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ARCHIV - 06.02.2024, Berlin: Tania Bruguera, Künstlerin und Aktivistin, liest vor einem Pressetermin zu ihrer Performance «Where Your Ideas Become Civic Actions (100 Hours Reading The Origins of Totalitarianism)», im Hamburger Bahnhof · Nationalgalerie der Gegenwart aus Hannah Arendts «Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft». Die als 100-stündige Lesung geplante Performance wurde nach propalästinensischen Protesten abgebrochen.+

© dpa/Christoph Soeder

Gewalttätige Hasstiraden bei Lesung: Propalästinensischer Protest zwingt Hannah-Arendt-Veranstaltung zum Abbruch

Eine Lesung über die Ursprünge des Totalitarismus wurde von einem propalästinensischen Protest gleich zweimal gestört. Die Organisatoren sahen sich gezwungen, die Veranstaltung abzubrechen.

Nach propalästinensischen Protesten ist die Lesung einer umfassenden Analyse totalitärer Strukturen der Publizistin Hannah Arendt (1906-1975) am Sonntag im Berliner Museum für zeitgenössische Kunst Hamburger Bahnhof – Nationalgalerie der Gegenwart abgebrochen worden.

Gegenüber dem Tagesspiegel bestätigte eine Polizeisprecherin am Sonntag den Vorgang. Von den Verantwortlichen der Veranstaltung sei eine Internetanzeige wegen Beleidigung eingegangen. Die Sprecherin geht außerdem davon aus, dass der Staatsschutz aufgrund des rassistischen Motivs die Ermittlungen übernehmen werde.

Nach Schilderung der beiden Museumsdirektoren Sam Bardaouil und Till Fellrath war die 100-stündige Performance „Where Your Ideas Become Civic Actions (100 Hours Reading „The Origins of Totalitarianism“)“ der kubanischen Künstlerin Tania Brugueras am Samstag zweimal von einer Gruppe politischer Aktivisten gestört worden.

Hassreden bei Vorlesung

Zunächst seien am Nachmittag Hassreden gehalten worden. Beim zweiten Vorfall am Abend kehrten die rund 20 Personen den Angaben zufolge zurück und beleidigten einen der Vorleser und einen der Museumsdirektoren mit gewalttätigen Hasstiraden. Unter diesen Umständen sei der offene Dialog, der mit dieser Performance beabsichtigt gewesen sei, nicht mehr möglich, so die Direktoren. Am Sonntagmorgen beschloss die Künstlerin, die Performance zu beenden, um sich gegen Hassreden und jede Form von Gewalt zu wehren.

„Wir respektieren und stehen voll und ganz hinter der Entscheidung der Künstlerin und lehnen jede Form von Hassrede und Gewalt kategorisch ab“, so Bardaouil und Fellrath auf ihren Instagram-Kanälen. Der Schritt sei notwendig gewesen, um die Sicherheit der Teilnehmer der Performance zu schützen.

Roth: „Kein Platz für Hass und Hetze“

Kulturstaatsministerin Claudia Roth verurteilte die Attacke. „Hass, Antisemitismus, Rassismus und solche Formen von Gewalt sind absolut inakzeptabel und haben im Raum der Kunst und auch überall sonst nichts zu suchen“, sagte die Grünen-Politikerin in einer Reaktion. „Dieser üble Antisemitismus und Rassismus richtete sich offenkundig auch noch direkt gegen eine jüdische Kulturschaffende, die kubanische Künstlerin sowie einen Leiter des Hamburger Bahnhofs.“ Roth begrüßte rechtsstaatliche Konsequenzen für die Urheber.

Arendt analysierte Entwicklung des Nationalsozialismus

Bruguera musste die Performance 2015 zu Hause unter Arrest realisieren. Mit der Aufführung in Berlin wollte sie „die Kraft von Kunst und Aktivismus zeigen“.

Die Jüdin Arendt musste 1933 selbst aus Nazi-Deutschland emigrieren. Sie schrieb ihre Analyse über Ursprünge und Entwicklung des Nationalsozialismus kurz nach Ende des Zweiten Weltkriegs und der Befreiung Deutschlands. Wenige Jahre später ergänzte sie das Werk mit den Besonderheiten des Stalinismus. (mit dpa)

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