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Das Gesundheitsamt schaltete sich ein: Der Einlass an der freien Waldorfschule Kleinmachnow erfolgte nur mit Impfpass.

© Andreas Klaer

Kleinmachnow: Gesundheitsamt prüft Impfstatus von Schülern

Wer keinen Impfschutz vorweisen kann, bleibt vom Schulbetrieb ausgeschlossen: Das alles, weil eine Schülerin die Windpocken hatte.

Aufregung an der Kleinmachnower Waldorfschule: Mit Einlasskontrollen haben am Donnerstagmorgen gegen 7.30 Uhr sechs Mitarbeiter des Gesundheitsamtes Potsdam-Mittelmark den Impfstatus der Schüler geprüft. Hintergrund ist ein Windpockenfall, der bereits Ende vergangener Woche den Behörden von der Schulleitung gemeldet wurde. Kontrolliert wurden Schüler der ersten bis achten Klasse. Konnten sie keinen vollständigen Windpocken-Impfschutz oder ein Attest vorweisen, wonach sie die Krankheit bereits hatten, wurden sie bis zum Ende des Monats vom Schulbetrieb ausgeschlossen.

Gegen dieses Vorgehen haben Schulleitung sowie Eltern protestiert. Die Schule kündigte in einem Schreiben an, rechtliche Schritte zu prüfen. „Diese Maßnahme halten wir für völlig überzogen“, sagte Katrin Falbe, Geschäftsführerin der Kleinmachnower Waldorfschule. Die Schule bestehe seit 1990, Falbe leitet die Einrichtung seit zwölf Jahren. Seither habe es immer wieder Fälle von Windpocken oder Masern gegeben. Kontrollen wie am Donnerstagmorgen habe es noch nie gegeben.

Falbe fragt sich, ob das Vorgehen der Behörden verhältnismäßig ist. Bisher habe die Schule bei ansteckenden Krankheiten immer sofort das Gesundheitsamt informiert. Zudem würden die Eltern per Infoschreiben benachrichtigt, auf dem gesamten Schulgelände gebe es Aushänge.

Von der kurzfristigen Anordnung der Impfbuchkontrolle sei sie völlig überrascht worden, sagte die Schulleiterin. Ihr sei nichts anderes übrig geblieben, als den Behörden Zutritt zu gewähren. Erst am Mittwochnachmittag, nach einem Gespräch mit der Behörde, konnte sie die Eltern über die Aktion informieren. „Ich schätze, dass viele Kinder daraufhin gar nicht erst gekommen sind.“ Sie bedauere, dass durch solche Aktionen besonders die Waldorfschulen in ein bestimmtes Licht gerückt werden würden. „Bei uns gibt es nicht nur Impfgegner, sondern auch viele Impfbefürworter – genau so wie an anderen Schulen auch, sagte Falbe.

Nur bei Vorlage eines Attests

Familienvater Johann Schilling eilte am Donnerstagmorgen vor der Arbeit zur Kinderärztin, um sich ein Attest zu holen. Die Tochter meldete er krank. Am Mittag habe das Gesundheitsamt bei ihm angerufen, erzählt er. Die Behörde habe wissen wollen, ob die Tochter wirklich krank sei oder kein vollständiges Impfbuch habe. Nur bei Vorlage eines Attests dürfe sie die Schule wieder besuchen, Zuwiderhandlungen würden eine Ordnungswidrigkeit nach sich ziehen.

„Das ist Schikane“, sagt Schilling. Er sieht in dem Vorgehen einen politischen Versuch, Impfkritiker einzuschüchtern. „Mit solchen Kontrollen, die ja jetzt jederzeit wieder stattfinden können, wird mir deutlich gemacht: Wenn du einen reibungslosen Schulalltag möchtest, dann lasse dein Kind impfen.“ Überzogen findet Schilling, dass die Behörde solche Maßnahmen bei einer Windpockenerkrankung vornehmen, „bei Masern, Mumps oder Röteln könnte ich das ja noch verstehen“.

Wie viele Schüler vom Unterricht ausgeschlossen werden, blieb zunächst offen. Die Auswertung der Impfpässe und Atteste dauere noch an, hieß es.

Das Gesundheitsamt des Landkreises verteidigte sein Vorgehen und berief sich auf das Infektionsschutzgesetz. Die Einlasskontrollen seien notwendig, um das Ausbreiten der hoch ansteckenden Krankheit zu verhindern und drohende Gefahren für Einzelne abzuwenden. So bestehe bei Windpocken das Risiko an weiteren Komplikationen wie zum Beispiel einer bakteriellen Infektion der Haut, Lungenentzündung, Gleichgewichtsstörungen und eine Reizung der Hirnhäute zu erkranken.

Robert-Koch-Institut empfiehlt Ausschluss von 16 Tagen

Ein Sprecher des Gesundheitsministeriums in Potsdam sagte, es handele sich um eine „ganz normale Maßnahme“, die vom Robert-Koch-Institut empfohlen werde und durch das Bundesgesetz geregelt sei. Statt dem von den örtlichen Behörden angesetzten zehntägigen Ausschluss würde das Robert-Koch-Institut bis zu 16 Tage empfehlen.

Der Chefarzt der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin am Klinikum Niederlausitz, Hendrik Karpinski, hat Verständnis für die Aktion in der Schule. Es sei Aufgabe des Gesundheitsamtes, die Ausbreitung von Krankheiten zu verhindern. Er rechne damit, dass immer mehr Kitas und Schulen einen Impfnachweis verlangen. Ob ein Kind geimpft wird oder nicht, sei zwar eine Individualentscheidung: „Aber es geht immer auch um die Gruppe“, sagte Karpinski. Eltern müssten sich darüber im Klaren sein, dass ungeimpfte, kranke Kinder auch ein Ansteckungsrisiko für andere mit sich tragen. Unter Impfgegner kursierten vielfach falsche Informationen. „Da wird zum Beispiel gesagt, dass durch das Impfen das Risiko für Autismus steige. Das ist wissenschaftlich längst widerlegt“, sagte der Chefarzt. (mit mak)

Eva Schmid

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