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Malt Berliner-Szenen so, wie er sie sieht: Christopher Kadetzki. 

© Robert Klages

Punks, Polizisten, obdachlose Menschen: Kiezkünstler Christopher Kadetzki malt Berliner Szenen in Öl

Demonstrationen, Obdachlose und die Schlange vor dem Berghain: Christopher Kadetzki malt Szenen der Stadt. Bei seinem ersten Gemälde wurde er bedroht. 

Demonstrierende Punks streiten mit Polizisten, obdachlose Menschen irren umher oder werden vom Sicherheitspersonal aus ihren Zelten gezogen und vom Gelände entfernt. Ein Mann mit einem Mikrofon verkündet Widerstand gegen die Räumung des Obdachlosencamps an der Rummelsburger Bucht – und schon wird der Bagger von fünf Personen besetzt, der damit begonnen hatte, eine Behausung abzureißen.

In der Nacht auf den sechsten Februar war das wohl größte Obdachlosencamp Deutschlands geräumt worden. 100 Personen dürfen nicht mehr in ihren Hütten übernachten. Rund die Hälfte von ihnen hat das Angebot der Stadt angenommen, in einer Traglufthalle unterzukommen.

Lichtenbergs Stadtrat Kevin Hönicke (SPD) hatte zugesichert, dass die Behausungen der obdachlosen Menschen nicht abgerissen werden. Doch die Protestierenden sehen den Bagger, wie er eine der aus Holz, Paletten und Planen gebauten Hütten beginnt abzureißen. Eine Zeitlang stehen sich die Bagger-Besetzer und ein Polizist auf dem Arbeitsgerät gegenüber.

Am Rande der spontanen Demo steht Christopher Kadetzki mit seiner Staffelei und hält die Szenerie mit Ölfarben auf Leinenkarton fest: Die Demonstrierenden, die angefangen haben, mit Tassen oder Gegenständen an den Zaun zu schlagen. Auch die Baggerschaufel im Hintergrund. Kadetzki versteht nicht, warum es heißt, die Hütten würden nicht abgerissen, obwohl ein Bagger genau dies gemacht hat. Die Besetzung des Geräts scheint Wirkung gezeigt zu haben: Die Hütten bleiben stehen. Vorerst.

Der 31-Jährige Maler und Lackierer ist erst vor einem halben Jahr nach Kreuzberg gezogen – und hat große Pläne: Er will Obdachlose portraitieren. Zusammen mit Freunden wollte er den Bucht-Bewohnenden Suppe anbieten und ins Gespräch kommen. Dann kam die Räumung. Kadetzki sucht die Leute nun an ihren neuen Schlafstätten auf: Einige haben sich am Ringcenter in Friedrichshain niedergelassen.

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„Berlin ist schnelllebig“, sagt Kadetzki. "Die Energie hier in der Stadt ist großartig, jeder Tag ist ein Genuss, überall finden sich Motive." In Frankfurt an der Oder hat er jahrelang auf dem Bau gearbeitet, Schimmel und Asbest aus Häusern entfernt. 

In der Stadt an der polnischen Grenze hatte er bereits erste Ausstellungen mit seinen Berlin-Gemälden. Nun will er in der Hauptstadt weitermachen. Die Ausstellungen sind bereits geplant und sollen starten, sobald es die Corona-Pandemie zulässt, eine eigene Website ist im Aufbau. Bisher zeigt der Maler seine Bilder auf Instagram

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Einen, der jahrelang auf dem Camp an der Rummelsburger Bucht gelebt hat, hat Kadetzki bereits portraitiert: Ingo Bauer, bekannt auch aus dem Tagesspiegel-Podcast „Eine Runde Berlin“. Sein Portfolio soll aber nicht nur aus Wohnungslosen bestehen. In den kommenden Tagen will Kadetzki eine Holocaust-Überlebende malen – via Lifestream.

An diesem Samstagnachmittag fallen Schneeflocken auf sein Ölgemälde und bilden kleine Körner. Es ist bitterkalt, die Farben trocknen schneller als der Pinsel es möchte. Berlin ist manchmal rau. 

Beim Malen mit dem Messer bedroht

Das hat Kadetzki bereits bei seinem ersten Berlin-Bild vor vier Jahren erfahren: Er stand am Heinrichplatz und malte, als er plötzlich von einem Mann mit einem Messer bedroht wurde. Dieser störte sich offenbar daran, dass Kadetzki das Haus, in dem er wohnt, auf eine Leinwand brachte. "Das war mein erster Eindruck von Berlin“, lacht Kadetzki während er weitermalt.

Die Schlange vor dem Berghain in Öl auf Leinen. 

© privat

Am Christopher Street Day 2019 war Christopher Kadetzki erneut auf der Straße und fertigte sein bisher markantestes Werk: Er malte die Schlange vor dem Berghain. Einige Leute, die von den Türstehern abgewiesen wurden, wollten von ihm portraitiert werden, ein junger Mexikaner habe 1000 Euro für das Bild „Die Schlangestehenden“ geboten, erzählt Kadetzki, er sei allerdings sichtlich auf Drogen gewesen. 

Andere hätten sich vor ihm ausgezogen oder seien um ihn herum getanzt. „Andere Zeiten“, sagt Kadetzki, den Pinsel absetzend. Man merkt, er sehnt das Ende der Pandemie entgegen, damit es bei ihm weitergehen kann – und damit seine gemalten Szenerien wieder voll Leben stecken.

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