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Demonstrierende gegen die iranische Regierung am Breitscheidplatz in Berlin.

© Tatjana Romig

„Jeden Tag muss man eine Kleinigkeit tun“: Hunderte protestieren in Berlin gegen iranisches Regime

Der Tod von Jina Mahsa Amini vor einem Jahr löste im Iran die schwersten Proteste seit Jahrzehnten aus. Heute gehen in Berlin Hunderte im Gedenken an sie auf die Straßen.

| Update:

Die Namen der Opfer des iranischen Regimes ragen auf Pappschildern in den blauen Berliner Himmel: Mehdi Yarrahi, Toomaj Salehi, Hadis Najafi und immer wieder Jina Mahsa Amini. „Say her name!“, rufen die Protestierenden, „Jina Mahsa Amini!“

Ein Jahr ist es her, dass der gewaltsame Tod der iranischen Kurdin Jin Mahsa Amini die Wut der iranischen Bevölkerung entfacht und die schwersten Proteste seit Jahrzehnten im Iran ausgelöst hat. Im Gedenken an sie fanden am Sonntag an mehreren Orten in Berlin Proteste gegen die iranische Regierung statt.

Die erste Kundgebung begann um 14 Uhr auf dem Breitscheidplatz, gefolgt von weiteren Veranstaltungen um 15.30 Uhr am Bebelplatz und um 16 Uhr am Großen Stern. Laut Angaben der Polizei vom frühen Abend blieben die Teilnehmerzahlen allerdings deutlich hinter den angemeldeten fünfstelligen Zahlen zurück. Eine Sprecherin nannte rund 600 Teilnehmende am Breitscheidplatz, 300 Teilnehmende am Bebelplatz und 300 Teilnehmende am Großen Stern.

Seit einem Jahr gibt es eine gute Chance für Freiheit.

Human Babady

Ein Schild mit dem Namen Toomaj Salehi in der Hand, steht der 67-jährige Human Babady, der im Iran auch als Eghbal Eghbali bekannt ist, am Rand der Menge auf dem Breitscheidplatz. Er ist der Onkel des Rappers Toomaj, der im Iran aufgrund regimekritischer Songs im Gefängnis sitzt. Babady selbst war zweimal im Iran inhaftiert und lebte mehrere Jahre im Untergrund. Vor 35 Jahren flüchtete er nach Deutschland. Er sagt, dass die Menschen im Iran seit vier Jahrzehnten für Demokratie und Freiheit kämpfen. „Doch seit einem Jahr gibt es eine gute Chance für Freiheit für Frauen und für alle Menschen im Iran.“ Und für die Welt gebe es die Chance, dass im Iran eine demokratische Regierung an die Macht komme.

Das iranische Regime sei nur an seinem eigenen Überleben interessiert, sagt eine 36-jährige Teilnehmerin. „Sie stützen sich angeblich auf die Religion, aber es geht nur um ihre Eigeninteressen.“ Sie kritisiert westliche Länder dafür, sich nicht streng an die eigenen Sanktionen zu halten und so indirekt das Regime am Leben zu halten.

Ich wünsche mir für die Iraner, dass sie wegen eines Liedes nicht ins Gefängnis gesteckt werden.

Teilnehmerin der Demonstration am Breitscheidplatz

Der 29-jährige Nima E., der als Sohn iranischer Einwanderer in Deutschland aufgewachsen ist, ist extra aus Dresden nach Berlin gereist, um bei den Protesten dabei zu sein. Er erzählt, dass ihn die Hoffnungslosigkeit der Situation im Iran vor dem Beginn der Proteste vergangenes Jahr deprimiert habe. Nun habe er wieder Hoffnung gefasst, dass man gehört werde, wenn man auf die Straße gehe. „Das hat ein großes Feuer entfacht“, sagt er.

Eine ältere Teilnehmerin sagt, dass es im Iran keine Zukunft mehr für junge Menschen gebe. Viele lebten unter der Armutsgrenze, aber das Regime tue nichts. Man habe das Gefühl, das Regime sei gegen sein eigenes Volk. Seit dem Beginn der Proteste vor einem Jahr sieht sie die iranische Diaspora als geeint an. Nun hätten alle das gleiche Ziel, dass sich endlich etwas zum Positiven verändere. „Ich wünsche mir für die Iraner, dass sie wegen eines Liedes nicht einfach ins Gefängnis gesteckt werden“, sagt sie.

Auch die 30-jährige Shohre ist mit ihrer 32-jährigen Freundin Melina bei der Kundgebung am Breitscheidplatz dabei. Sie sagt, dass der Kampf für die Freiheit für sie eine tägliche Aufgabe sei. „Jeden Tag muss man eine Kleinigkeit tun.“

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