zum Hauptinhalt
Katharina Günther-Wünsch (CDU), Berliner Senatorin für Bildung, Jugend und Familie.

© dpa/Annette Riedl

Update

Geflüchtete Jugendliche vorsätzlich nicht eingeschult?: Strafanzeige gegen Berliner Bildungssenatorin Günther-Wünsch

Am Dienstag soll aus der Bildungsverwaltung eine E-Mail an Geflüchteteneinrichtungen gegangen sein – darin die Anweisung, Kinder über 15 Jahren nicht einzuschulen. Die Behörde weist den Vorwurf zurück.

| Update:

Weil die Berliner Bildungsverwaltung ihrer Pflicht nicht nachkommen soll, allen neu ankommenden minderjährigen Flüchtlingen einen Schulplatz anzubieten, soll gegen Senatorin Katharina Günther-Wünsch (CDU) Anzeige erstattet worden sein. Der Flüchtlingsrat Berlin hatte dies am Freitagvormittag auf der Plattform X mitgeteilt. Die Berliner Polizei bestätigte am Nachmittag, dass „unter der vorliegenden Bearbeitungsnummer eine Anzeige gegen eine Berliner Politikerin vorliegt“.

Die Senatsverwaltung teilte am späten Freitagabend mit, dass ihr die Anzeige bislang nicht zugestellt worden sei. Der „Vorwurf einer gesetzeswidrig unterlassenen Anmeldung zur Schulpflicht“ sei nicht zutreffend.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen von unseren Redakteuren ausgewählten, externen Inhalt, der den Artikel für Sie mit zusätzlichen Informationen anreichert. Sie können sich hier den externen Inhalt mit einem Klick anzeigen lassen oder wieder ausblenden.

Ich bin damit einverstanden, dass mir der externe Inhalt angezeigt wird. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhalten Sie in den Datenschutz-Einstellungen. Diese finden Sie ganz unten auf unserer Seite im Footer, sodass Sie Ihre Einstellungen jederzeit verwalten oder widerrufen können.

Eingereicht wurde die Internetanzeige am Donnerstag von dem ehemaligen Journalisten Andreas Thewalt, der nach eigenen Angaben seit 2016 ehrenamtlich als Vormund für minderjährige Geflüchtete tätig ist. Er wirft der Senatsbildungsverwaltung eine „systematische und monatelange Nichtbeschulung unbegleiteter minderjähriger Geflüchteter“ vor. Zahlreichen geflüchteten Jugendlichen werde vorsätzlich der Schulbesuch verweigert, behauptet Thewalt – und bezieht sich dabei auf eine E-Mail, die auch der Tagesspiegel einsehen konnte.

Seinen Informationen zufolge ging am vergangenen Dienstag, 20. Februar, aus der Bildungsverwaltung eine Anweisung an die „Teams aus den Erstaufnahmeeinrichtungen“ für Geflüchtete. In der E-Mail stand zwar zunächst, dass junge Menschen „bis zum 14. Lebensjahr (einschließlich)“ zur Schule angemeldet werden sollten, dann aber weiter: „Junge Menschen ab dem 15. Lebensjahr sind weiterhin nicht zur Schule anzumelden.“ Dabei ist das Wort „nicht“ durch Unterstreichung hervorgehoben.

Diese Anweisung dürfte gegen das Berliner Schulgesetz verstoßen, die eine allgemeine zehnjährige Schulpflicht vorsieht. Demnach dürfte erst Jugendlichen ab 16 Jahren ein Schulplatz verweigert werden.

Was bringt die Anzeige?

In der Anzeige heißt es deshalb, diese richte sich gegen die Senatorin Günther-Wünsch als Verantwortliche für ihre Verwaltung wegen des Verdachts des Verstoßes gegen das Berliner Schulgesetz, gegen die UN-Kinderrechtskonvention sowie wegen Kindeswohlgefährdung nach Paragraf 1666 des Bürgerlichen Gesetzbuches, das dazu auch ausdrücklich das „geistige“ und „seelische“ Wohl von Kindern zähle. „Es ist doch wirklich nicht verantwortungsvoll, Kinder und Jugendliche in diesem Alter weitgehend sich selbst zu überlassen“, sagte Thewalt dem Tagesspiegel auf Nachfrage. „Damit fördert die Politik Probleme, die sie dann hinterher laut beklagt.“

Nach geltendem Strafrecht stellt eine Schulpflichtverletzung allerdings keine Straftat dar. Ob die Senatorin in einem anderen Punkt belangt werden kann, ist unklar. Was bringt dann eine Anzeige bei der Polizei? Thewalt antwortet: Kindern und Jugendlichen werde richtigerweise gesagt, sie sollten sich an Recht und Gesetz halten. „Dann sollte doch eine Bildungsverwaltung allemal mit gutem Beispiel vorangehen.“

Zahlreiche unbegleitete minderjährige Geflüchtete müssten oft viele Monate auf ein Erstgespräch warten, berichtet er. Ihnen fehle eine Perspektive, oft auch eine Tagesstruktur, sie könnten nicht zur Schule. „Das finde ich beschämend“, sagte Thewalt. „Dass die Bildungsverwaltung Erstaufnahmeeinrichtungen die Schulanmeldung junger Menschen ausdrücklich per E-Mail untersagt, macht mich fassungslos. Gelten hier in Berlin Kinderrechte nicht mehr?“

„Alle unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge wurden und werden zur Schule angemeldet“, erklärte eine Sprecherin der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie am späten Freitagabend. Die E-Mail einer Sozialarbeiterin sei an die Träger der Erstaufnahmeeinrichtungen gerichtet gewesen. Dort würden die jungen Flüchtlinge betreut, bevor sie in einem sogenannten Clearingverfahren einer Altersfeststellung unterzogen und erkennungsdienstlich behandelt würden. Erst, wenn die Minderjährigkeit bestätigt sei, würden die jungen Flüchtlinge in Schulen angemeldet – und wenn klar ist, dass sie in Berlin bleiben. „Die Beschulungsquote im Clearingverfahren beträgt zurzeit 36 Prozent“, teilte die Senatsverwaltung mit.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false