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Rahmenhandlung. Die gebürtige New Yorkerin Claire d’Orsay wundert sich über Leute, die ihre hochwertige Kunst in Nullachtfünfzehn-Rahmen stecken.

© Doris Spiekermann-Klaas TSP

Kleinunternehmen in Corona-Zeiten: Wie man mit Bilderrahmen durch die Krise kommt

Bei "Frameworks" in Kreuzberg gibt es Bilderrahmen aus nachhaltigem Material. Die Gründerin erklärt, warum Leute derzeit Rahmen kaufen - und freut sich über die staatlichen Hilfsprogramme. 

Seit Wochen sitzen alle mehr oder weniger zu Hause und starren ihre Wände an. Jetzt sehen sie ständig ihre ungerahmten Bilder, Kunstdrucke oder Grafiken, die dort hängen.

In der Coronakrise fällt noch eindringlicher als sonst auf, dass etwa der Glasrahmen mit dem Lieblingsfoto schon seit ewigen Zeiten einen Sprung hat. „Wollte ich den nicht schon längst reparieren lassen?“

So oder so ähnlich laufe das bei vielen derzeit ab, hat Claire D’Orsay beobachtet.

Zusammen mit ihrer Geschäftspartnerin Barbara Fellmann betreibt die 35-Jährige in Kreuzberg ein kleines Business der besonderen Art: Man könnte sagen, „Frameworks“ setzt Kunst ins Bild.

Hier werden Rahmen „individuell und einzigartig angefertigt, und zwar nachhaltig“, sagt D’Orsay. Jeder sei ein Unikat, jeder Rahmen hat eine Geschichte.

Das Material ist recycelt; falls ein Kunde den Wunsch hat, einen Neuholz-Rahmen für sein Bild anfertigen zu lassen, dann ist das mit dem FSC-Siegel (Forest Stewardship Council) zertifiziert.

Das Siegel besagt, dass das Holz aus Wäldern kommt, die verantwortungsvoll bewirtschaftet werden. Mahagoni aus dem Amazonasgebiet wird bei Frameworks zum Beispiel nicht verarbeitet. Denn um Tropenholz zu gewinnen, wird der Wald massiv gerodet.

Das Unternehmen bietet "High-End-Framing", keine Billig Rahmen von der Stange

Seit den Corona-Beschränkungen fehle der Durchlaufverkehr von Kunden, dafür aber kämen die Leute, die jetzt, wo sie so viel zu Hause sind, ihre Wohnung hübsch machen und sich um ihre Bilderrahmen kümmern. Da Frameworks ein Handwerksbetrieb ist, durfte der Laden in der Reichenberger Straße offen bleiben, ebenso wie die dazugehörige Werkstatt im Neuköllner Ortsteil Britz.

„Wir bieten High-End-Framing, also nichts von der Stange, sondern Handarbeit“, betont die Geschäftsführerin. Wer einen Nullachtfünfzehn-Rahmen wolle, möglichst billig, könne den bei Ikea oder im Kaufhaus bekommen. Claire D’Orsay sagt, ihr Fokus liege auf individueller Beratung und darauf, dass nicht einfach nur Kunst eingerahmt werde. „Ich kenne Menschen, die geben sehr viel Geld für ein Kunstwerk aus“, aber wenn es dann darum gehe, dieses zu präsentieren im Haus, dann werde das Bild in irgendeinem Standardrahmen aufgehängt, was der Kunst nicht gerecht werde.

Ton in Ton. Ein unverkäufliches David-Bowie-Porträt des Magnum-Fotografen Mick Rock mit passendem Rahmen – und weitere Beispiele im Ladengeschäft.
Ton in Ton. Ein unverkäufliches David-Bowie-Porträt des Magnum-Fotografen Mick Rock mit passendem Rahmen – und weitere Beispiele im Ladengeschäft.

© Tanja Buntrock

Die gebürtige New Yorkerin ist froh: Kreuzberg sei für das, wofür Frameworks stehe, genau der richtige Ort. Das Publikum hier sei an echter Handarbeit interessiert. Eine Rahmenanfertigung in ihrem Laden fängt bei 100 Euro an, dabei komme es nicht so sehr auf die Größe an, „denn jeder hat vier Ecken“, erklärt sie, aber die Handarbeit, die darin stecke, sei das, wofür die Kunden am Ende zahlten.

Vor zehn Jahren kam Claire D’Orsay der Liebe wegen aus den USA nach Deutschland. Ihre damalige Frau ist Berlinerin. Zwar hatte D’Orsay Psychologie studiert, aber ihr sei in Berlin von Anfang an klar gewesen, dass sie – damals noch mit nur wenigen Deutschkenntnissen – unmöglich hier als Psychologin arbeiten wollte. Ihre Mutter ist Künstlerin, die Affinität zum Künstlerischen war seit jeher da.

Sie fing an zu arbeiten bei „Bilderrahmen Landwehr“, ein Laden, der mittlerweile anders heißt, damals aber Stephan Landwehr, dem Mitbegründer des Promi-Restaurants Grill Royal, gehörte. Dort habe sie alles gelernt, was sie brauche. „Mir war aber immer klar, dass ich eines Tages mein eigenes Business haben wollte.“ 2014 gründete sie Frameworks. Ihr Laden saß erst im Stadtbad Wedding, ein Jahr später zog sie in die Reichenberger Straße nahe dem Kotti.

D’Orsay gewann den Gründungswettbewerb des Landes Berlin – so habe sie damals nicht nur einen 50-seitigen Businessplan erstellen können und passende Beratung bekommen, sondern auch das erste Kapital, um sich mit Frameworks und ihrem Konzept selbstständig zu machen.

Eine Auswahl von Rahmen in dem Laden "Frameworks" in Kreuzberg.
Eine Auswahl von Rahmen in dem Laden "Frameworks" in Kreuzberg.

© Tanja A. Buntrock

Frameworks in der Reichenberger Straße: Die Inhaberinnen bieten auch Kurse zum Selbermachen eines Rahmens an - aber in der Werkstatt in Britz.
Frameworks in der Reichenberger Straße: Die Inhaberinnen bieten auch Kurse zum Selbermachen eines Rahmens an - aber in der Werkstatt in Britz.

© Doris Spiekermann-Klaas TSP

Das Material für ihre außergewöhnlichen Rahmen sucht sie sich buchstäblich auf der Straße zusammen. Berlin ist dahingehend eine Goldgrube, überall wurde in den vergangenen Jahren saniert und gebaut. „Die alten Türen und Fenster, die Fußleisten, alles Alte wurde aus den Wohnungen gerissen“, schildert D’Orsay. Bei Frameworks wird das alte Holz wiederverwertet – als Bilderrahmen. Um die Dimension klarzumachen, wie viel Material benötigt wird, gibt sie einen Vergleich: Für 100 Meter Alt-Holz benötigt sie etwa 50 alte Türen. Aber die Rahmen, die Frameworks anbietet, bestehen auch aus abgewetzten Dielenböden, aus Bootsholz und aus altem Turnhallenboden.

Über Kontakte, die sie sich im Laufe der Zeit aufgebaut hat, kommt sie immer wieder an größere Mengen Holz. Etwa wie das Angebot des Mannes, der einen Bauernhof in Beelitz in Brandenburg umgebaut hat. Drei Mal sei sie rausgefahren, um das ganze alte Holz während des Umbaus abzuholen.

Doch D’Orsay und ihre Geschäftspartnerin bauen nicht nur Rahmen nach Wunsch, sondern geben ihnen auch die richtige Grundierung und Farbe. Häufig exakt die Pigmentierung, die zu dem Bild passt.

Ein Highlight im Laden ist der Magnum-Print des Star-Fotografen Mick Rock von David Bowie. Die Pop-Ikone in einem pastell-türkisfarbenen Anzug.

Der Rahmen um das Bild hat exakt denselben Farbton. „Das Bild ist unverkäuflich“, sagt D’Orsay. Das Stück demonstriert, was die Frauen von Frameworks ihren Kunden anbieten können.

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Seit Beginn hat D’Orsay zusammen mit ihrem Team, das aus mehreren freien Mitarbeitern besteht, auch Workshops angeboten. In den Kursen, einmal im Monat, kann eine überschaubare Gruppe von sechs Leuten lernen, wie man selbst seinen eigenen Bilderrahmen macht. Das Ganze findet nicht im Laden in Kreuzberg, sondern in der Werkstatt in Britz statt. Für 120 Euro haben die Teilnehmer unbegrenzten Zugang zu allen Leisten, sämtliches Material ist inklusive. Die Neulinge werden angeleitet und gehen am Ende mit ihrem eigenen Handwerksstück nach Hause. Da der Kurs klein ist und die Werkstatt genug Platz für Abstand bietet, sollen die nächsten Kurse im Mai stattfinden.

Über die Homepage und das Instagram-Profil informiert Claire D’Orsay auch darüber, was man tun kann, um Künstler während der Pandemie zu unterstützen – etwa Gutscheine kaufen oder positive Rezensionen auf Google schreiben, deren Posts und Stories auf Social Media teilen oder die Kunstszene finanziell unterstützen.

Trotz langer Warteschlange war das Geld der Soforthilfe nach wenigen Tagen auf dem Konto

Sie sagt, die Deutschen wüssten gar nicht, wie gut es ihnen hier gehe in puncto Abgesichertsein. „Ich bin Amerikanerin, ich weiß, wovon ich rede“, sagt sie.

„So eine schnelle Hilfe mit Geld vom Staat habe ich noch nie erlebt und hätte nie gedacht, dass das möglich ist.“ Als zu Beginn der Krise das Soforthilfeprogramm II für Soloselbstständige und Kleinstunternehmen in Berlin freigeschaltet wurde, habe sie sich sofort angemeldet online bei der Investitionsbank Berlin (IBB), das war an einem Freitag, und sie sei die Nummer 25 508 in der Warteschlange gewesen.

Am Samstagabend um 20 Uhr sei sie durchgekommen, konnte das Geld beantragen. „Und am Dienstag hatte ich 9000 Euro vom Bund und 5000 Euro vom Land Berlin“, sagt sie noch immer euphorisch. „In den USA funktioniert so was nicht“. Und deshalb sage sie, auch wenn gerade eine Notlage herrsche: „Mir geht es immer noch gut.“

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