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Festgelegt: In der ganzen Stadt kann man sich Schmuck an seine Körperteile löten lassen. Das Ende der Unverbindlichkeit?

© Sister Permanent Jewellery Machine/Bearbeitung: Tagesspiegel

In Ketten gelegt: In Berlin trendet jetzt der permanente Schmuck

Die Berliner legen sich nun fest: In der ganzen Stadt kann man sich Schmuck an seine Körperteile löten lassen. Das Ende der Unverbindlichkeit?

Berlin ist ja bekanntlich die Stadt der flüchtigen Unverbindlichkeit: Keiner möchte sich festlegen, nicht auf Termine und nicht auf Beziehungen. Erst recht nicht auf Mode. Ein neuer Trend steht dem vollkommen entgegen: Man lötet sich nun permanenten Schmuck an den Körper, den man nicht einfach abnehmen kann, weil er keinen Verschluss hat.

Entstanden ist diese neue Art, sich zu schmücken, in Amerika und hat sich zunächst – möchte man Social Media glauben – in Frankreich verbreitet. Nun ist sie aber auch in Berlin angekommen. Man kann sich an verschiedenen Orten der Stadt ein Kettchen an Arme oder Beine anbringen lassen, etwa im Shoppingcenter Alexa.

Es geht aber auch persönlicher und kleiner: etwa bei Antonia Anastasiadi in Neukölln. Die gebürtige Zypriotin eröffnete 2021 in der Kienitzer Straße 97 ihren gemütlichen Laden „Sister“. Hier verkauft sie eigentlich Porzellan, Kerzen, T-Shirts und Schmuck aus Zypern. Die Insel ist der mythenumworbene Ort, an dem Aphrodite, die Göttin der Liebe, Schönheit und sinnlichen Begierde an Land ging. Entsprechend finden sich hier auch Ohrringe und Kettenanhänger in Form einer stilisierten Aphrodite.

Die neue Ära des Festhaltens

Seit dem 1. Juni kann man sich hier allerdings auch anketten lassen: in Silber oder Gold, in verschiedenen Designs und an verschiedenen Körpterteilen. Bei Anastasiadi kann man sich nämlich auch einen kleinen Ring oder ein Fußkettchen löten lassen. Preislich starten die Edelmetallaktivitäten bei 49 Euro für einen Ring oder 89 Euro für ein Armband.

Was aber hat es mit dem Trend auf sich? Warum lässt man sich auf unbestimmte, oder wie von Sister versprochen, unendliche Zeit Schmuck anlegen? Zugegeben: Die Kettchen sind zierlich, das Design zurückhaltend. Es passt also durchaus zu jedem Stil, in dem man Alltag oder auch mal feierlichere Angelegenheiten bestreitet.

Gold statt Tinte?

Aber dennoch bindet man da etwas an sich, das erstmal bleiben soll. Sind die Ketten eine Art Lightversion des Tattoos? Also semipermanent, aber dennoch mit Verbindlichkeit? Etwas, dass erstmal an einem hängt, dass aber bei absolutem Nichtgefallen mit ordentlichem Zangenkniff entfernbar ist?

Im Laden von Anastasiadi wird anderes vermutet: „Es hat symbolischen Charakter“, sagt eine Mitarbeiterin. Sie führt aus, dass es oft Paare, Geschwister oder beste Freund:innen sind, die sich gemeinsam eine Kette aussuchen und anlöten lassen. Vergoldetes Bekenntnis zueinander, ohne etwa direkt eine Ehe eingehen zu müssen. Passt ja irgendwie auch zu Berlin.

Es lässt sich aber mutmaßen, dass man in der aktuellen Gegenwart eine generelle Sehnsucht danach verspürt, einen gewissen Halt zu finden. Immerhin leben wir in Zeiten, in denen nichts mehr sicher ist. Da verlässt man sich vielleicht einfach auf Edelmetall, das auch noch gut befestigt ist.

Schöner Nebeneffekt: Die Prozedur des Festschweißens macht es potenziellen Dieben schwer, zuzuschlagen und die Schusseligen unter uns müssen keine Angst davor haben, den Schmuck zu verlegen.

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