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In OMAS ZEITung (44): Karneval

Dorothea Spannagel war Lokalreporterin im Berlin der 50er Jahre. Ihr Enkel Lars entdeckt ihre Texte neu. Diesmal: Oma Thea berichtet vom Faschingsumzug.

Die unlustigste Veranstaltung der Welt ist natürlich der Berliner Karneval. War so, ist so, wird immer so bleiben. Insofern sind meine Oma Thea und ich Leidensgenossen. Wir beide haben schon über den Umzug berichtet. Meine Großmutter muss sich schon Anfang 1954 mit den Narren auseinandersetzen, gnädigerweise hat die Redaktion der Lokalausgabe der „Neuen Zeitung“ für ihre Reportage nur knappe 31 Zeilen eingeplant.

Eine ganze Stadt in Geiselhaft

Im Artikel meiner Oma verbirgt sich die aus heutiger Sicht erschütterndste Information am Ende des ersten Absatzes. Demnach schlängelt sich der Karnevalszug 1954 „mit Musik, Konfetti- und Bonbonregen vom Ernst-Reuter-Platz zum Neuköllner Rathaus“. Eine unfassbar lange Strecke, einmal quer durch West-Berlin. Eine ganze Stadt in Geiselhaft. Mittlerweile beschränkt sich der hiesige Karneval zum Glück auf einen kleinen Ku’damm-Abschnitt, der Rest der Bevölkerung wird in Ruhe gelassen.

Meine Oma geht in ihrem Artikel noch recht freundlich mit dem Umzug um, große Begeisterung spricht aber auch nicht aus ihrem Bericht. „Wenn die Berliner auch kaum mitgesungen und -geschunkelt haben, mitgestaunt und -geschmunzelt haben doch alle“, schreibt sie. Ein gewisses Interesse scheinen die Berliner dem Karneval immerhin schon entgegenzubringen: „In Zehnerreihen drängten sich die Schaulustigen um die Wagen, die mit humoristischen Darstellungen der Sorgen und Nöte Berlins beladen waren.“

Selbstverständlich richtet sich der Spott nicht nur gegen bundespolitische Größen wie Kanzler Konrad Adenauer, sondern auch gegen die Bürokratie in der städtischen Verwaltung. „Das Brummen des Berliner Bären gegen den Amtsschimmel: ,Du bist nur im Suff zu ertragen‘, fand nicht nur den Beifall der Karnevalsfreunde,“ schreibt meine Oma. „Viel belacht wurde der Vorschlag für ein neues Wappentier, nämlich Nilpferd Knautschke wegen seines großen Mauls und des dicken Fells.“

Schnaps morgens um halb neun

Apropos „nur im Suff zu ertragen“ und „dickes Fell“: Vor ein paar Jahren musste auch ich über den Berliner Karnevalsumzug berichten, der damals noch am Brandenburger Tor sein Unwesen treiben durfte. Auftraggeber für den Artikel war die „Märkische Allgemeine Zeitung“, Gegenstand der Reportage der Berlin-Ausflug des Falkenseer Karnevals Klub (FKK 2000 e.V.). Die fröhlichen FKK-Mitglieder begrüßten mich morgens um halb neun mit großem Helau und boten mir Schnaps an, den ich selbstverständlich ablehnte. Falkensees Bürgermeister schmiss vom FKK-Wagen aus Bonbons quer über den Pariser Platz, die Karnevalisten schunkelten und öffneten die nächste 20er Packung Schnäpschen. Dann ging die Musik los, was alles nur noch unendlich viel schlimmer machte.

Ach, wenn ich so drüber nachdenke: Berliner Karneval ist doch lustig. Alles eine Frage des Humors.

Diese Kolumne ist gedruckt in der Tagesspiegel-Samstagsbeilage Mehr Berlin erschienen. Alle Folgen finden Sie unter diesem Link.

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