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Gut gemeint und gemacht. Aleksandra Kaldonek leitet seit Mai den Malteserladen und managt den Schichtbetrieb der 20 ehrenamtlichen Mitarbeiter.

© Doris Spiekermann-Klaas

Second-Hand-Laden der Malteser: Kassenbon mit Mehrwert

Im Malteserladen gibt es gespendete Kleider, Bücher und Accessoires. Wer am Marheinekeplatz shoppt, hilft sozialen Projekten in der Stadt.

Hier vier Killerfragen für den Weg zur Kasse in der Textilkettenfiliale: Braucht man das, was man gleich zahlen will, wirklich? Hat man das so ähnlich nicht schon? Und was ist mit den armen Näherinnen in den furchtbaren Nähfabriken? Befördert man nicht deren Leid und überhaupt den gesamtglobalen Überflusswahnsinn mit dem Kauf des Teils, das man gerade unterm Arm hat?

Wer den Shoppingakt nach dieser Selbstinquisition noch beendet, der braucht entweder wirklich etwas zum Anziehen oder hat einen akuten Gewissensblackout – und vielleicht steht er auch im luftig-schicken, weiß-roten Malteserladen am Kreuzberger Marheinekeplatz.

Gespendete Kleider hängen nach Farben, Größen oder Stil sortiert an hohen Stangen in weißen Kastensystemen. Blusen, Röcke, Hosen, Jacken von eben jenen einschlägigen Textilkettenmarken, denen immer ein gewisser Zweifel anhaftet, H&M, Zara, Esprit, Miss Sixty, mal auch Joop oder comma. Außerdem gibt es: Bücher, Kinderkleider, Spielzeug, Accessoires. Abgegeben (meist) von Frauen, aufgebügelt, aufgehängt und dann verkauft an (meist) andere Frauen, die eine Frage nicht mehr fürchten müssen: Vergrößert mein Einkauf das Elend der Welt? Im Gegenteil!

Der Malteserladen ist ein besonderer Secondhandladen. Das Geld, das die fast ausschließlich ehrenamtlichen Mitarbeiter hier einnehmen, ist für Projekte der Malteser in Berlin gedacht. Und dieses Gute seines Zwecks strahlt der Laden auch schon aus. Nett, freundlich, hell, geräumig ist er, die Menschen lächeln, reden miteinander, es scheint leicht, hier gute Laune zu haben.

„Höherwertig!“, ruft im Raum Köln der Projektverantwortliche Christoph Riedel autofahrenderweise als Stichwort in sein Freisprechhandy. Das sei es, was man wollte, deshalb das elegante Shopdesign, das sich Studenten ausgedacht haben und das in Malteser-Sozialwerkstätten gezimmert wurde. Die Malteser seien immer auf der Suche nach Wegen, Geld für ihre Projekte einzunehmen, ruft Riedel auch noch. Weshalb der Laden ein Test sei, nach dem Vorbild der Hilfsorganisation Oxfam. McKinsey habe das Geschäftskonzept kostenlos erarbeitet. Leider müssten sie eine mäßige, aber ortsübliche Miete zahlen, und ein bisschen investiert haben sie auch in den Laden, weshalb noch kein Geld an Projekte geflossen sei, aber bis Ende des Jahres solle sich das geändert haben, sagen die Malteser. Der Vermieter schätze ihr karitatives Tun, er sei Brite, sagen sie, und Großbritannien ist schließlich die Heimat von Oxfam und traditionell eng bepflastert mit sogenannten Charity Shops. Gelegentlich gehe er am Laden vorbei und habe sich noch nicht beschwert, wenn vor der Tür seines schicken Hauses die bunten Altkleider an Kleiderstangen im Wind wehen.

Für das Ladenmanagement wurden im Internet ehrenamtliche Helfer gesucht und schnell gefunden, und im Mai kam noch Aleksandra Kaldonek dazu. Sie ist 30 Jahre alt, hat zuvor bei Peek & Cloppenburg gearbeitet und bezieht als Shopleiterin ein Gehalt. Noch ein Kostenpunkt. Aber ohne einen hauptamtlichen Verantwortlichen sei es nicht gegangen.

Und wie geht das, Chef sein, wenn man nur ehrenamtliche Mitarbeiter hat, die nicht zum Erscheinen gezwungen sind? Traut man sich überhaupt, die zu kritisieren? Das brauche sie gar nicht, sagt Aleksandra Kaldonek, die auf ihre Mitarbeiter schwört. Die seien zuverlässig, engagiert und nett, alt und jung. 20 Namen hat sie im Register, könnte aber mehr brauchen. Und falls doch mal keiner Zeit hat oder einer krank wird, managt Kaldonek den Laden alleine.

Wie jetzt gleich wieder, wenn die Ehrenamtlerin Petra Rautenberg, 41, ihren Vormittagsdienst beendet. Sie ist seit Februar dabei. Shopping mit gutem Gewissen war weniger ihr Interesse. Aber sie habe sich, weil sie als Arbeitslose Zeit hat, ehrenamtlich betätigen wollen. Sie mag den Job im Malteserladen, weil er eine Leichtigkeit habe. Als sie ein Ehrenamt suchte, wurde ihr viel aus dem Pflegebereich angeboten, davor habe sie zu viel Respekt gehabt, sagt sie. Hier im Laden sei immer etwas zu tun und auch viel Unterschiedliches. Aufräumen, Waren annehmen, auspreisen oder schauen, dass es ordentlich ist, was ihr am meisten liege, „rumwurschteln“, nennt sie das.

„Ich muss auch mal wieder was vorbeibringen“, murmelt eine Dame, die sich bereits einen Schal zur Seite gelegt hat und weiter durch die Regale flippt. Nehmen und geben, das macht den Malteserladen auch zu einer Art Tauschbörse mit sozialem Mehrwert für die Anrainerinnen. Manche sehen die Kleider, die sie abgeben, später an anderen wieder. Eine weitere Stammkundin sitzt gerade auf einem Stuhl neben der Kasse. Wunderbar sei der Laden, sagt sie, ein toller Ort, um sich für kleines Geld gut anzuziehen. Teurer als 20 Euro ist selten etwas, oft gibt es Rabatte – und immer heißt es an der Kasse: „An welches unserer Projekte darf das Geld gehen?“

Auch wenn Geld erst fließe, wenn der Laden Gewinn macht, freuten sich die Projekte schon jetzt über die zusätzliche Aufmerksamkeit, die sie bekämen, heißt es. Bisher wurden ein Kinderhospiz und ein Mutter-Kind-Projekt in Neukölln beworben. Ab dem heutigen Donnerstag stehen die „Malteser Migranten Medizin“ und die „Malteser Suppenküche“ zur Wahl, die einzige Suppenküche, die das gesamte Jahr geöffnet ist. „Die Menschen haben ja nicht nur im Winter Hunger“, sagt Kaldonek. Was so richtig und naheliegend ist wie die Idee zum Malteserladen.

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