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Menschen verfolgen im Kolonnadenhof auf der Museumsinsel den Auftakt der Ufa-Filmnächte im Sommer 2017.

© Paul Zinken/dpa

Gruseln unter freiem Himmel: Ufa-Filmnächte in Berlin finden wieder live statt

Nach einem Jahr Pause kommen die Filmnächte wieder auf die Museumsinsel – mit Orchester. Den Auftakt macht Ernst Lubitschs „Carmen“ am 25. August.

Drinnen läuft „Carmen“, von draußen hört man bürgerkriegsähnliches Getöse. Verständlich, dass Pola Negri, Star der in den letzten Monaten des Ersten Weltkriegs gedrehten Adaption des berühmten Stoffes, nervös wird, als man ihr den Film zum ersten Mal zeigt. Aber Regisseur Ernst Lubitsch will sich die Vorführung von der Unruhe auf Berlins Straßen nicht verderben lassen und zischt: „Sch! Da kann keiner was machen. Sieh dir den Film an.“

So jedenfalls hat es die Schauspielerin später geschildert, und so könnte es schon gewesen sein. Es war ja wirklich nicht die Zeit für glamouröse Premieren. Am 20. Dezember 1918, als der Film im Union Theater Kurfürstendamm (später Filmbühne Wien, heute Apple Store) seine Weltpremiere hatte, tagte gerade der Reichsrätekongress im Preußischen Abgeordnetenhaus, dessen ehemaliges Gebäude heute das Berliner Parlament nutzt.

Ähnliche Störungen wird das Publikum nicht ertragen müssen, wenn mit „Carmen“ am 25. August die diesjährigen Ufa-Filmnächte eröffnet werden, wieder an ihrem traditionellen Ort auf der Museumsinsel, mit Blick auf die Alte Nationalgalerie. Im Vorjahr hatte es das Programm Corona-bedingt nur digital gegeben, doch diesmal können Bertelsmann und die Ufa wieder zum Filmvergnügen unter freiem Himmel und mit Livemusik einladen.

Lubitschs „Carmen“ um die treulose Spanierin und ihren mörderischen, von Eifersucht zerfressenen José (Harry Liedtke) war bereits die vierte Filmadaption des durch Prosper Mérimées Novelle und mehr noch Georges Bizets Oper berühmten Stoffes, nach den amerikanischen von Cecil B. DeMille, Raoul Walsh und Charlie Chaplin.

Gedreht wurde er auf dem Gelände der heutigen Berliner Union Film Ateliers in der Tempelhofer Oberlandstraße und in den Rüdersdorfer Kalkbergen, seit 1908 ein beliebter Drehort der Stummfilmzeit.

Die Ufa-Filmnächte starten diesmal mit Ernst Lubitschs frisch restauriertem Film „Carmen“, begleitet vom Ensemble Kontraste.
Die Ufa-Filmnächte starten diesmal mit Ernst Lubitschs frisch restauriertem Film „Carmen“, begleitet vom Ensemble Kontraste.

© Bernd Distler

Auch die Vorführung auf der Museumsinsel ist eine Premiere. „Carmen“ war mit finanzieller Unterstützung durch Bertelsmann von der Friedrich-Murnau-Stiftung restauriert worden und ist nun erstmals wieder in weitgehend vervollständigter originaler Schnittfassung und mit rekonstruierter Farbgebung zu sehen.

Das Ensemble Kontraste wird den Film mit einer im Auftrag von ZDF und Arte entstandenen Neukomposition des Berliner Komponisten und Pianisten Tobias Schwencke begleiten.

Am 26. August wird „Die Leuchte Asiens“ gezeigt

Der feurigen Spanierin folgt ein asketischer Inder. Am 26. August wird der orientalisch-märchenhafte Film „Die Leuchte Asiens“ von Franz Osten gezeigt, die erste deutsch-indische Filmproduktion. Erzählt wird die Lebensgeschichte des Religionsstifters Siddhartha Gautama, der als der historische Buddha gilt und den der indische Schauspieler Himansu Rai darstellt. Vorlage war das epische Gedicht „The Light of Asia“ von Sir Edwin Arnold von 1879.

Die Filmreihe wird vom 25. bis 27. August wie gewohnt auf der Museumsinsel gezeigt. Sie endet mit Friedrich Wilhelm Murnaus Horror-Klassiker „Nosferatu“.
Die Filmreihe wird vom 25. bis 27. August wie gewohnt auf der Museumsinsel gezeigt. Sie endet mit Friedrich Wilhelm Murnaus Horror-Klassiker „Nosferatu“.

© Filmmuseum Berlin – Stiftung Deutsche Kinemathek

Mit seiner exotischen Thematik stand der Film, der an Originalschauplätzen gedreht wurde und am 22. Oktober 1925 in München Premiere hatte, damals nicht allein da. Das Interesse an Indien und Buddhismus war groß in Deutschland. Vier Jahre vorher hatte Joe May, freilich nicht auf dem Subkontinent, sondern in Woltersdorf bei Berlin, „Das indische Grabmal“ gedreht, im Herbst 1922 erschien Hermann Hesses Erzählung „Siddhartha“.

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Zur Vorführung des Films entwirft das Silent Light Orchestra orientalische Klangwelten. Es ging aus Mitgliedern des Ensembles Trioglyzerin und des Ekkehard-Wölk-Quartetts hervor, die bereits an früheren Ufa-Filmnächten beteiligt waren.

Am 27. August läuft „Nosferatu“

Geschlossen wird die Filmreihe am 27. August von einem Mann aus Transsylvanien – obwohl es natürlich schwierig ist, eine nachtwandelnde Figur wie den blutsaugenden Grafen Orlok aus Friedrich Wilhelm Murnaus „Nosferatu – Eine Symphonie des Grauens“ dem Wesen nach korrekt einzuordnen. Gedreht hatte der Regisseur unter anderem in Wismar, Lübeck, in den Karpaten und auch in Berlin, im Tegeler Forst und im Jofa-Atelier in Johannisthal.

Szene aus Ernst Lubitschs „Carmen“ von 1918.
Szene aus Ernst Lubitschs „Carmen“ von 1918.

© Friedrich-Wilhelm-Murnau-Stiftung

Der Film, diesmal begleitet vom Organisten Cameron Carpenter, war eine Adaption von Bram Stokers Roman „Dracula“. Leider war sie nicht autorisiert, was heftigen Urheberstreit auslöste, in dessen Verlauf ein Berliner Gericht 1925 die Vernichtung aller Kopien anordnete – zum Glück vergeblich.

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Der Film mit Hauptdarsteller Max Schreck gilt längst als Klassiker des Horrorfilms, ja als Ursprung des Genres. Eine Ikone der Filmgeschichte, die am 4. März 1922 im Marmorsaal des Zoologischen Gartens, damals einer der größten Veranstaltungsorte Berlins, Premiere feierte. Einige Damen, so war später in der „Lichtbild-Bühne“ zu lesen, sollen danach „eine schlechte Nacht gehabt haben.“

Die Filme starten jeweils um 21 Uhr. Tickets gibt es für 20 Euro unter www.ufa-filmnaechte.de. Dort werden die Filme auch live und gratis im Stream zu sehen sein.

Im Anschluss bleiben sie bis 21 Uhr des Folgetages on demand zugänglich und sind auch über die Social-Media-Kanäle der Ufa-Filmnächte, Bertelsmann und der Ufa abrufbar.

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