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070723pallasstrasse

© Kitty Kleist-Heinrich

Zivilschutz: Genug gebunkert

Schutzräume für den Kriegsfall haben ihren Sinn verloren. Aber was soll aus den über- und unterirdischen Betonklötzen werden?

Neun Stufen geht es hinauf in die düstere Vergangenheit. Hinter dem Gitter, das den Einlass zu den Gängen versperrt, ist kühler, leichter Modergeruch zu spüren. So haben ihn wohl die Menschen empfunden, die hier während der Kriegsbombardierungen Zuflucht fanden und nicht wussten, was sie beim Herausgehen erwartet. „Als wir aus dem Bunker kamen, brannte alles. Ringsherum explodierten Bomben, flogen Granaten.“

So steht es auf einer der Gedenktafeln am Pallas-Bunker, mit Zitaten von Häftlingen eines „Ostarbeiterlagers“. Der Betonklotz an der Schöneberger Pallasstraße ist einer der markantesten, die noch im Stadtbild stehen, ein von Wildwuchs umgebenes Monstrum, das durch die Überbauung des sogenannten Sozialpalastes nichts vom äußeren Grauen eingebüßt hat. Mehr als 400 dieser Kolosse standen während der Kriegszeit in Berlin, 22, davon 18 im Besitz der Bezirke, haben sich bis heute gehalten, werden zum Teil vom Verein Berliner Unterwelten und Berliner Bunkernetzwerk betreut. Die Zahl der Bunker aber könnte sich bald verringern: Der Bund will sich von seinen Anlagen trennen und dem Senat auch nicht mehr jährlich 14 340 Euro Bewirtschaftungskosten zahlen. Im vorigen Jahr waren es wegen zusätzlicher Instandsetzungen – der Bund rechnet genau vor, sogar 42 869 Euro und 20 Cent.

Der Senat nimmt es gelassen: Der Liegenschaftsfonds des Landes, so die „Idee“, soll vier Bunker, davon drei bundeseigene, verkaufen, über die Verrechnung wird man noch reden. Der Fonds prüft noch, zunächst wird an die Vermarktung von zwei Anlagen gedacht: Des Hochbunkers auf dem einstigen Klinikgelände in Heckeshorn, der in den achtziger Jahren noch für ein Notkrankenhaus hergerichtet wurde; und eines unterirdischen Klotzes an der Nicolaistraße in Lankwitz.

Interessenten sollen sich bereits gemeldet haben: Diskobetreiber und Pyrotechniker, die für Versuche festen Beton um sich haben müssen. Der Liegenschaftsfonds will mit dem Bezirk Steglitz-Zehlendorf sprechen, etwa über den Verkauf des Hochbunkers an der Lankwitzer Eiswaldtstraße und des Bunkers am Eiderstedter Weg.

Das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) hat jedenfalls den Bunkern sein finanzielles Wohlwollen entzogen. Rund 2000 sind es bundesweit, nach Angaben von BBK-Sprecherin Ursula Fuchs kosten sie jährlich rund zwei Millionen Euro. Aber der Kalte Krieg , sagt sie, sei bekanntermaßen vorbei, damit die „Gefährdungsannahme“. Der Bund sei aber weiter für den Zivilschutz zuständig.

Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung kann sich schon vorstellen, dass die Bunker in attraktiven Lagen als künftiger Baugrund interessant sein dürften. 18 Bunker gehören den Bezirken.

Der ehemalige Reichsbahnbunker an der Reinhardtstraße in Mitte wurde, wie berichtet, verkauft und zur Kunsthalle mit Penthouse umgebaut. Auch der Kreuzberger Fichtebunker, in dem lange Jahre wie in vielen anderen Bunkern Lebensmittel der „Senatsreserve“ lagerten, ist für Wohnungen umgestaltet worden. Beim Bau des Ku’damm-Karrees wurde in den 70er Jahren auch ein Kellerbunker angelegt, der inzwischen als Ausstellungsraum genutzt wird. Zu den Bunkern gehören noch 280 Schutzräume, die oftmals Tiefgaragen, mitunter nur größere Keller mit einer Brandschutztür sind. Insgesamt könnten rund 24 000 Berliner in Bunkern und Kellern Platz finden.

Das Berliner Bunkernetzwerk machte 2006 auf bis dahin weithin unbekannte Bunker in Potsdamer-Platz-Nähe als „aktive Zivilschutzanlagen“ aufmerksam: Einen Tiefbunker, der 1937 vorm „Reichsnähramt“, heute Europahaus, an der U-Bahn entstand,in den achtziger Jahren entdeckt und ausgebaut wurde. Und auf den Bunker unterm nahen Excelsior- Hochhaus an der Stresemannstraße.

Den Pallas-Bunker, in dem vor Jahren noch ausrangierte Krankenhausbetten lagerten, hat der Bezirk an denVerein Berliner Unterwelten vermietet. Sascha Keil vom Vorstand sagt, das Haus sei technisch für den Zivilschutz vorgehalten. Der Verein wolle weiter die meisten Bunker als Zeugen der Baugeschichte zeigen können.

Christian van Lessen

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