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Bersani oder Renzi? In Berlin lebende Italiener nahmen am 2. Dezember an der Vorwahl der Demokratischen Partei (PD) teil.

© Fabio Ghelli

Italienische Vorwahl in Berlin: Jenseits von Berlusconiland

Die Demokratische Partei (PD) ruft italienische Staatsbürger weltweit zur Vorwahl für den Hauptkandidaten für die kommende Parlamentswahl auf. Wie Berlins Italiener sich an der Vorwahl in der Heimat beteiligten - ein Ortsbesuch.

Pizza oder Pasta? Die Wahl ist oftmals qualvoll genug. Wenn man sich aber beim Italiener zwischen zwei potenziellen Regierungschefs entscheiden muss, kann das um einiges komplizierter werden. Im Schöneberger Restaurant A’Muntagnola stehen zwar die Namen der Kandidaten nicht auf der Speiseliste. Doch die Italiener, die sich in diesen Tagen in Berlin befinden, konnten hier am 2. Dezember neben einer Pizza Capricciosa auch eine neue politische Führung für die Mitte-Links Koalition bestellen.

Die Demokratische Partei (PD) ruft italienische Staatsbürger weltweit zur Vorwahl für den Hauptkandidaten für die kommende Parlamentswahl auf. „Uns geht es darum, dass sich möglichst viele Italiener an diesem demokratischen Entscheidungsprozess beteiligen”, sagt die PD-Abgeordnete Laura Garavini. So entstanden in Städten, in denen viele Italiener leben, improvisierte Wahllokale.

Von dieser Entscheidung könnte die politische Zukunft Italiens abhängen. Laut Umfragen ist die PD mit etwa 30 Prozent der Stimmen die stärkste politische Kraft im Land. Nur zwei der fünf Kandidaten, die am 25. Oktober antraten, hatten es zur Stichwahl am Sonntag geschafft: Der PD-Parteivorsitzende Pierluigi Bersani und der junge Bürgermeister von Florenz, Matteo Renzi. Bersani und Renzi verkörpern zwei unterschiedliche politische Modelle. Der 61-jährige Parteivorsitzende, der seine Karriere in der Kommunistischen Partei (PCI) begann, steht für politische Erfahrung und Kontinuität. Der 24 Jahre jüngere Renzi, über den Silvio Berlusconi einmal sagte, er bedauere, er wäre nicht in seiner Partei, ist das Sprachrohr derjenigen, die sich eine liberaldemokratische Wende wünschen. Am Ende setzte sich Bersani klar durch.

Man könnte erwarten, dass die jüngere Generation ein Faible für den Bürgermeister hat. Schaut man sich aber erste Ergebnisse in Berlin an, dann ist das nicht der Fall. Mehr als die Hälfte der etwa 170 Wähler, die für die erste Runde im Restaurant A’Muntagnola erschienen, sind jünger als Renzi. Nur 19 aber stimmten insgesamt für ihn.

Nach Botschaftsangaben ist die Zahl der Italiener in Berlin in den letzten zwei Jahren um etwa zwanzig Prozent gestiegen. Viele davon sind gut ausgebildete junge Menschen, die einen Ausweg aus der Arbeitslosigkeit suchen.

Irene Orrico, 26, kam vor drei Jahren, um Sprachwissenschaften zu studieren. „Nach all den Jahren unter Berlusconi konnte ich mich einfach nicht mehr mit meinem Land identifizieren”, sagt sie. In Berlin ging ihr Wunsch nach Freiheit und Stabilität in Erfüllung. Jetzt wünscht sie sich dasselbe für Italien. Für sie ist Renzis marktwirtschaftsfreundliche Politik der falsche Weg. Auch die ehemalige WDR-Journalistin Lilia Bevilacqua, 70, hat sich für Bersani entschieden. „Er steht für Stabilität“, sagt sie, „und das braucht Italien im Moment sehr“. Seit über dreißig Jahren wohnt sie in Berlin. Doch die politische Lage in ihrem Heimatland hat sie nie aus dem Blick verloren. Immer wieder versuchte sie, ihren deutschen Freunden zu erklären, dass Italien nicht Berlusconiland sei. „Durch Berlusconis Regierungsstil fühlen sich viele Deutsche in ihren Vorurteilen gegenüber Italien bestätigt. Es ist traurig“, sagt sie.

Diejenigen, die wie Bevilacqua lange in Berlin sind, kennen sich schon seit mehreren Jahren. Im A’Muntagnola herrscht die Atmosphäre eines Treffens alter Freunde. Man umarmt und küsst einander. Der Restaurantbesitzer Pino Bianco empfängt alle mit einem Lächeln. Seit mehr als 20 Jahren ist sein Restaurant ein Treffpunkt für die italienische Gemeinde. Er ist einer der wenigen, die sich für Matteo Renzi entschieden haben. Die Entscheidung habe er in den letzten Tagen getroffen. Ihm gefiel die Art und Weise, wie Bersani dem Gegner Unregelmäßigkeiten beim Umwerben unentschlossener Wähler vorgeworfen hat. „Ich war lange in der Italienischen Kommunistischen Partei“, sagt er. „Wir haben früher in der Partei viele solche Maßregelungen gesehen. Um wieder auf die Beine zu kommen, muss sich Italien von solchen Denkstrukturen befreien und einen neuen Anfang wagen.“

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