zum Hauptinhalt
„Bei uns geht es um Fußball. Klar. Es geht aber auch um die Frage, in was für einer Gesellschaft wir leben wollen“, sagt Gerd Thomas, Erster Vorsitzender des FC Internationale.

© Foto: Stefanie Herbst

Berliner Fußballverein für Miteinander: „Mit mehr Respekt wären wir ein Stück weiter“

Wie die meisten Vereine lebt der FC Internationale vom Einsatz seiner Mitglieder. 70 Trainer sind ehrenamtlich tätig. Ein Besuch am Übungsplatz.

Zwei Fußballfelder, über 100 rennende, rufende, lachende Kinder. Ganz vorne schießen die Kleinen einen Ball nach dem anderen in ein winziges Tor. Oder sie versuchen es zumindest. Zwei Trainer feuern sie an, werfen ihnen immer neue Bälle zu. Ob die Kinder nun treffen oder nicht, Hauptsache Spaß. In der Mitte des Feldes wird gar nicht Fußball gespielt, sondern eine interessante Kombination aus Handball und Kopfball. Die Regel: Jedes Kind darf nur drei Schritte gehen, dann muss es den Ball abgeben. Die Kinder lachen und rufen sich immer wieder zu: „Gib ab. Zu mir. Gib ab.“

Gerd Thomas, schaut ihnen zu und muss selber grinsen. „Das ist ein tolles Spiel. Damit bringen wir ihnen bei, nicht nur an sich zu denken, sondern umsichtig zu sein und zu schauen, wo die anderen stehen. Bei uns geht es um Fußball. Klar. Es geht aber auch um die Frage, in was für einer Gesellschaft wir leben wollen. Mit mehr Fair Play und Respekt wären wir schon ein ganzes Stück weiter.“

Mitten in Schöneberg, gleich in der Nähe vom Bahnhof Südkreuz, liegt das Trainingsgelände des FC Internationale. Den Fußballverein gibt es seit 1980, Gerd Thomas ist seit knapp 20 Jahren dabei – ehrenamtlich, natürlich. Er ist einer von 60.000 Ehrenamtlichen im Bereich Sport in der Stadt.

„Vorsitzender heißt nichts anderes, als dass ich am Computer sitze, organisiere, mich mit Politikern streite und so den Trainerinnen und Trainern den Rücken freihalte“, sagt Gerd Thomas.

© Foto: Stefanie Herbst

Los ging es mit seinem kleinen Sohn, der hier zum Training wollte. Ein paar Wochen später hatte Thomas selber die Trainerjacke an. Heute ist er der Erste Vorsitzender. Doch Thomas winkt ab. Das ist doch nichts Besonderes. Einer müsse den Job ja machen. „Vorsitzender heißt nichts anderes, als dass ich am Computer sitze, organisiere, mich mit Politikern streite und so den Trainerinnen und Trainern den Rücken freihalte, damit die ihre wichtige Arbeit mit den Kindern machen können.“

Man merkt schnell, dass Thomas sich und seine Person nicht so gerne in den Vordergrund stellen möchte. Schließlich geht es um die Sache, und um Sportpolitik, und um die Frage, warum die Amateurvereine und das Ehrenamt seiner Meinung nach so wenig unterstützt werden. „Wir haben 1300 Mitglieder, davon sind 650 Kinder und Jugendliche, die hier spielen. Wir haben 48 Mannschaften, für Mädchen wie für Jungs, die von 70 ehrenamtlichen Trainerinnen und Trainern betreut werden. Außerdem eine riesenlange Warteliste“, rattert Thomas.

Warum also müssen sie seit Jahren um mehr Fußballplätze kämpfen? Warum spielen sie auf diesem furchtbaren Kunstrasen? Und könnte man die Ehrenamtlichen nicht auch etwas entlohnen? „Unsere Studentin kann es sich nicht leisten, dreimal in der Woche nachmittags bis abends die Mädchen zu trainieren. Sie macht es trotzdem.“

650 Kinder und Jugendliche sind beim FC Internationale aktiv.

© Foto: Stefanie Herbst

Und warum macht er es? Thomas hält kurz inne, dann sagt er, wieder so, als ob es das selbstverständlichste auf der Welt wäre: „Das liegt in meiner Familie.“ Thomas kommt vom Dorf, seines liegt in Niedersachsen, nahe Hamburg. Sein Uropa hat den Sportverein auf dem Dorf gegründet. Opa war bei der Freiwilligen Feuerwehr. Vater im Gemeinderat. Und er ist nun beim Fußball. Neun war Thomas, als er selber mit dem Spielen anfing. Zwischenzeitlich war er sogar mal Torwart und musste sich in die tiefen Matschpfützen werfen, die sich unter seinem Tor gebildet hatten.

Bei unserem Treffen sind gerade Herbstferien. Da haben die Trainer und Trainerinnen des FC Internationale ein zusätzliches Programm auf die Beine gestellt und noch einmal mehr Kinder, die hier von morgens bis nachmittags die ganze Woche über herumtollen. Ganz hinten, auf dem zweiten Feld, spielen die größeren Kinder in Mannschaften gegeneinander.

Eigentlich ist er Jurist, aber Fußball gefällt ihm besser

Zwei Jungs rennen dem Ball hinterher. Der eine wirft sein Bein nach vorne, versucht den Ball zu treffen, knallt aber volle Pulle gegen das Schienbein des anderen. Der geht zu Boden, hält sich sein Bein und beginnt zu weinen. Der Trainer kommt angeflitzt, hilft dem Jungen hoch, streicht ihm über den Kopf, klopft ihm auf die Schulter. „Willst du dich hinsetzen?“ „Nein“, sagt der Junge, wischt sich die Träne von der Wange, grinst und sagt: „Ich will doch noch ein Tor schießen.“

Juan Swett ist als Trainer eigentlich für die erste Herrenmannschaft zuständig. Doch er hilft auch mal bei den Kleinen aus.

© Foto: Stefanie Herbst

Juan Swett kommt mit einer Gruppe Jungs vorbeigedribbelt. Swett ist einer der Trainer. Blondes Haar, 30 Jahre, er stammt aus Chile. Eigentlich ist er Jurist, aber Fußball gefällt ihm besser, deswegen hat er zusätzlich noch Fußballmanagement studiert, erzählt er. Eigentlich sei er für die erste Herrenmannschaft zuständig, doch diese Woche hilft er bei den Kleinen aus. Selbstverständlich. „Dieser Verein ist toll“, sagt er. „Es geht nicht so sehr ums Geld, natürlich auch um Erfolg, vor allem aber um ein gutes Miteinander. Alle haben ihren Platz, egal woher sie kommen.“ Auf jedem der Vereinstrikots prangt ein „No Racism“-Logo . Aus 40 verschiedenen Nationen stammen die Vereinsmitglieder, 70 wenn man ihre Wurzeln dazu zählt.

„Mittagessen“, ruft Antonia laut über den Platz. Erst kommen die Kleinen herangestürmt. Schnappen sich Teller und Besteck. Antonia gibt aus: Nudeln mit Tomatensauce. Sie ist 27, hat raspelkurzes Haar und ein fröhliches Lachen. Viele der Kinder kennt Antonia beim Namen. Sie fragt sie, wie der Tag gelaufen ist. „Gut“. „Ich habe mich verletzt, aber nicht so schlimm.“ „Ich habe ein Tor geschossen.“ „Die Jungs haben mir nie den Ball abgegeben und mich geärgert.“ Antonia antwortet: „Da sprechen wir nachher nochmal drüber, wenn du das willst.“ Das Mädchen will.

Sie hat selber hier gespielt, jetzt will sie etwas zurückgeben

Antonia trainiert die D-Mädchen-Mannschaft. Sicher zehn Stunden in der Woche ist sie dafür auf dem Platz. „Ich glaube, dass es gut ist, dass es auch Trainerinnen gibt. Als Vorbild, aber auch weil sie noch einmal ein anderes Ohr haben.“ Sie selber hat hier als Kind und Jugendliche gespielt, jetzt will sie etwas zurückgeben. „In so einem Verein lernt man Selbstbewusstsein und hat noch einmal einen anderen Freundeskreis als in der Schule. Das ist wichtig. Gerade, wenn es da nicht so gut läuft.“

Sali und Antonia (r.) geben Nudeln mit Tomatensauce an die Kinder aus.

© Foto: Stefanie Herbst

Eine Vitrine mit kleinen und großen, silbernen und goldenen Pokalen gibt es natürlich auch. Thomas macht sie auf, erklärt. Ein bisschen Stolz ist da schon in seiner Stimme. „Die wenigsten haben wir für Meisterschaften eingeheimst, die allermeisten für unser Engagement“, sagt er, zum Beispiel 2013 den DFB-Integrationspreis. Vor wenigen Tagen ist schon wieder ein Preis dazu gekommen: der Stern des Sports für ihre Nachhaltigkeitsinitiative. Die Bälle sind Fair Trade. Die Trikots sind nachhaltig. Es gibt kein Plastikgeschirr. Das Essen ist regional und vegetarisch.

Vom Nachhaltigkeits-Award bis zum 1. Platz beim Innovationswettbewerb: Die Pokal-Vitrine der FC Internationale ist gut gefüllt.

© Foto: Stefanie Herbst

Gerd Thomas hat schon wieder neue Ideen. Redet er von der Zukunft, sprudelt es aus ihm heraus. Er möchte den Verein gerne mit Unternehmen verbinden, damit die einen vielleicht zu einer Ausbildung und die anderen zu einer Anstellung kommen. Außerdem fände er es super, wenn sie zwei Sozialarbeiter anstellen könnten. Bei 650 Kindern, von denen viele aus nicht so einfachen Verhältnissen kommen, wäre das doch genau das richtige.

Ob er selber noch spielt? Gerd Thomas nickt. „Bei den Ü60-Herren“, sagt er. Das letzte Spiel beim Ü60-Supercup gegen den NSF Gropiusstadt haben sie aber verloren. Immerhin, ganz knapp, beim 9-Meter-Schießen.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
false
showPaywallPiano:
false