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Aktivist:innen bei Blockade der Stadtautobahn am 4. Februar.

© Christian Mang/Reuters

„Notlage rechtfertigt Gesetzesverstöße“: Klimaaktivisten wollen Autobahn-Blockaden in Berlin fortsetzen

Anzeigen? Festnahmen? Der Protest an Abfahrten der Stadtautobahn soll weitergehen. So lange, bis die Regierung „ihren Job macht“, sagen radikale Aktivisten.

Die Klimaproteste gehen in die dritte Woche, und während dieser Zeit ist die Berliner Stadtautobahn als meistbefahrene Autobahn Deutschlands ihr zentraler Ort geworden. Bis die Regierung "endlich ihren Job macht" soll es dabei bleiben, kündigten Aktivist:innen vom „Aufstand der letzten Generation“ auf einer Pressekonferenz am Mittwochnachmittag an.

Man lasse sich auch durch vorläufige Festnahmen nicht abhalten, sagte Carla Hinrichs, die für die Gruppe spricht. "Wir werden weiter die A100 zum Ort des zivilen Widerstands machen!"

Dabei legen und setzen sich zwischen fünf und fünfzig Menschen in Warnwesten auf die Autobahn, zumeist vor Ampeln an Abfahrten. Schnell staut sich der Verkehr auf, wütende Autofahrer wurden zum Teil handgreiflich.

Mit Blick auf gesetzeswidrige Aktionen, bei der in Berlin auch ein Rettungswagen im Stau stecken blieb, argumentierte die Initiative: "Eine Notlage rechtfertigt auch Gesetzesverstöße. Und wir sind in einer Notsituation." Beendet würden die Blockaden zur aktuellen Kampagne "Essen Retten - Leben Retten" erst, wenn die Bundesregierung ein Gesetz gegen das Wegwerfen von Lebensmitteln beschließe.

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Seit Beginn der Proteste am 24. Januar habe es 37 Blockaden in mehreren Städten gegeben, laut Polizei fanden 29 Aktionen in Berlin statt. 164 Mal habe die Polizei seither Teilnehmende, die im Schneidersitz auf Autobahnausfahrten saßen, in Gewahrsam genommen, so die Aktivist:innen.

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Die Polizei nahm in den vergangenen Wochen mehr als 200 Anzeigen gegen Blockierende auf. An vielen Tagen seien es immer wieder dieselben jungen Männer und Frauen gewesen, die sich an den Aktionen beteiligten, teilte die Polizei auf Anfrage mit. Bis zum 7. Februar gab es 121 Ordnungswidrigkeitsanzeigen wegen Verstoßes gegen das Demonstrationsgesetz, weil die Aktionen nicht entsprechend angemeldet waren.
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Außerdem wurden knapp 50 Strafanzeigen wegen Nötigung, rund 30 wegen Widerstandes gegen die Polizei und eine geringe Anzahl wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr und Beleidigung erfasst.

Klimaaktivistin: "Die Aktionen ziehen Leute an!"

Die Zahl der Aktiven schätzt Hinrichs in Berlin auf ungefähr 50, deutschlandweit auf 70 bis 80 Personen. Ganz genau kennt sie die Größe ihrer Bewegung nicht, da sie sich durch die aktuellen Proteste vergrößere. „Die Aktionen ziehen Leute an“, neue Aktive, die ihren Alltag für die Teilnahme an den Protesten ruhen ließen. Am Mittwochnachmittag seien noch sechs Teilnehmende von Aktionen am Vortag in Polizeigewahrsam.

[Lesen Sie mehr bei Tagesspiegel Plus: Ist es legitim, für den Klimaschutz eine Autobahn zu blockieren?]

Lea Bonasera hat bereits am „Hungerstreik der letzten Generation“ teilgenommen. Die junge Aktivistin kennt die Situation, sich von wütenden Autofahrern beschimpfen zu lassen. Sie weiß um die Gefahren für die eigene Gesundheit, wenn Ärzte festgeklebte Hände mit einem Skalpell vom Asphalt trennen. Wichtiger ist ihr die zentrale Botschaft ihrer Bewegung.

Bislang habe es nur Lippenbekenntnisse gegeben im Kampf um ein sogenanntes "Essen-Retten-Gesetz", sagt sie, in ihren Augen ein erster Schritt bei der Klimarettung. Damit sollen Supermärkte verpflichtet werden, noch genießbares Essen zu spenden.

Am Messedamm räumten auch Autofahrer Protestierende von der Straße.

© Paul Zinken/dpa

Ein „schreiendes Unrecht“ sieht Ernst Hörmann, der als wohl ältester Aktivist der Bewegung am Donnerstag seinen 72. Geburtstag feiert und trotzdem an Aktionen teilnimmt. Für die Zukunft seiner acht Enkelkinder ließ er seine Hand an der Autobahn festkleben und sich von der Polizei abführen. Die Menschen wollten einfach so weitermachen, sagt er. Man rede über Elektroautos statt Verbrenner und baue Solaranlagen. Doch der drohende Klimakollaps werde dabei nicht registriert.

Giffey: "Art und Weise" der Aktionen "nicht zu akzeptieren"

Über die Blockaden diskutiert am Donnerstag auch das Berliner Abgeordnetenhaus in einer Aktuellen Stunde. Berlins Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) kritisierte am Dienstag die Aktionen: „Die Art und Weise, wie das gerade in Berlin geschieht, ist allerdings grenzüberschreitend und nicht zu akzeptieren.“

In Videos war zu sehen, dass erzürnte Autofahrer versuchten, Blockierer von der Straße zu zerren. Die Polizei riet dringend davon ab. Sonst könne es schnell um den Verdacht der Körperverletzung gehen. (mit dpa)

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