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Politische Willensbildung. Als Klassensprecherin übt die Tochter unserer Autorin schon einmal.

© dpa

„Kinderarbeit ist verboten, Mama“: Wenn der Nachwuchs langsam politisch wird

Mindestlohn, Klimaschutz, Jugendparlament? Die Tochter unserer Autorin freut sich, mitgestalten zu können. Eine neue Folge der Familienkolumne.

Als meine fast zwölfjährige Tochter noch jünger war, erwiderte sie auf meine Bitte, den Geschirrspüler einzuräumen: „Kinderarbeit ist verboten, Mama!“

Auch, wenn ich froh war, dass die politische Willensbildung schon früh einsetzte, konnte ich getrost widersprechen und ihr mit einigen Unicef-Argumenten klarmachen, was der Unterschied zwischen einem privilegierten Kind in Berlin-Tempelhof ist, das ab und zu seine schmutzigen Teller in einen Geschirrspüler stellen muss, und einem Kind, vorwiegend in anderen Staaten der Erde, das körperlich und seelisch ausgebeutet, vom Schulbesuch abgehalten und seiner Kindheit beraubt wird.

Das Thema kam kürzlich noch einmal aufs Tapet, in anderem Zusammenhang. Es war vor den Bundestagswahlen. Nicht ohne Hintergedanken sprach ich länger mit ihr über faire Bezahlung, welche Parteien sich für den Mindestlohn einsetzen, sodass Menschen auch von ihrer Arbeit leben können, und welche Partei den Mindestlohn sogar erhöhen möchte.

„Finde ich zwar auch richtig, aber für uns Kinder ist ja die Rettung des Planeten sehr wichtig, daher ist der Mindestlohn für mich eher der zweite Entscheidungspunkt“, führte sie aus.

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Seit dem neuen Schuljahr ist sie Klassensprecherin. Gute Sache, denn hier lernt sie die Grundprinzipien der Demokratie kennen und was es heißt, das gesellschaftliche Leben aktiv mitzugestalten. Neulich hat sie sich mit ihrer Co-Klassensprecherin mit den „Hauptleuten vom Schulcatering“, wie sie sagte, getroffen, um Verbesserungsvorschläge für das Schulessen einzubringen.

"Ich fuhr rasenden Autofahrern hinterher beschimpfte sie und schlug ihnen aufs Dach"

Ob denn nicht Salz- und Pfefferstreuer zum Nachwürzen auf die Tische gestellt werden könnten? (Geht nicht, zu viel Risiko, dass die Kinder damit Quatsch machen.) Oder ob es nicht mal wieder Eis als Nachtisch geben könne? (Auch nicht möglich: Hygienemaßnahmen, Kühlsituation.) Immerhin wollen die Caterer nun über einen Hotdog- oder Burgertag als Special Event vor den Ferien nachdenken.

Seit Wochen freut sich meine Tochter auf ihre bislang größte Veranstaltung: das Kinder- und Jugendparlament Tempelhof-Schönberg, das zur virtuellen Sitzung einlädt. Auch hier gilt: keine Teilhabe ohne Vorschlag. Sie möchte etwas gegen die Raserei vor ihrer Grundschule unternehmen. Das ist vernünftig. Zumindest im Vergleich zu meiner Methode: Früher, als ich sie noch mit dem Rad zur Schule begleitete, bin ich rigoros rasenden Autos hinterhergefahren, habe aufs Dach geschlagen und diejenigen am Lenkrad beschimpft („Vollpfosten!“).

Meine Tochter hat einen anderen Ansatz: Sie möchte einen Antrag einbringen für ein Verkehrsschild „wo so was wie ‚Vom Gas runter, Schule!‘ draufsteht“, sagte sie. Die politische Teilhabe tut ihr offenbar gut. Nicht nur, dass sie jetzt ihren Teller in den Spüler räumt. Neulich bekam ich nach einem langen Homeoffice-Tag von ihr eine Whatsapp, während ich joggte. Inhalt: „Soll ich die Wäsche schon mal zusammenlegen?“

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