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Berlin: Historiker sehen Parallelen zwischen Millenniums-Lichtkathedrale und Speers Lichtdom

Das Spektakel ist wohlinszeniert. Die Nacht bricht herein.

Das Spektakel ist wohlinszeniert. Die Nacht bricht herein. Weit auseinander stehende Riesenscheinwerfer schicken ihre hellen Strahlen in den weiten Himmel. Sie vereinigen sich zu einem Lichtdom. So gestalteten die Nationalsozialisten am 16. August 1936 die Abschlussfeierlichkeiten der Olympischen Spiele im Berliner Olympiastadion. Filmemacherin Leni Riefenstahl hielt dieses Lichtspektakel in ihrem zweiten Film über die Spiele "Fest der Schönheit" fest. Auch auf den Reichsparteitag im Jahr 1937 in Nürnberg kamen die wattstarken Flak-Scheinwerfer zum Illuminations-Einsatz. Albert Speer, der die Parteitage der Nationalsozialisten inszenierte, nannte später den Lichtdom "nicht nur meine schönste, sondern auch die einzige Raumschöpfung, die, auf ihre Weise, die Zeit überdauert hat".

Eindeutige Parallelen sieht die Leiterin des Berliner Sportmuseums, Martina Behrend, zwischen den von den Nationalsozialisten für die Olympischen Spiele erstmals inszenierten Lichtinstallationen und dem für die Millenniumsfeier geplanten Spektakel der "Art in Heaven GmbH" von Gert Hof. 250 Scheinwerfer rund um die Siegessäule sollen dabei ihre Strahlen in den Himmel schicken. Schon die Wortwahl deute Parallelen an: Die Inszenierung soll "Lichtkathedrale" heißen, während die Nazis ihre Installation als "Lichtdom" bezeichneten. Dies zeige, dass man sich zwar schon ein wenig abgrenzen wollte, aber nicht wirklich distanzieren "wollte oder konnte", sagt die Historikerin. Die Tradition, in der diese Installation stehe, sei den Veranstaltern durchaus bewusst. Auch der Bezirksbürgermeister von Tiergarten, Jörn Jensen, und der Baustadtrat von Mitte, Thomas Flierl, hatten gefordert, "auf das Lichtspektakel in der Tradition von Albert Speer" zu verzichten. Die beiden Bezirkspolitiker nannten Hofs Lichtchoreographie "ästhetisch und politisch verheerend".

Museumsleiterin Martina Behrendt kann keinen Grund erkennen, warum man gerade zur Millenniumsfeier auf eine solche Symbolik zurückgreifen muss: "Es ist letztlich geschmacklos." Derselben Meinung ist auch der wissenschaftliche Direktor der Stiftung Topographie des Terrors, Reinhard Rürup. Es sei ganz offensichtlich, dass dies an die Speerschen Lichtdome im Olympiastadion und auf dem Reichsparteitag erinnert. Ihn wundere nur, dass erst jetzt, wenige Wochen vor dem Jahreswechsel, darauf reagiert werde, sagte der Historiker. Er könne sich gut vorstellen, dass vor allem Ältere sich auch an die suchenden Flak-Scheinwerfer in den Kriegsnächten erinnert fühlten. Die Installation erinnere nicht nur an Speer, sondern erkläre auch die "Siegessäule erneut zum Denkmal", kritisiert der Historiker Wolfgang Wippermann von der FU. Damit gehe zum Ende des Jahrhunderts die Botschaft einher: "Wir haben doch gesiegt."

Die Licht-Designerin Susanne Rotttenbacher kennt die Debatte aus eigener Erfahrung: Ihre Firma "Licht Kunst Licht" ist zuständig für die Beleuchtung des Bundeskanzleramtes. Für die Betonstelen vor dem Kanzleramt hatte die Firma zuerst eine Beleuchtung geplant, die aus in den Boden eingelassenen Scheinwerfern besteht und die Stelen von unten gen Himmel anstrahlen sollte - eine Miniaturvariante der Siegessäulen-Beleuchtung gewissermaßen. Der Effekt, sagt Rottenbacher, wäre "dramatisch und beeindruckend" gewesen.

"Wir haben uns genau wegen einer möglichen Analogie zu den Inszenierungen von Albert Speer dagegen entschieden", sagt die Licht-Designerin. Licht wirke eben ganz anders, wenn es dezent von der Seite oder von oben komme. Sie könne deshalb auch die Debatte um die Siegessäulen-Beleuchtung nachvollziehen. Es sei allerdings ein Unterschied, wenn ein Lichteffekt nur für eine Nacht und nicht auf Dauer geplant werde.

S. Kneist, H. Stark

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