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Bunter Trost. Die Flaggen sind noch alle aufgereiht bei der Wahlparty der Piraten im Friedrichshainer Urban Spree

© dpa, Clemes Bilan

Untergang der Piraten: Hochprozentiges bei zwei Prozent

Nicht einmal zwei Prozent bekamen sie. Die Piraten trauern mit Schnaps um ihre Wähler.

Wenn wir Michael Müller im Wahlkampf richtig verstanden haben, dann war das Überraschendste an seiner Zusammenarbeit mit der Piratenfraktion, dass deren Abgeordnete gerne mal in kurzen Hosen am Rednerpult des Abgeordnetenhauses stehen. Da wird ihm in Zukunft in dieser Hinsicht einiges entgehen. Zum Beispiel die Piratin Lea Frings, die das Parlament – wäre sie denn gewählt worden – in diesem Outfit beglückt hätte: bauchfrei, schwarzes Lederbustier, Nietenhalsband, Piercings, flächendeckende Tattoos. Alles gemäß ihrem programmatischen Wahlkampfslogan „Berlin bleibt bunt“.

Rasch blicken sie optimistisch nach vorn

Aber leider ist Lea Frings nicht gewählt worden, so wenig wie alle anderen Kandidaten ihrer Partei fürs Abgeordnetenhaus, denn die Piraten sind – Achtung, das übliche lustige Wortspiel – untergegangen. Das ist „schon krass“, wie einer auf der Party sagt, während er das Büfett inspiziert, das deutlich erfreulicher aussieht als die Wahlergebnisse auf dem Bildschirm. Knusprige Blätterteig-Minipizza mit kleiner Piratenfahne hier, schlappe zwei Prozentpunkte für die Partei dort.

Den ungefähr 30 Piraten, die sich im Partyparadies Urban Spree in Friedrichshain zusammengefunden haben, ist die Enttäuschung nur kurz anzumerken, dann wird umgeschaltet auf Optimismus. Als der alte und neue Regierende Müller im Fernsehen zu reden beginnt, drehen sie ihm sofort den Ton ab. Es gibt Wichtigeres. „Wir nehmen jetzt die Bundestagswahl und die Europawahl und die nächste Abgeordnetenhauswahl 2021 ins Visier“, sagt der bisherige Piraten-Abgeordnete Simon Kowalewski fünf Minuten nach der ersten Hochrechnung. Beifall. Seine Analyse des aktuellen Ergebnisses: „Wir haben es nicht geschafft, den Menschen klarzumachen, dass es uns noch gibt.“

Frust. Piraten verfolgen auf ihrer Party die Wahlergebnisse. Ganz vorne: Kandidatin Lea Frings.

© dpa

Das kann man so sagen. Ihre prominenteren Mitglieder wie Martin Delius oder Christopher Lauer haben sie an andere Parteien verloren, viele sind ausgetreten – aus Frust über endlose Streitereien und das ewige Sich-gegenseitig-Fertigmachen, naturgemäß im Internet. Das hat die Wähler offenbar so verschreckt, dass die Partei fortan einfach ignoriert wurde. Dabei leistete die Piraten-Fraktion im Abgeordnetenhaus keine schlechte Arbeit. Beim Untersuchungsausschuss zum BER oder beim Datenschutz waren ihre Beiträge professionell, auch ihre Vorschläge zum Sozialticket hinterließen einen positiven Eindruck.

Im Urban Spree, wo viele mit ihren orangefarbenen Schals ein bisschen gefrustet herumstehen, empfinden sie das Ergebnis nicht nur deshalb als ungerecht. Schließlich, so finden die Berliner Piraten, haben sie sich einer wichtigen, ja historischen Aufgabe verschrieben: die Digitalisierung der Gesellschaft zu steuern und dabei für gerechte Verhältnisse zu sorgen. „Das ist doch wichtig!“, barmt einer.

Seine Kollegin verdreht die Augen und sagt: „Ich brauch jetzt mal ’nen Schnaps!“

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