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Berliner Polizisten atmeten in Schießständen Giftstoffe ein, einige starben.

© Rainer Jensen/dpa

Grünen-Politiker zur Berliner Schießstandaffäre: „Die Polizei hat es nicht geschafft, ihre Mitarbeiter zu schützen“

Berliner Polizisten atmeten an Schießständen Giftstoffe ein und erkrankten. Der Grünen-Innenexperte erzählt von dem Skandal und von Ausgleichszahlungen.

Benedikt Lux, 39, ist Jurist und lebt mit seiner Familie in Steglitz. Seit 2006 ist er für die Grünen Mitglied des Berliner Abgeordnetenhauses und innenpolitischer Sprecher der Fraktion.

Herr Lux, in der Affäre um jahrelang giftige Schießstände bei der Polizei sind die Ermittlungen gegen die Generalstaatsanwältin Margarete Koppers eingestellt worden. Eine Überraschung für Sie?
Nein, das ist nicht überraschend.

Warum nicht?
Das Problem an den Schießständen begann schon viel früher, Ende der 90er Jahre. Da war Hagen Saberschinsky Polizeipräsident, danach Dieter Glietsch. Margarete Koppers hatte ab Mitte 2011 und im Jahr 2012 als kommissarische Präsidentin damit zu tun. Mein persönlicher Eindruck ist, dass sie sich um das Problem kümmerte.

In der Polizei brodelt es wegen der Einstellung. Die Wut über den Umgang mit den gesundheitsschädlichen Schießständen ist immer noch groß. Haben Sie Verständnis?
Ja. Menschen, die ihr Leben für den Staat riskiert haben, wurden wahrscheinlich durch die Zustände an den Schießständen krank und starben früher. Das darf sich nicht wiederholen und es darf da auch keinen Schlussstrich geben.

Rot-Rot-Grün hatte 2019 über einen Ausgleichsfonds mehr als drei Millionen Euro an Betroffene ausgezahlt, nicht alle bekamen etwas. Die Entscheidungen der damaligen Kommission sind umstritten. Welche Fehler sehen Sie im Nachhinein bei der Verteilung?
Es scheint so, als wurde der Erlass für die Zahlungen nicht eingehalten. Dieser sah vor, insbesondere die Häufigkeit und Dauer des Einsatzes an den Schießanlagen zu berücksichtigen. Nach meinem Kenntnisstand ist dies nicht ausreichend erfolgt. Vor allem Geschädigte, die sehr oft an den Schießständen waren und deren Krankheiten nicht anerkannt wurden, sind unzufrieden.

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Die Lage ist schwierig: Rechtlich können Betroffene trotz nachgewiesener jahrelanger Vertuschung der Probleme in den Schießständen ihren Anspruch schwer geltend machen. Andererseits steht die Politik in der Pflicht. Lässt sich der Vertrauensverlust überhaupt wieder kitten?
Für viele Geschädigte wahrscheinlich leider nicht. Es ist aber unser Anspruch. Die Gesundheitsgefahren wurden – viel zu spät – beseitigt, Schießstände geschlossen, neue gebaut. Heute sind mir keine Beschwerden und Gefahren bekannt. Das hilft nur den Geschädigten leider nicht. Deswegen ist es wichtig, dass die Politik Verantwortung übernimmt, gerade für das Organisationsverschulden. Die Polizei hat es nicht geschafft, ihre Mitarbeiter vor Gesundheitsgefahren zu schützen.

Der Grünen-Innenexperte Benedikt Lux im Abgeordnetenhaus.
Der Grünen-Innenexperte Benedikt Lux im Abgeordnetenhaus.

© imago

Wie bei anderen Skandalen mit Umweltgiften auch, muss viel früher und schneller gehandelt werden. Als die ersten Gutachten kamen, wie schädlich die bleihaltige Munition – bei fehlender Entlüftung – ist, muss stillgelegt werden und nicht Augen zu und durch. Das war fatal und geht weit über das Handeln von Einzelpersonen hinaus. Ich hoffe, dass die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen auch hierzu Erkenntnisse bringen.

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Im Haushalt 2020/21 sind weitere drei Millionen Euro vorgesehen, einen Modus für die Ausgleichszahlungen gibt es bislang nicht. Warum?
Das verstehe ich auch nicht. Innensenator Andreas Geisel hatte den Auftrag, die Entschädigungen zu überprüfen und soweit es geht, die Lage zu befrieden. Das wurde uns im Parlament zugesagt – auch die Möglichkeit, eine Stiftung einzurichten. Die Betroffenen sagen, dass der Innensenator Gespräche verweigert, obwohl er öffentlich behauptet, mit ihnen zu reden. Er steht also noch im Wort und es ist höchste Zeit.

Was wäre darüber hinaus nötig?
Das Umdenken für mehr Arbeitsschutz und Gesundheit muss weitergehen, gerade bei Polizei und Feuerwehr. Die Einstellung „Hab dich mal nicht so, das bisschen Rauch“ darf es nicht mehr geben. Wir brauchen aufmerksame und mutige Vorgesetzte, die nicht einknicken, wenn es um die Gesundheit ihrer Mitarbeiter geht. Bei ihnen liegen die Beschwerden und Gutachten in aller Regel als Erstes auf dem Tisch. Und wir müssen viel offener mit angezeigten Missständen umgehen. Die Trainer, die Ende der 90er als Erstes auf die Probleme aufmerksam machten, wurden geschnitten, heute verdienen sie Respekt und Wiedergutmachung.

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