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Oft sieht die Forstbehörde keinen anderen Weg, als geschädigte Bäume zu fällen – und beruft sich dabei auf die Verkehrssicherheit.

© imago/Schöning

Ist das noch gut, oder muss das weg?: Naturschützer kritisieren Baumfällungen – Berlin argumentiert mit Sicherheitsrisiken

Umweltaktivisten fordern ein Umdenken bei den Berliner Forsten. Sie würden Bäume ohne guten Grund umschneiden. Dort versteht man die Kritik nicht.

Von Sandra Dassler

Mehrere Naturschutzverbände haben die Berliner Forsten, die für die Verwaltung und Bewirtschaftung der Waldflächen in der Hauptstadt zuständig sind, am Mittwoch scharf kritisiert. Sie hätten kürzlich am Schlachtensee etwa hundert Bäume fällen lassen, darunter viele alte Eichen.

„Grund war angeblich die Verkehrssicherungspflicht, doch hätte sich ein Großteil der Bäume trotz ihrer Schäden noch regenerieren können“, heißt es in einer gemeinsamen Mitteilung vom Berliner Naturschutzbund (Nabu), dem Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) und der Berliner Landesarbeitsgemeinschaft Naturschutz.

„Natürlich müssen Menschen davor geschützt werden, auf regulären Straßen und Wegen von abgestorbenen Bäumen erschlagen zu werden“, sagte Manfred Krauß, ehrenamtlicher Mitarbeiter beim BUND, dem Tagesspiegel: „Aber die jetzt gefällten Bäume standen nur zum Teil am Wegesrand und vor allem waren sie keineswegs schon tot, sondern hatte nur einige abgestorbene Äste, die man auch anders hätte entfernen können.“

Gerade bei Eichen sei es oft so, dass sie oben in der Krone austrocknen, aber weiter unten durchaus neu austreiben. „Sie dabei zu unterstützen, in dem man das abgestorbene Geäst entfernt und damit zugleich Passanten schützt, ist durchaus möglich, erfordert aber mehr Aufwand, mehr Technik und mehr Geld“, sagte Krauß.

Die Kritik an angeblich zu rigiden Baumfällungen der Berliner Forsten ist nicht neu. Diese berufen sich stets auf ihre Verkehrssicherungspflicht, die den Eigentümern von Grundstücken auferlegt, zu verhindern, dass unter anderem durch ihre Bäume Menschen zu Schaden kommen.

Berlinerin von Baum erschlagen

Das geschieht dennoch auch in Berlin immer wieder. So war im Oktober 2019 eine Frau in ihrem Auto durch einen umstürzenden Baum erschlagen worden: Die 40-jährige Berlinerin fuhr mit ihrem Ehemann, der nur leicht verletzt wurde, auf der Koenigsallee hinter der Kreuzung Hüttenweg in Fahrrichtung Hagenstraße.

Die Koenigsallee führt durch den Grunewald, weshalb für die hohen alten Bäume am Wegesrand die Berliner Forsten zuständig sind und nicht – wie bei sonstigen Straßenbäumen – die Bezirksämter. Die Ermittlungen zu dem Unfall laufen bis heute.

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Der umgestürzte Baum zeigte deutliche Schäden an den Wurzeln, die man aber erst nach dem Umfallen habe erkennen können. So argumentierte damals die Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz, zu der die Berliner Forsten gehören. Sie verwies zugleich auf ein ebenfalls im Jahr 2019 gestartetes Sonderprogramm, um die Gefahren durch Bäume an Straßen und Wegen rechtzeitig zu erkennen.

Das kritisiere man nicht, sagte Manfred Krauß. Aber zum einen würden derzeit zu viele Bäume gefällt, die nicht unmittelbar an den Wegen, sondern im Wald stünden. Die fielen meist gar nicht unter die Verkehrssicherungspflicht, wozu es sogar ein Grundsatzurteil des Bundesgerichtshofs vom 2. Oktober 2017 gebe.

Zum anderen mache man es sich bei den betroffenen Bäumen zu leicht, wenn man sie einfach fälle – übrigens auch ohne Rücksicht auf die dadurch zerstörten Lebensräume für Insekten, Vögel und Fledermäuse.

Naturschützer fordern mehr Baumkletterer

Angesichts der zunehmenden Trockenheitsschäden sollten die Berliner Forsten lieber genau wie bei Straßenbäumen neue Konzepte und Strategien entwickeln“, sagt der BUND-Fachreferent für Baumschutz, Christian Hönig: „Statt sie zu fällen, könnten viele Bäume gerettet werden. Dazu braucht man unter anderem mehr Baumkletterer, um tote Äste und Kronenteile zu entfernen, die Bäume selbst aber zu verschonen.“

Die Verbände fordern die Umweltverwaltung deshalb dringend auf, die bisherige Praxis zu ändern. Ein Sprecher der Senatsverwaltung sagte, man nehme die Kritik sehr ernst, der Schutz von Passanten in Schlachtensee sei aber nicht anders herzustellen gewesen als durch Fällen.

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