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Berlins Justizsenator Dirk Behrendt will Frauen fördern - und stößt auf Gegenwehr. Von verschiedenen Seiten.

© Paul Zinken/dpa

„Kein Mann wird benachteiligt“: Werten Frauen anders? Streit um weiblichere Prüfungskommissionen

Justizsenator Dirk Behrendt will Frauen fördern und bekommt Gegenwind. Neue Zahlen zeigen aber: Mehr Gleichstellung in der Justiz wäre dringend nötig.

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Kann sich die Besetzung einer Prüfungskommission auf das Ergebnis der Geprüften auswirken? Sicher, aus verschiedenen Gründen. Allerdings führt nun eine Studie zu Diskussionen in der rot-rot-grünen Koalition – sie legt nahe, dass Kandidatinnen bei rein männlichen Prüfungskommissionen in den mündlichen Prüfungen des Jura-Staatsexamens schlechter abschnitten.

Wie berichtet, hatte der Senator für Justiz und Antidiskriminierung, Dirk Behrendt (Grüne), diese Studie aus Nordrhein-Westfalen, auf Berlin übertragen und deshalb ausschließlich Richterinnen und Staatsanwältinnen per Brief adressiert, um sie als Prüferinnen zu gewinnen. „Der Umstand, dass Frauen in den Prüfungskommissionen unterrepräsentiert sind, kann auch zu Diskriminierung von Frauen beitragen“, hatte Behrendt dem Tagesspiegel gesagt. Es sei ihm „ein wichtiges Anliegen“, den Frauenanteil zu erhöhen.

Der rechtspolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Sven Kohlmeier, sieht darin aber eine Diskriminierung von Männern. Denn implizit werfe Behrendt den männlichen Prüfern vor, dass sie Frauen diskriminierten. Kohlmeier sagt, er habe bereits Rückmeldungen von Prüfern, die sich überlegen würden, sich in Zukunft nicht mehr zur Prüfungsabnahme bereit zu erklären.

„Grundsätzlich finde ich es richtig, alle Kommissionen mit Frauen und Männern zu besetzen. Das wäre auch für männliche Prüflinge gut“, sagte Kohlmeier. Er kritisiere aber, dass es in Berlin keine Anhaltspunkte dafür gebe, dass Frauen strukturell benachteiligt würden. Um das festzustellen, bräuchte es schon eine Studie für Berlin. Er sorge sich vor dem Hintergrund des neuen Landesantidiskriminierungsgesetzes (LADG) zudem, dass Prüfer beweisen müssten, sie hätten Frauen nicht benachteiligt.

„Wenn wir Nachteile für Frauen abbauen, ist das keine Benachteiligung von Männern“, sagte Behrendt dem Tagesspiegel am Mittwoch. Kein männlicher Kandidat oder Prüfer werde benachteiligt, wenn Frauen gleichgestellt seien. Mit Blick auf mögliche Beschwerden nach dem Landesantidiskriminierungsgesetz gibt sich Behrendt entspannt: „Bei einer Benachteiligung in der mündlichen Prüfung gab es auch schon vor dem LADG Mittel, sich zu wehren. Gäbe es den Fall, würde sich die benachteiligte Person nicht gegen den Prüfer, sondern gegen das Prüfungsamt richten.“

Frauen sollten als Vorbilder in den Kommissionen vertreten sein

Die Arbeitsgemeinschaft der Anwältinnen im Deutschen Anwaltverein (DAV) begrüßt die Bemühungen der Justizverwaltung. „Frauen stellen derzeit circa 50 Prozent der Richter- und Staatsanwaltschaft, in der Anwaltschaft sind sie mit etwa 35 Prozent vertreten. Dies sollte auch durch die Zusammensetzung der Prüfungskommissionen gespiegelt werden“, sagte Rechtsanwältin Christina Dillenburg, stellvertretende Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft.

Frauen sollten in ihrer Funktion als „Role Model“ für angehende Juristinnen in den Kommissionen vertreten sein, dies gelte ganz unabhängig von den Ergebnissen einer Studie.

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Dass in Sachen Gleichstellung auch in seinem eigenen Haus noch einiges zu tun bleibt, bekommt Behrendt seit Monaten zu spüren. Ein Streit mit der Frauenbeauftragten um mehr Beteiligungsrechte führte zu gleich mehreren Gerichtsprozessen – die Behrendts Verwaltung allesamt gewann. Die Richterinnen weisen seitdem daraufhin, dass es in Berlin zwar mehr Frauen im Richteramt als Männer gibt, bei den Beförderungen aber nur 42 Prozent weiblich sind.

Teilzeit stellt für Frauen eine massive Karrierehürde dar

Dass dies auch bei der Staatsanwaltschaft der Fall ist, zeigt eine noch unveröffentlichte Anfrage der FDP-Abgeordneten Maren-Jasper Winter. In der Berliner Staatsanwaltschaft arbeiten bis zu 55 Prozent Frauen – aber nur 40 Prozent der Beförderten sind weiblich. „Diese Zahlen werfen die Frage auf, warum die Karriere von Frauen in der Staatsanwaltschaft wie durch einen Trichter verlangsamt wird“, sagt Jasper-Winter.

Vor allem die Arbeit in Teilzeit sei in der Justiz noch „eine massive Hürde für den beruflichen Erfolg“. Es sei Zeit, diese strukturelle Barrieren abzubauen – größere Diversität in Prüfungskommissionen könnte ein Ansatz dafür sein. „Die Schwierigkeiten nach dem Berufseinstieg sind aber noch offensichtlicher - trotz guter Noten.“

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