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Berlin entgehen durch „Share Deals“ Steuereinnahmen von 100 Millionen Euro im Jahr.

© Getty Images/EyeEm

Gesetzliche Regulierung von „Share Deals“: Noch Luft nach oben?

Steuerschlupflöcher für die Immobilienbranche sollen erschwert werden. Wirtschaftsvertreter warnen vor den Folgen – gerade für Berlin.

Geht es nach dem Willen der Bundesregierung, wird bald ein weiteres Schlupfloch für Immobilieninvestoren geschlossen. Das Kabinett hat dazu am vergangenen Mittwoch einen Entwurf zur Eindämmung sogenannter „Share Deals“ beschlossen. Das sind Immobiliengeschäfte, bei denen die Zahlung der Grunderwerbsteuer vermieden wird, indem bei einer Transaktion nicht das komplette Grundstück in neue Hände übergeht.

So reicht es bisher, nur knapp 95 Prozent an einer Gesellschaft zu erwerben, um die Zahlung von Grunderwerbsteuer zu umgehen – der Rest kann dann steuerfrei fünf Jahre später erworben werden. Vor allem in hochpreisigen Innenstadtlagen kommen diese „Deals“ zum Zuge. Allein Berlin entgehen laut Finanzsenator Matthias Kollatz (SPD) dadurch etwa 100 Millionen Euro an Steuereinnahmen im Jahr.

Während angesichts von Steuermehreinnahmen die Entscheidung beim Senat mit Freude aufgenommen worden sein dürfte, sorgt sie in der Wirtschaft für Entsetzen. Dem Vernehmen nach enthalte der Entwurf Regelungen, „die geeignet sind, den Wirtschaftsstandort Deutschland nachhaltig zu schädigen“, sagte Hans Volkert Volckens, Steuerexperte beim Lobbyverband Zentraler Immobilien Ausschuss (ZIA) dem Tagesspiegel am Montag. „Unternehmen könnten damit existenzbedrohenden und unkontrollierbaren Steuerfolgen ausgesetzt werden. Und dies zu einem Zeitpunkt, wo sich die deutsche Wirtschaft ohnehin im Abschwung befindet.“

Doch es gibt in der Wirtschaft auch Stimmen, die dem Plan etwas abgewinnen können. „Der vorgelegte Gesetzentwurf geht in die richtige Richtung aber letztlich nicht weit genug“, sagte etwa Kai Warnecke, Präsident des Eigentümerverbandes Haus & Grund. „Das Schlupfloch ist etwas kleiner geworden, sodass künftig sicher einige Immobiliendeals mehr grundsteuerpflichtig werden. Das Ziel muss aber ein einheitlicher, niedriger Steuersatz sein, den dann aber auch alle zahlen müssen. Ich kann mir einen Satz von drei Prozent ohne Ausnahmen vorstellen.“

Opposition opponiert

Kritik kommt auch von der Opposition im Bundestag. So kritisierte die finanzpolitische Sprecherin der Grünen, die Berlinerin Lisa Paus, die Implikationen, die der Beschluss für das Steuerrecht habe. Besonders ärgerlich sei die Herauslösung des Gesetzes aus dem Gesamtpaket zur Steuerreformierung. Dadurch werde „das ohnehin verwässerte Gesetz noch weiter entkernt“. Die Grünen beklagen vor allem eine Art Zwei-Klassen-Gesetzgebung in der Steuerpolitik: Während Familien in Berlin beispielsweise beim Kauf einer Wohnung oder eines Hauses die volle Wucht von 7,5 Prozent Grunderwerbsteuer treffen, koste es keinen Cent wenn gewerbliche Käufer ganze Bestände von Wohnungen verkaufen dank der Share-Deal-Regulierungen. Deshalb seien Share Deals „Brandbeschleuniger für den überhitzten Wohnungsmarkt“, meint Paus. Wer gegen diese Steuerlücke nicht vorgehe, nehme weiter steigende Mieten und Immobilienpreise in Kauf.

Der Unmut über das Einknicken der großen Koalition bei der Begrenzung des finanziellen Schadens für die Länder und Kommunen geht in Berlin runter bis in die Bezirke. Der Baustadtrat von Friedrichshain-Kreuzberg Florian Schmidt (Grüne) ließ seiner Empörung in den sozialen Netzwerken freien lauf: „Ich fasse es nicht“, twitterte Schmidt, der „Share-Deal-Wahnsinn geht weiter“. In dem Bezirk würden zwischen der Hälfte und 70 Prozent aller Wohnungen unter Umgehung von Steuern als Share Deal gehandelt. Dadurch würden außerdem noch das bezirkliche Vorkaufsrecht und der Milieuschutz „ausgehebelt“.

In der Anhörung zur Schließung des Steuerschlupfloches hatte Henning Tappe, Professor für Öffentliches Recht an der Universität Trier, erklärt, dass dadurch „die gebotene gerechte Lastenverteilung“ bei der „Steuerpflicht“ untergraben werde. Eine Änderung der Bevorzugung von Konzernen beim Handel von Firmenmänteln mit Immobilienbeständen sei „verfassungsrechtlich geboten“.

Allerdings fürchten die auf dem Wohnungsmarkt tätigen Konzerne eine Schließung der Ausnahmeregelung. Mit „negativen Auswirkungen für börsennotierte Unternehmen“ rechnet etwa Norbert Kuhn vom Deutschen Aktieninstitut.

Auch Union sieht Verbesserungsbedarf

Das Geschäft mit den „Wohnungsportfolien“ war bisher allerdings weit überwiegend von Firmen betrieben worden, die wenig oder gar nicht in den Neubau investiert hatten. Die „Börsenstory“ von Deutsche Wohnen, Vonovia und anderen liegt vorrangig im Erwerb „unterbewerteter“ Wohnungen, deren Mietertrag durch Modernisierungen und – wo es möglich ist – Neuvermietung angehoben werden können. Zugute kommen ihnen dabei eine weitere „historische“ Regulierung zugunsten der Immobilienbranche: Eine Umlage von Modernisierungskosten in Höhe von acht Prozent auf die Mieten. Das bringt Einnahmen, die rund vier mal so hoch sind wie die rund zwei Prozent Finanzierungskosten der Sanierungsarbeiten.

Auch innerhalb der CDU mehren sich die kritischen Stimmen gegen die Befreiuung von Anteilsverkäufen an Immobilienfirmen von der Grunderwerbsteuer: „Der Kauf von Firmenmänteln, um Häuser darin zu parken, hat mit dieser richtigen Intention des Gesetzgebers nichts mehr zu tun“, sagt Jan-Marco Luczak, Obmann der Unions-Fraktion im Bundestagsausschuss für Recht und Verbraucherschutz.

Die steuerliche Ausnahmeregelung habe ursprünglich produzierenden Firmen mit Verantwortung für Mitarbeiter zugute kommen sollen, die beim Verkauf nicht durch die zusätzlichen Kosten einer Besteuerung unwirtschaftliche werden sollte. Um diese ursprüngliche Intention gerecht zu werden, „sind die Absenkung der Schwellenwerte und eine Verlängerung der Haltefrist der richtige Ansatz“.

Die Länder müssten im Gegenzug sich aber verpflichten, die Mehreinnahmen zu nutzen, „um mehr Familien den Weg in diese eigenen vier Wände zu ebenen“. Die Senkung des Grunderwerbssteuerersatz sei eine Möglichkeit dazu oder eine Ratenzahlung bei der Zahlung derselben.

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