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Berlin: Im Dienste des Herren

Pfarrhaushälterinnen wie Anna-Maria Garske und Gabriele Mandel sind selten geworden. Jetzt erhielt eine der beiden von der katholischen Kirche eine hohe Auszeichnung.

Sie ist 84 Jahre, aber der Händedruck ist noch immer fest. Anna-Maria Garske ist es gewohnt, anzupacken: 40 Jahre lang hat sie katholischen Priestern den Haushalt geführt. Jetzt wurde sie dafür mit der Silbernen Hedwigsmedaille ausgezeichnet, der höchsten Auszeichnung, die die katholische Kirche an Laien vergibt. Sie ist eine der letzten Frauen, die diesen Beruf noch ausgeübt haben. Im Erzbistum Berlin gibt es nur noch eine Handvoll Pfarrhaushälterinnen, kaum eine ist unter 60. Junge Frauen wollen nicht mehr in einem Pfarrhaushalt leben, zudem ist die Arbeit anstrengend und schlecht bezahlt.

Anna-Maria Garske hat in ihrer schmalen Wohnung in Lichtenrade den Kaffeetisch gedeckt, mit gestickter Tischdecke und geblümtem Porzellan – so, wie sie es gelernt hat. Sie hat nur eine kleine Rente und kommt kaum noch aus dem Haus. Die Beine machen nicht mehr mit. Doch sie beklagt sich nicht. Als Pfarrhaushälterin muss man belastbar sein, sagt sie.

Ihre erste Stelle hatte sie in Zossen. „Theoretisch hatte man nach dem Abendessen frei, aber man war eben da, solange es notwendig war“, sagt sie. Ihr Vater hatte auf Rügen eine Reparaturwerkstatt für Elektrogeräte. Sie half mit, bis sie 33 Jahre alt war – damals das Mindestalter für Pfarrhaushälterinnen. So glaubte man sicher zu gehen, dass die Frauen mit ihrer Familienplanung abgeschlossen hätten. Sie selbst dachte nie ans Heiraten und Kinderkriegen. Sie wollte lieber für die Kirche da sein, war schon immer tief gläubig. Der Beruf sei Berufung gewesen, wie es auch bei Priestern der Fall sei, sagt sie.

Viele jüngere Pfarrer wollen keine Haushälterin mehr. Anna-Maria Garske versteht das. Die Männer seien ja auch immer selbstständiger geworden. „Meine älteren Brüder konnten sich nicht mal ’n Schnuddelchen schmieren, wie man so sagt. Mein jüngerer Bruder konnte kochen.“

Auch Gabriele Mandel wollte „frei“ sein für die Gemeinde. Sie ist 64 Jahre alt und arbeitet für Pfarrer Joachim Busl von Sankt Nikolaus in Blankenfelde. „Mandel“ und „Busl“ steht an den Klingeln des Pfarrhauses. Die Küche, in der Gabriele Mandel gerade das Mittagessen zubereitet, ist etwas in die Jahre gekommen, doch blitzblank. Sie arbeitet mit zügigen, effektiven Handbewegungen. Wie man sich für diesen Beruf qualifiziert? „Haushalt sollte man schon können“, sagt sie. Seit fast 36 Jahren lebt sie hier. Nach ihrer Ausbildung zur Stenotypistin hat sie ein „Jahr für Gott“ gemacht, in der DDR war das eine Art soziales Jahr in kirchlichen Einrichtungen. Mit Mitte 20 überlegte sie, ins Kloster zu gehen, entschied sich aber fürs Leben als Pfarrhaushälterin.

Der 73-jährige Pfarrer, der noch immer im Amt ist, war ihr Religionslehrer. Sie nennt ihn „Herr Pfarrer“, er sie Gabi. „Ich kannte sie ja schon als Jugendliche“, sagt er, „und habe sie immer geduzt.“ Dass sie ihn nicht duzt, habe damit zu tun, dass die Distanz für die Gemeinde wichtig sei. „So spürt man, dass wir nichts zu verbergen haben“, meint der Pfarrer. Sie findet das in Ordnung. „Du“ würde ihr schwerfallen. Aber gibt es nicht ohnehin Spekulationen, wenn zwei alleinstehende Menschen unter einem Dach leben? Schon, sagt Gabriele Mandel, sie habe mal gehört, dass da geredet wurde, aber zu ihr persönlich wurde nie was gesagt. Es habe auch keinen Anlass gegeben. Es sei wichtig, dass man sich verstehe, aber auch einen gewissen Abstand halte. „Ich brauche meinen Freiraum und Herr Pfarrer braucht ihn auch.“

Anders als Anna-Maria Garske versucht sie, die Abende und den Sonntagnachmittag frei zu halten. Urlaube und Freizeit verbringt sie mit Freunden. Ihre Sechseinhalbtagewoche passt trotzdem nicht zum deutschen Arbeitsrecht. Oft ist sie die erste Ansprechpartnerin, wenn jemand einen Todesfall melden oder einen Tauftermin vereinbaren will. Das sei ein sehr kostbarer Dienst für die Gläubigen, sagt Busl. In vielen Pfarreien öffne keiner mehr die Tür, es gebe nur Telefonkontakt.

Mandel ist für alles zuständig, was im Haushalt anfällt. „Privates, Haupt-, Ehrenamtliches trenne ich nicht“, sagt sie. „Mein Leben ist eine unzertrennliche Mischung.“ Wird ihr das nie zu viel? „Manchmal schon.“ Dann steigt sie ins Auto, fährt durch Dörfer und Städte, streift durch die Natur. 2014 könnte sie aufhören zu arbeiten, sie denkt nicht daran. Der Pfarrer, die Gemeinde, das ist ihr Leben.

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