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Berlin: Ganz große Koalition fürs Wählen mit 16

Um bei Jugendlichen mehr Interesse für die Demokratie zu wecken, soll die Verfassung geändert werden

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

Im Norddeutschen Bund durften ab 1867 alle Männer über 25 Jahren wählen. Ab 1918 wurde auch den Frauen zugetraut, sich für eine Partei im Parlament zu entscheiden. 1945 wurde in Deutschland das Wahlalter auf 21 Jahre und 1972 auf 18 Jahre gesenkt. Die Niedersachsen führten 1996 als erstes Bundesland das kommunale Wahlrecht ab 16 Jahre ein. Die Länder Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt und Nordrhein-Westfalen schlossen sich an. In Hessen hat die CDU das Wahlrecht für Jugendliche wieder abgeschafft.

Jetzt gibt es in Berlin eine Vier-Parteien-Initiative, damit 16- und 17-Jährige ab 2006 an den Wahlen zu den Bezirksverordnetenversammlungen (BVV) teilnehmen können. SPD und PDS hatten sich schon 2001 in der Koalitionsvereinbarung dazu verpflichtet und die Grünen waren schon immer dafür. Aber es fehlten noch ein paar Stimmen, um die Landesverfassung mit Zweidrittelmehrheit ändern zu können. Nach einigem Zögern ließ sich die FDP für das kommunale Wahlrecht ab 16 gewinnen. Ein gemeinsamer Antrag wurde jetzt ins Abgeordnetenhaus eingebracht.

SPD, PDS, Grüne und FDP erhoffen sich davon eine „Stärkung der Demokratie auf Bezirksebene“. Jugendliche könnten künftig an Entscheidungen teilhaben, die ihr Lebensumfeld betreffen. „Die Senkung des Wahlalters ist ein Angebot, sich früh an demokratischen Verfahren zu beteiligen und eigene Interessen geltend zu machen“. Junge Menschen, so wird der Antrag weiter begründet, seien durchaus fähig, für sich selbst und das Gemeinwesen Verantwortung zu übernehmen.

Wollen 16- und 17-Jährige, die in Berlin nur ein Prozent der Bevölkerung ausmachen, überhaupt wählen gehen? Nach den bisherigen Erfahrungen sind die Jugendlichen nicht desinteressiert, aber auch nicht übermäßig motiviert, ihre Stimme abzugeben. Die Wahlbeteiligungen in anderen Bundesländern schwanken zwischen 40 und 60 Prozent. Extreme Parteien profitieren vom Jugendwahlrecht offenbar nicht. Laut einer Shell-Studie gibt es eine „Drei-Parteien-Affinität“ für SPD, CDU und – mit Abstrichen – für die Grünen.

Eine Studie der Konrad-Adenauer-Stiftung bestätigte diesen Trend und stellte fest, dass viele 16- und 17-Jährige sich für Politik nicht besonders interessierten, aber der Gesellschaftsordnung grundsätzlich positiv gegenüber ständen. In der Studie wurde den Parteien empfohlen, die Jugendlichen im Kommunalwahlkampf ernst zu nehmen und nicht zu versuchen, sie mit „jugendpolitischen Themen“ zu locken. Ein 19-jähriger Erstwähler interessiere sich für dieselben Themen wie ein 16-Jähriger: Arbeit und Ausbildung, Schule, Freizeit und Umwelt.

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