zum Hauptinhalt
Die Kneipe "Klo" in der Leibnizstraße in Charlottenburg ist eine Themen- und Erlebniskneipe.

© Felicia Klinger

Kneipen mussten wegen Corona schließen: Wirt vom „Klo“ am Ku'damm verklagt das Land auf Entschädigung

Die Corona-Maßnahmen ließen seine Umsätze einbrechen. Der Besitzer vom „Klo“ findet es fraglich, ob Infektionsschutz Grundrechte derart einschränken darf.

Von Fatina Keilani

Hier hängt der Himmel voller Nachttöpfe, und wer als Gast am falschen Fleck steht, bekommt schonmal einen Schlag mit dem Hammer auf den Kopf. Das Bier wird in der Urin-Ente serviert, die Currywurst in der Nierenschale. Manchmal kommt die ganze Zimmerdecke herunter, der Tisch fährt hoch oder der Barhocker fällt um. Es ist ein Gruselkabinett, ein Kuriositätensammelsurium, eine Geisterbahn mit Zapfhahn: Die Rede ist von der Kneipe „Klo“ am Ku’damm.

Presse aus aller Welt hat schon über sie berichtet. Bei den Berlinern scheint die Kneipe jedoch nicht unbedingt eine Institution zu sein – Stammkunden hat sie nur wenige, und selbst die kommen meist von außerhalb. So berichtet es ihr Chef Norbert Finke.

Wer vom Tourismus lebt und dazu Gastronom ist, den hat Corona vor erhebliche Probleme gestellt. So auch Finke. Er will eigentlich seinen Laden an den Sohn übergeben. Doch ohne Touris sind die Umsätze viel zu niedrig. „Ein, zwei Monate halte ich noch durch“, sagt Finke. Dann gehe es nicht mehr.

Bevor der 76-Jährige nach 47 Jahren als Wirt des „Klo“ nun sozusagen die Spülung abstellt, will Finke nochmal kämpfen. Als erster Wirt hat er das Land Berlin auf Schadensersatz verklagt. Am Dienstag um 11 Uhr verhandelt das Landgericht am Tegeler Weg.

Corona-Verordnungen der Länder könnten rechtswidrig sein

„Das ist das erste Verfahren in Berlin, in dem es um Entschädigung für Corona-Maßnahmen geht“, sagt Rechtsanwalt Niko Härting, der das Verfahren führt. „Es gibt viele Argumente, die dafür sprechen, dass die Corona-Verordnungen der Bundesländer rechtswidrig sind. Alle grundrechtsrelevanten Fragen müssen nämlich vom Gesetzgeber entschieden werden.“

Ob das Infektionsschutzgesetz als Ermächtigungsgrundlage für so weitreichende Grundrechtseinschränkungen ausreichend ist, wird schon seit Beginn der Pandemie diskutiert. Nun kommt die Frage vor Gericht.

[Wenn Sie alle aktuellen Nachrichten live auf Ihr Handy haben wollen, empfehlen wir Ihnen unsere runderneuerte App, die Sie hier für Apple- und Android-Geräte herunterladen können.]

Weiteres Argument: Das Infektionsschutzgesetz enthalte Entschädigungsregelungen, die aber nur für jene Personen gälten, die selbst infiziert waren. Das müsse dann ja erst recht für jene gelten, die nicht infiziert waren, aber trotzdem einen Schaden erlitten haben. Auf diese Analogie stütze man sich hier.

Zudem biete das allgemeine Polizeirecht auch eine Entschädigungsregelung für nicht verantwortliche Personen. Die Wirte, die zur Pandemie nichts beigetragen hätten, seien zu deren Bekämpfung herangezogen worden. Den dadurch erlittenen Schaden könnten sie über das Recht der Gefahrenabwehr geltend machen, auch vor dem Zivilgericht.

Am Dienstag wird man sehen, ob das Landgericht das auch so sieht. Auf eine klassische zivilrechtliche Anspruchsgrundlage aus dem BGB stützt sich der Kläger jedenfalls nicht.

„Wir liegen jetzt bei 42 Prozent des Umsatzes vom vergangenen Jahr“, sagt Inhaber Finke. „Wir haben gar keine Gäste mehr aus Skandinavien, Franzosen und Briten kommen auch nicht mehr, hin und wieder tauchen mal ein paar Dänen auf, die mit dem Auto kommen, aber solange die Flieger nicht fliegen, haben wir ein ganz großes Problem.“

Hereinspaziert. Noch stehen die Türen zum "Klo" offen.
Hereinspaziert. Noch stehen die Türen zum "Klo" offen.

© Felicia Klinger

Mit seinen Problemen ist das „Klo“ nicht allein: Dem Gastgewerbe hat die Krise schwer zugesetzt, die kalte Jahreszeit dürfte die Probleme nicht verringern. Anfang September hat der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband Hoteliers und Gastronomen zur Lage befragt. Gut 60 Prozent der Betriebe „bangen um ihre Existenz“.

Wirtschaftssenatorin Ramona Pop wandte sich derweil in einem Brief an die Gastronomen und rief zum gemeinsamen Kampf gegen die Krise auf: Es werde fortlaufend vom Senat überprüft, „inwieweit die Einschränkungen in der Gastronomie weiter notwendig sind und wie wir Ihre Arbeit wieder erleichtern können“.

Zwar gibt es bereits finanzielle Hilfen vom Senat. Aber das Verfahren ist kompliziert. Sollten Finke und Härting Erfolg haben, stellt sich die Frage, ob eine Schadensersatzklage auch für die anderen Wirte eine Option wäre.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false