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Chef unter Druck. Michael Müller möchte keine Experimente bei den Lockerungen wagen.

© Annette Riedl/dpa

Schulen, Corona-Verordnung, Verkehr: Im Berliner Senat herrscht kaum mehr Einigkeit

Schon zu Beginn ging der Streit los: Die Gesundheitssenatorin habe die Senatssitzung „total chaotisiert“. Unstimmigkeit gab es auch zum 365-Euro-Ticket.

Wenn Politiker:innen versuchen, das Offensichtliche in sein Gegenteil zu verkehren, kann das eigentlich nur schief gehen. Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) weiß das, versuchte es am Dienstag im Anschluss an die Senatssitzung aber dennoch.

Diese sei „von großer Gemeinsamkeit geprägt“ gewesen, erklärte Müller bestimmt, aber nur wenig glaubwürdig. Immerhin musste die anschließende Pressekonferenz um eine Stunde verschoben werden. Und auch die Berichte von Teilnehmern legten einen anderen Schluss nahe.

Der Streit ging schon los, da hatte die Sitzung kaum angefangen. Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci (SPD), verantwortlich für die Koordinierung der Coronapolitik des Senats, habe die Sitzung „total chaotisiert“, hieß es von den Grünen.

Sie warfen Kalayci vor, die Änderungen der anderen Senatsverwaltungen zur Infektionsschutzverordnung weder eingearbeitet noch eine eigene Vorlage geliefert zu haben. Kalayci mache ihren Job nicht, hieß es weiter. Und dazu passend wurde der Verdacht geäußert, das Vorgehen sei Teil einer Strategie, um Beschlüsse – sprich von Linken und Grünen erwogene Lockerungen in Kultur und Wirtschaft – zu verhindern.

Vertreter der SPD nahmen Kalayci in Schutz. Von „böswilligen“ Unterstellungen, die nicht den Tatsachen entsprächen, war die Rede. Kalayci gebe die Richtung vor, bestimme den Kurs, hieß es weiter. Kritik daran sei im Senat selbst nicht zu vernehmen.

Am Ende setzten sich Kalayci und die SPD gegen die wohl zumindest in Teilen – allen voran bei den Schulen – lockerungswilligen Koalitionspartner durch. Über die bereits vereinbarten Schritte hinaus gehende Maßnahmen wie die Rückkehr der Klassen sieben bis neun an die Schulen bleiben aus.

„Die Ungewissheit zermürbt einfach auch“

Auch die vierte Öffnungsstufe des zwischen Ländern und Bundeskanzleramt abgestimmten Stufenplans, wonach zumindest erste Lockerungen in Kultur und Gastronomie ab dem 22. März möglich wären, fällt aus. Zu groß ist das Risiko, heute getroffene Entscheidungen morgen zurücknehmen zu müssen, erklärte Müller mit Blick auf die von Montag zu Dienstag sprunghaft gestiegene Inzidenz in der Hauptstadt. „Den Weg des Hin und Her möchte ich nicht gehen“, erklärte Müller. Er wollte Lockerungen für die Zukunft aber nicht komplett ausschließen und gab zu: „Die Ungewissheit zermürbt einfach auch.“

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Unstimmigkeiten gab es auch bei anderen Themen. Unter dem Tagesordnungspunkt „Sonstiges“ und unvermittelt für die Koalitionspartner von den Grünen thematisierte Müller den aus seiner Sicht zu schleppenden Fortschritt in Sachen 365- Euro-Ticket für Bus und Bahn. Der Regierende möchte die deutlich reduzierte Jahreskarte einführen, die Grünen und auch die BVG wehren sich.

Teilnehmern zufolge warf Müller Verkehrssenatorin Regine Günther (Grüne) vor, das Projekt zu verschleppen und Förderanträge beim Bundesverkehrsministerium nicht zu stellen. Die Grünen reagierten mit Verweis auf das in der Koalition bislang nicht gefundene Einvernehmen zur Unterstützung der Maßnahme. Und sie verwiesen darauf, dass das Ticket – neben anderen Umwelt- und Verkehrsthemen – den Koalitionsausschuss beschäftigen wird.

Müller kündigte nach der Senatssitzung dann noch an, den Förderantrag notfalls selbst – sprich über die Senatskanzlei – stellen zu wollen. Davon wiederum zeigten sich die Grünen überrascht. Müller hatte während der Sitzung wohl zunächst eine eigene Vorlage angekündigt, nicht aber einen eigenen Antrag. Einvernehmlich im Sinne von „großer Gemeinsamkeit“ war diese Senatssitzung jedenfalls nicht.

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