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Berlin: Holzmanns Resterampe

Der Baukonzern Philipp Holzmann ist pleite. Was von der Firma übrig ist, wird verscherbelt. Jetzt kam die Berliner Niederlassung unter den Hammer. Zu kaufen war alles, was der Baumann braucht.

Bauarbeiter sollen bauen; kopfrechnen verlangt keiner von ihnen. Wenn die Kollegen auf der Holzmann-Baustelle also aus ihrem orangen Baucontainer heraus Bier verkauft haben (eine Flasche zu 90 Pfennig, ohne Pfand), dann verriet ihnen eine handgeschriebene Liste an der Containerwand, dass zwei Bier 1,80 Mark kosten, drei 2,70 und so weiter bis zehn Bier (9 Mark). Neben das kleine Einmaleins des Bierpreises hat jemand die Telefonnummern von Polier und Bauleitung auf die Wand geschrieben, hinten im Container stehen grob gezimmerte, leere Holzregale. Alles wird jetzt zusammen verkauft. Nummer 47 auf der Ausrufliste: „20 Fuß Materialcontainer Conteinex, Inv.-Nr. MC 773352“, Mindestgebot: 300 Euro.

Denn die Chefs von den Bauarbeitern, die sollten allerdings rechnen können. Doch daran hat’s bei Pilipp Holzmann offenkundig gehapert. Der Baukonzern, knapp 24 000 Mitarbeiter weltweit, in Berlin zuletzt rund 140, ging Ende März endgültig Pleite. Das Insolvenzverfahren wurde Anfang Juni eröffnet, seitdem verkauft der Insolvenzverwalter Ottmar Hermann den Konzern stückweise. In ganzen Betriebsteilen, soweit möglich – und außerdem alles, was übrig bleibt. Vor vier Wochen wurde drei Tage lang das Inventar der Holzmann-Zentrale in Neu-Isenburg versteigert. Und jetzt waren die beweglichen Güter der Berliner Niederlassung dran: 447 Positionen vom Flächenschleifgerät für 10 Euro zum Baukran „Liebherr HC 500“, für den mindestens 75 000 Euro erzielt werden sollen.

Reste eines Ruins, so steht alles auf dem früheren Holzmann-Betriebshof in Tempelhof zur Besichtigung beisammen: Aufgestapelte Unterkunfts- und Sanitärcontainer für die Arbeiter, „Spanische Botschaft“ ist auf einen gesprüht. Materialcontainer, Werkzeugcontainer. Im gleichen hellen Orange wie die Verteilerschränke, Aufzugskörbe, Kransegmente und -greifer. Betonmischer sind im Angebot, Steinsägen, Maurerböcke, Bohrgeräte jeder Art und Größe, Starkstromkabel in Gitterboxen. Müllrutschen, die wieder prasselnd beschickt, Kompressoren, die wieder zum Brummen gebracht werden wollen. Elektrische Baustahlhandscheren, Gabelhubwagen, Heizlüfter – nein: „Propangasheißluftgebläseöfen“, so lautet der terminus technicus. Ganz hinten lagern auf Blechregalen 105 Baustellenhalogenscheinwerfer. „Damit können Sie den ganzen Potsdamer Platz beleuchten“, wird später der Auktionator werben, „na gut, ein bisschen schummrig wird’s, aber trotzdem!“

Durch das Dickicht dieser Gerätschaften streifen Männer, ausschließlich Männer, in Lederjacke oder Jackett, die meisten in gestandenem Alter. Besichtigen das Angebot. Man hört einen Holländer telefonieren, einen Berliner einen Bekannten begrüßen: „Na, willst’n Container kaufen, haste deine Olle rausjeschmissen?“ Nicht nur aus Deutschland, aus ganz Europa sind sie zur Versteigerung gekommen, besonders aus Ost-Europa, sagt Herr Schlog, ein Mann mit gepflegtem Vollbart und Krawatte. Er ist im Auftrag seines Unternehmens unterwegs, interessiert sich für die Baustellenscheinwerfer. „Wir brauchen nur 30. Die kann ich neu kaufen oder hier die 105 gebrauchten – solange das billiger ist.“ Außerdem will er Container kaufen und vielleicht einen Kran.

Auf Container hat es auch Herr Schmitt abgesehen. Er sitzt, mit schulterlangen Haaren, Schnauzer und Jeans-Jacke, bereits in der „Auktionshalle“ – einer Baracke, in der noch der Staub ihrer letzten Nutzung hängt: hier wurde Holz gesägt. An der Tür eines Nebenraumes hängt die Rückansicht eines aparten Nackedeis mit Holzmann-Bauhelm. Vielleicht hundert Auktionäre haben sich auf ein Sammelsurium von Stühlen verteilt, vorne steht Volker Richter von der Auktionsfirma Waitz & Richter und erinnert gerade die „Kranexperten“ unter den Bietern daran, dass sie „nachher auch einen Container brauchen, um den kleinen Kran einzupacken“. Regel 1 des Auktionators: die Leute animieren. Container hat Richter reichlich im Angebot, der Absatz gerät etwas ins Stocken. Herr Schmitt aber hat schon zwei Container ersteigert: eben, um das weitere Gerät hineinzupacken, das er zu erwerben gedenkt. Die Container wird er auf seinen Laster verfrachten und nach Düsseldorf fahren. Dort verkauft er alles an kleine Baufirmen weiter, die es sich nicht leisten können, wie er von Auktion zu Auktion zu reisen. Vier bis fünf pro Woche finden derzeit bundesweit statt. Und Herr Schmitt hat schon ein schönes Geschäft gemacht: Für die beiden Container hat er zusammen 740 Euro ausgegeben. So viel kann er im Weiterverkauf für einen verlangen.

Routiniert, scheinbar gelassen heben die Männer ihre Bieterkarten. In ihren Augen aber funkelt die Beutelust von Jägern. Und wenn nicht, muss man sie wecken. Auktionator Richter versucht, einen alten Kompressor an den Mann zu bringen. Baujahr ’79, ohne Betriebsgenehmigung – „die ist irgendwo in der Zentrale verloren gegangen“. Nicht mal 240 Euro, das Mindestgebot, will jemand dafür zahlen. „Na los, Leute!“ ruft Richter, „’n alter Kompressor für ’ne Baustelle, die eh zu knapp kalkuliert ist – und wer hat das nicht?“ Für 80 Euro schlägt er das Ding los.

Knapp kalkulierte Baustellen… Und Chefs, die sich verrechnen… Ein paar von den Sachen, die hier versteigert werden, wird man sicher bald wiedersehen. Auf einer anderen Auktion, irgendwo in Deutschland.

Holger Wild

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