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De Tincon dreht sich rund um das Thema "digitale Jugendkultur".

© TINCON 2022" / Alice Plati

„Ihr müsst für eure Rente streiten“: Berliner Jugendliche stellen Fragen an die Familienministerin

Bei der Jugendkonferenz Tincon diskutierten Jugendliche mit Familienministerin Lisa Paus. In puncto Demokratieförderung gibt es "noch eine Menge zu tun".

Mit der Jugend macht man es sich in der Politik oft recht einfach: Mischt sie sich ein, gilt sie schnell als ungeduldig und radikal, bleibt sie zu still, heißt es, sie sei politikverdrossen und desinteressiert. Dabei fehlt es häufig an Räumen für politischen Dialog und Partizipation.

So einen Raum gab es am Freitag endlich einmal – bei der Jugendkonferenz Tincon. Da konnten Jugendliche ihre Fragen direkt an die Familienministerin Lisa Paus (Grüne) stellen. Moderiert wurde die Fragerunde von der 18-jährigen Luise Lotte Kreutel. Die Tincon, das Jugendangebot der re:publica, ist eine Konferenz von Jugendlichen und für Jugendliche.

Die ersten Fragen trafen dann auch gleich ins Schwarze: „Frau Paus, wie regelmäßig stehen Sie denn in direktem Kontakt mit Jugendlichen?“, hieß es da. Und: „Wie behält man den Überblick in einem Ministerium, das neben der Jugend auch noch für Familie, Senioren, Frauen zuständig ist?“

Die Ministerin verwies auf die Arbeit der Jugendverbände wie etwa dem Deutschen Bundesjugendring, räumte aber zugleich ein, dass viele Jugendliche durch die Angebote nicht erreicht würden. „Es gibt wirklich viel zu tun“, sagte sie. „Wir können deutlich besser werden im Bereich der Demokratieförderung und im Ausbau von Partizipationsstrukturen.“

Einfach sei das aber nicht, es fehle noch an Ideen, wie man in der Breite mehr Jugendliche erreichen könnte und auch auf Chancengleichheit achte. Die Tincon sieht sie als Schritt in die richtige Richtung.

Politik dort, wo die Jugend auch wirklich ist

„Politik muss dahin, wo Jugendliche auch wirklich sind, zum Beispiel auf Social Media“, sagte auch Leah Bartsch. Sie ist 19 und engagiert sich seit einem Jahr bei dem Politikblog „Politik neu gedacht“. Ihr ist es wichtig, Politik begreifbarer zu machen und andere Jugendliche zu motivieren, aktiv Fragen zu stellen und sich zu engagieren. Die Veranstaltung sieht sie als Chance, in Kontakt mit den Verantwortlichen zu kommen.

Wie viel Interesse bei den jungen Menschen da ist, merkte man an der regen Beteiligung bei der Veranstaltung. Der Raum im hinteren Bereich des Festsaal Kreuzbergs war gut gefüllt. Ein Stoffwürfel mit eingebautem Mikrofon wurde immer wieder durch die Menge geworfen. Denn Fragen gab es viele: etwa zur Klimakrise, zur Kindergrundsicherung und zur psychischen Gesundheit von Jugendlichen.

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Die Jugendlichen wollten sich einmischen und ernst genommen werden. Die Familienministerin betonte immer wieder, dass sie sich für ihre Belange einsetzen wolle. Wie genau, das wurde nicht immer deutlich. So sagte sie auf die Nachfrage, wie die Klimakrise in ihrem Ministerium behandelt werde, die Senioren, Frauen und Jugendliche besonders stark treffe: „Bisher ehrlich gesagt gar nicht.“

Die Grünen-Politikerin Paus sagte aber auch, sie wolle das ändern. Schließlich wurde sie gerade erst Ende April als neue Familienministerin vereidigt, nachdem Anne Spiegel wegen der „Urlaubsaffäre“ zurückgetreten war. Auch das wird thematisiert: „Wie sind Sie eigentlich Familienministerin geworden?“, fragte ein Schüler. Man habe sie gefragt, weil sie bereits viele Erfahrungen gesammelt und schon einige Krisen überlebt habe, antwortete Paus.

Große Zustimmung für die Senkung des Wahlalters

Eine junge Frau aus dem Publikum hakte nach: „Wie fühlt es sich an, das Amt einer gescheiterten Ministerin zu erben?“ Darauf gab die Ministerin keine konkrete Antwort, sondern sprach nur darüber, dass es zu häufig einen Wechsel im Familienministerium gegeben habe – und dass sie länger im Amt bleiben wolle als ihre Vorgängerinnen.

Konkreter wurde sie bei dem Plan, das Wahlalter auf 16 Jahre abzusenken – zumindest für die Europawahl 2024. „Auf Bundesebene bräuchte es eine Grundgesetzänderung. Da sind wir nicht sicher, ob die Union mitmacht“, sagt Paus. Für die Europawahl dagegen sei eine einfache Mehrheit im Deutschen Bundestag ausreichend. Die Zusage erhält unter den jungen Zuschauer:innen viel Applaus.

Auch die Rente war Thema. Die Familienministerin freute sich darüber, denn das sei ein Thema der Jugend: „Die Senioren haben ihre Rente, ihr müsst dafür streiten, dass ihr auch noch eine bekommt“, sagte sie. Wichtig sei in dem Zusammenhang auch, finanzielle Bildung im Schulunterricht zu verankern. Ein Schüler beschwerte sich, dass in der Schule nicht über Themen wie Steuern oder Rente gesprochen werde.

Workshops und Videospiele im Festsaal Kreuzberg

Zudem wurde ein Mangel an politischer Bildung und der Vermittlung von Medienkompetenz beklagt. Die Tincon soll das ändern. Ganze Schulklassen besuchten die Veranstaltung am Freitag. Auch am Samstag können junge Menschen zwischen 13 und 25 Jahren hier noch kostenlos ein umfangreiches Programm zu den Themen Politik, Digitales und Medienbildung erleben.

Im Festsaal Kreuzberg wurden dafür fünf verschiedene Bühnen aufgebaut. Es gibt Workshops über Faktenchecks auf Tiktok, Kryptowährungen und Talkrunden über Rassismus oder die Klimakrise.

Wer gerade nicht bei einer Veranstaltung mitmacht, kann Videospiele spielen oder sich am 3D-Drucker und in der Siebdruckwerkstatt ausprobieren. Draußen im „Strandbereich“ können Besucher:innen die Speaker:innen treffen, auch Internetgrößen wie den Comedian El Hotzo.

Am Freitag trat gleich nach der Ministerin Anjo Genow auf die Bühne, der Berliner Schülersprecher, der durch seinen Einsatz für die Schüler:innen während der Corona-Pandemie bekannt geworden ist: „Wir müssen weiter laut bleiben und aufpassen, dass wir gehört werden.“

Peregrina Walter

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