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Luisa Neubauer, Klimaaktivistin, spricht bei einer Pressekonferenz zur Initiative «Erstwahlprofis» in der Bertelsmann Stiftung. Gemeinsam mit dem Haus Rissen bildet die Bertelsmann Stiftung in Berlin «Erstwahlprofis» aus.

© dpa / dpa/Christoph Soeder

Update

Berlin wirbt um junge Wahlhelfer: Initiative will junge Menschen zum Wählen motivieren

Zum Start einer Initiative für Erstwähler wirft Klimaaktivistin Neubauer dem Senat „desaströsen Vertrauensbruch“ vor. Grund sind die separaten Abstimmungstermine.

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Anmeldungen gibt es genug – aber aller Voraussicht nach werden es auch bei der Wiederholungswahl am 12. Februar wieder überwiegend Ältere sein, die als Wahlhelfer die Abstimmungslokale managen. Dabei sind die Jungen bei Wahlen gleich mehrfach unterrepräsentiert: Unter 18 dürfen sie nur sehr beschränkt teilnehmen, als junge Erwachsene beteiligen sie sich oft unterdurchschnittlich, und als Wahlhelfer sind sie Ausnahmen.

Eine Initiative der Bertelsmann-Stiftung und der Berliner Landeswahlleitung sowie der Landeszentrale für Politische Bildung soll das nun ändern – bei der Wiederholungswahl und den danach folgenden. Mit dem Klima-Volksentscheid voraussichtlich am 26. März naht bereits die nächste Abstimmung.

Ab sofort können sich 18- bis 25-Jährige oder neu eingebürgerte Erstwählerinnen und -wähler jeden Alters auf dem Online-Portal „Erstwahlprofis.Berlin“ als Wahlhelfer bewerben. Drei Bedingungen sind notwendig, nämlich Zeit an einem ganztägigen Schulungstermin im Januar sowie am Wahltag selbst. Außerdem muss man wahlberechtigt zum Bundestag sein. Gesucht werden außerdem Trainerinnen und Trainer, die die jungen Wahlhelfer schulen sollen. Für sie gilt keine Altersbegrenzung; die Trainer-Schulungstermine sind am 6. und 7. Januar.

Disput zwischen Bröchler und Neubauer

Da die Bezirksämter insgesamt 42.000 Wahlhelfer rekrutieren sollten und sich mittlerweile mehr als 50.000 Interessierte angemeldet haben, gilt vorerst einen Bewerbungsstopp. Robert Vehrkamp von der Bertelsmann-Stiftung stellt allerdings klar, dass 18- bis 25-Jährige, die sich über das neue Portal anmelden und schulen lassen, auf jeden Fall berücksichtigt werden sollen. Einen Stichtag für die Anmeldung gibt es nicht, aber angesichts der knappen Zeit gilt: Je schneller, desto besser. Das auf bis zu 260 Euro erhöhte Honorar am Ende des Wahltages gebe es selbstverständlich unabhängig vom Alter.

„Knappe Zeit“ wurde bei der Präsentation zum Stichwort für einen Disput zwischen Landeswahlleiter Stephan Bröchler und der Klimaaktivistin Luisa Neubauer, die sich nach eigenen Angaben selbst als Wahlhelferin angemeldet hat: Sie finde es „dramatisch, erschütternd und in keiner Weise nachzuvollziehen, dass man das Datum des Klima-Volksentscheids nicht auf den Wahltag gelegt hat“, sagte sie. Die Vertagung sei ein „desaströser Vertrauensbruch“ der Berliner Verwaltung und ein Affront gegen die jungen Menschen, „die sich da so reingehängt haben“.

Ein gut vermarktetes Nichts.

Klimaaktivistin Luisa Neubauer zum Umgang mit dem Volksentscheid „Deutsche Wohnen & Co. enteignen“

Bröchler versicherte, dass die Landeswahlleitung keinesfalls den Volksentscheid behindern wolle. Die Aufteilung beruhe auf „rein organisatorischen Faktoren“; angebliche Lösungsvorschläge zu Papierbeschaffung und Stimmzetteltransport hätten die Qualitätsstandards einer Demokratie nicht erfüllt. Der beispiellos knappe Vorlauf – 90 Tage läuft die Frist nach dem Urteil des Landesverfassungsgerichts – sei Herausforderung genug.

Ob es möglich sei, den Volksentscheid über Berlins Klimaneutralität bis 2030 wenigstens mit der teilweisen Wiederholung der Bundestagswahl zusammenzulegen, vermochte Bröchler mit Verweis auf ausstehende Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts nicht zu sagen.

Neubauer legte nach: Nachdem bereits aus dem erfolgreichen Volksentscheid zur Enteignung von Wohnungskonzernen nur „ein gut vermarktetes Nichts“ herausgekommen sei, vermittle der Berliner Senat einmal mehr den Eindruck, Volkes Stimme nicht unbedingt hören zu wollen. Dabei tue größtmögliche Mobilisierung Not in einer aus mehreren Richtungen bedrohten Demokratie – wobei die größte Bedrohung „der Kollaps unserer Ökosysteme“ sei: Je größer die Krise, desto stärker dominiere die Notstandsverwaltung anstelle der gewählten Institutionen.

Einig sind sich die Beteiligten über das Potential der Initiative für junge Wahlhelfer: 70 Prozent derer, die einmal mitgemacht hätten, seien auch künftig dazu bereit, berichtete Manja Jacob vom Haus Rissen. Das Hamburger Bildungsinstitut sammelt bereits seit 2017 Erfahrungen mit der Initiative „Erstwahlprofis“. Eine Erkenntnis: „In Hamburg haben wir gute Erfahrungen gemacht, auch 16- bis 18-Jährige als Wahlhelfer und -helferinnen mit reinzunehmen.“

Aus Sicht von Landeswahlleiter Bröchler spricht ohnehin nichts gegen die Absenkung des Wahlalters auf 16 Jahre. Am 12. Februar gehe es aber nicht – weil die Bedingungen so sein müssten wie bei der verpatzten Wahl im vergangenen September.

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