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Eine Flüchtlingsunterkunft auf dem Gelände des ehemaligen Flughafens Tempelhof.

© Klaus-Dietmar Gabbert/dpa

Junge Mutter hatte in Berlin geklagt: Gericht erklärt Eigenanteil zur Miete in Flüchtlingsunterkunft für rechtswidrig

Eine Hartz-IV-Empfängerin, die aufgefordert wurde, sich an der Miete in einer Gemeinschaftsunterkunft zu beteiligen, zog vor Gericht – und bekam Recht.

Die Frau, die als Flüchtling nach Berlin gekommen war, ist Mitte 20 und hat ein zweijähriges Kind. Ihr Asylantrag ist anerkannt, sie erhält Hartz IV und hatte zwischenzeitlich auch eigenes Einkommen. Und sie lebt in einer Gemeinschaftsunterkunft in Köpenick.

Als Anteil an den Unterbringungskosten forderte das Landesamt für Flüchtlingsangelegenheiten (LAF) viermal monatlich 30 Euro von ihr, jeweils mit einer „Rechnung“. Das aber ist laut einem Urteil des Sozialgerichts Berlin rechtswidrig: Für diese Forderung gebe keine rechtliche Grundlage. Außerdem sei nicht „ersichtlich, worauf sich die jeweils gemachten Forderungen gründen“.

Gegen jede der Forderungen des LAF hatte die Frau Widerspruch eingelegt. Diesen hatte das LAF zurückgewiesen – die Unterbringung beruhe auf einem privatrechtlichen Vertragsverhältnis, Widerspruch könne aber nur gegen „Verwaltungsakte“ eingelegt werden. Diese Argumentation wies das Sozialgericht zurück. Bei der Forderung habe es sich um einen Verwaltungsakt gehandelt.

Volker Gerloff, der Anwalt der betroffenen Frau, erklärte dem Tagesspiegel: „Das Urteil ist überfällig. Ich habe die Hoffnung, dass der Senat jetzt reagiert und seine Praxis ändert. Es ist beschämend, dass der R2G-Senat so dreist gegen die Rechte von Geflüchteten agiert.“ Er vertrete mehrere Mandanten, die ähnliche Forderungen erhalten hätten.

Elke Breitenbach (Linke), die Senatorin für Integration, Arbeit und Soziales, wies im Gespräch mit dem Tagesspiegel die Vorwürfe zurück. „Im Sozialgesetzbuch ist festgelegt, dass wohnungslose Menschen, die untergebracht werden und ein Einkommen haben, einen Anteil an den Unterkunftskosten bezahlen müssen.“

Übergangslösung in Berlin

Im Gesetz gehe man davon aus, dass diese Menschen in Wohnungen lebten und nicht in Gemeinschaftsunterkünften. Da der gesetzlich vorgeschriebene Eigenanteil aber für Menschen, die in diesen Unterkünften lebten, viel zu hoch sei, habe man 2019 eine Übergangslösung eingeführt, mit denen die Sätze erheblich reduziert worden seien. Diese Lösung hätte freilich schon 2020 durch eine Nutzungsentgeltordnung ersetzt werden sollen.

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Das sei, sagte Breitenbach, aber noch nicht geschehen. Mit der Finanzverwaltung müsse man noch eine Einigung über die Höhe der Eigenanteile finden, zudem habe Corona eine Rolle gespielt.

Möglicherweise betrachtete das Sozialgericht die Übergangslösung nicht als gesetzliche Grundlage. Breitenbach wollte zum konkreten Fall nichts sagen. Allgemein erklärte sie: „Wenn es mit der Übergangslösung ein Problem gibt, werden wir daran arbeiten.“

Im April 2021 bezahlten 66 Personen einen Teil ihrer Unterkunftskosten selbst, 65 den Höchstsatz von monatlich 344 Euro. Insgesamt haben Betroffene in diesem Jahr bisher Eigenanteile in Höhe von 117.663 Euro bezahlt.

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