der Parteiführung gefasst wurde.

Stattdessen sollten die durch die Coronakrise verursachten Kosten und die Steuerausfälle in Milliardenhöhe durch die Aufnahme von Krediten ausgeglichen werden.

Mit dieser Forderung, rennt der Landesvorstand bei den Haushältern der SPD, aber auch der Linken und Grünen offene Türen ein. Schon in der Parlamentssitzung am 30. April, als der Nachtragshaushalt erstmals beraten wurde, leisteten alle drei Regierungspartner offenen Widerstand gegen die Pläne des Finanzsenators Matthias Kollatz (SPD), das drohende Haushaltsdefizit von sechs Milliarden Euro bis Ende nächsten Jahres nicht vollständig durch neue Schulden zu decken, sondern eine Milliarde Euro einzusparen. Davon sollten die Bezirke einen Beitrag von 160 Millionen Euro leisten.

Für einige SPD-Kreisverbände und die „Parlamentarische Linke“ der Berliner Sozialdemokraten war dies Anlass genug, energisch gegenzuhalten. „Wir wollen keine neue Sparpolitik und auch keine engen Schuldentilgungspläne, die uns die Luft abdrehen“, sagte die Vize-Landeschefin der Sozialdemokraten, Ina Czyborra dem Tagesspiegel.

Deshalb hat sich der SPD-Landesvorstand am Montag auch dafür ausgesprochen, für die Tilgung der Corona-Kredite eine Laufzeit von 20 bis 30 Jahren einzuplanen. Mit der Tilgung solle nicht vor 2023 begonnen werden. Finanzsenator Kollatz würde die Kredite gern schneller zurückzahlen.

Nur in einem Punkt kam ihm die Partei entgegen: Sollte sich zum Jahresende - unabhängig von der Aufnahme neuer Schulden - doch ein Jahresüberschuss abzeichnen, soll dieses Geld in eine Rücklage für künftige Konjunkturprogramme gepackt werden.

"Noch einmal wollen wir das nicht"

Die Parteilinke Ülker Radziwill erinnerte an den harten Sparkurs unter Finanzsenator Thilo Sarrazin. „Das war damals angesichts der dramatischen Finanzlage Berlins okay, aber noch einmal wir wollen wir das nicht.“

Die richtige Antwort auf die schwere Krise seien massive Investitionen in die Wirtschaft und Infrastruktur der Stadt, so Radziwill. Das gelte auch für die „soziale Infrastruktur“. In ihrem Kreisverband Charlottenburg-Wilmersdorf fasste der Kreisvorstand einen entsprechenden Beschluss.

Grundlage der innerparteilichen Diskussion ist aber ein Antrag aus dem SPD-Kreisverband Mitte, an dem sich die SPD-Bundestagsabgeordnete aus Friedrichshain-Kreuzberg, Cansel Kiziltepe beteiligte. Die Genossen in Charlottenburg-Wilmersdorf lieferten kleine Änderungswünsche zu.

Einig sind sich alle, dass „der Kurs des Finanzsenators nicht haltbar ist“, wie die Vize-Landesvorsitzende Iris Spranger betonte. Die Kürzung von Investitionen, aber vor allem von Geldern für Sozialausgaben oder beispielsweise für Jugend- oder Seniorenprojekte wäre das völlig falsche Signal. Nach Meinung Sprangers kann sich Kollatz das für Donnerstag vorgesehene Gespräch mit den Bezirksbürgermeistern sparen.

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Harald Georgii, SPD-Kreischef in Friedrichshain-Kreuzberg, hat an dem Kurs der eigenen Partei grundsätzlich nichts auszusetzen, mahnt aber an: „Nun warten wir doch erst einmal die bundesweite Steuerschätzung am Donnerstag ab, dann haben wir Zahlen und wissen mehr.“

Er ist auch skeptisch gegenüber den Plänen von SPD-Haushaltsexperten, für Berlin ein großes Konjunkturprogramm zu schmieden, um die Wirtschaft wieder in Schwung zu bringen. „Wir sollten nicht die Illusion haben, auf Landesebene große Konjunkturpolitik machen zu können.“ Das sei in erster Linie eine Aufgabe des Bundes und der Europäischen Union.

Die Fraktionsspitzen von SPD, Linken und Grünen wollen sich noch in dieser Woche mit dem Finanzsenator Kollatz treffen, um mit ihm eine gemeinsame Linie in der Corona-Finanzpolitik zu finden, bevor der Nachtragshaushalt im Parlament beschlossen wird.

Korrekturhinweis: In einer früheren Version des Artikels stand, dass der Beschluss bereits am frühen Abend gefasst wurde. Tatsächlich wurde der Antrag zu diesem Zeitpunkt noch diskutiert, kurz darauf aber beschlossen. Wir bedauern den Fehler.

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