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Ausbilder Tobias Kutta (links) erklärt dem Fahrschüler Maik Flemming in der BVG-Fahrschule auf dem BVG-Omnibusbetriebshof in der Müllerstraße die Funktionsweise eines Fahrschulbusses.

© dpa/Jörg Carstensen

Live-Comedy und Verspätungsstress: BVG sucht Bus- und Bahnfahrer für Berlin

In der BVG-Verkehrsakademie in Berlin-Wedding trainieren angehende und erfahrene Busfahrer mit Wasser-Eimer und Cola. Neue Kollegen werden dringend gesucht.

Von Fabian Nitschmann

„Ein Meter 25.“ Tobias Kutta winkt mit einem Augenzwinkern ab, lacht und zieht an seiner Zigarette. Im Bus vor ihm sitzt ein früherer Fahrschüler von ihm am Steuer, der auf dem Betriebshof der Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) im Wedding eine Nachschulung bekommt.

Auf dem Programm heute: einen gelben BVG-Bus, zwölf Tonnen Gewicht ohne Fahrgäste, genau 1,50 Meter neben einem Fahrrad stoppen. Zweiter Versuch: 1,90 Meter. Die Aufgabe sieht nur von außen leicht aus.

Auf dem Betriebshof an der Müllerstraße bildet die BVG alle Mitarbeiter aus, „die im weitesten Sinne am Lenkrad drehen“, sagt Katrin Kern. Sie leitet hier die Verkehrsakademie, an der jedes Jahr rund 430 Menschen zu Busfahrern ausgebildet werden sollen. Das Problem: Der Fachkräftemangel trifft auch die Verkehrsunternehmen. Dass der öffentliche Nahverkehr eine entscheidende Rolle bei der Mobilitätswende einnehmen soll, ja muss, ändert daran nichts. „Zu Monatsbeginn ist ein Kurs mit 30 Teilnehmern gestartet – statt mit 48“, sagt Kern.

Der Omnibusfahrer ist bei uns eigentlich ein Filialleiter.

Tobias  Kutta, Ausbilder bei der BVG

Sich stundenlang mit einem meterlangen Gefährt durch den Stadtverkehr kämpfen, auch am frühen Morgen, am späten Abend oder gar sonntags ans Lenkrad müssen – das schreckt offensichtlich viele Menschen ab. „Für diese Tätigkeit muss man sich berufen fühlen, da muss man ein Herz für haben“, sagt Kutta, der ebenso wie Kern jahrelang selbst im Fahrdienst unterwegs war. Inzwischen ist er Leiter der Fahrschule, bei der BVG arbeitet er nach eigener Aussage seit Jahrzehnten. Und man merkt: Kutta, Typ Anpacker, Typ alte Schule, macht das gerne.

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„Der Omnibusfahrer ist bei uns eigentlich ein Filialleiter“, schwärmt er. „Der fährt, macht Beratung, verkauft Tickets, ein bisschen Buchhaltung. Er ist für die Sicherheit zuständig und auch fürs Notfall-Management.“ Wenn man nur fahren wolle, müsse man sich beim Güterverkehr melden. „Fahrer von Reisebussen finden es oft komisch bei uns, wenn sie alle 20 Minuten eine andere Gruppe im Bus haben. Die wollen dann ihre feste Reisegruppe zurück.“

Tobias Kutta und Katrin Kern von der BVG-Fahrschule vor einem Fahrschulbus auf dem BVG-Omnibusbetriebshof in der Müllerstraße.

© dpa/Jörg Carstensen

Egal ob Güter- oder Personenverkehr, Reisegruppe oder ÖPNV-Alltag: Die Verkehrsunternehmen in Deutschland haben große Probleme, genügend Bus- und Bahnfahrer zu finden. Mindestens die Hälfte der Unternehmen haben im vergangenen Jahr ihren Betrieb wegen Personalmangels zeitweise eingeschränkt – zu diesem Ergebnis kommt eine Branchenumfrage des Verbands deutscher Verkehrsunternehmen (VDV), die der Nachrichtenagentur dpa vorliegt. „Vielleicht waren es sogar noch mehr, ich kenne jedenfalls fast niemanden in der Branche, der nicht zum Beispiel mal zeitweise eine Linie einstellen musste“, sagt Harald Kraus, Vorsitzender des VDV-Personalausschusses und zugleich Arbeitsdirektor bei den Dortmunder Stadtwerken.

77 Prozent der befragten Unternehmen gaben an, dass sie im Fahrdienst bis 2030 mit einem höheren Personalbedarf rechnen. Gleichzeitig werden sie der Umfrage zufolge in genau diesem Bereich bis 2030 die meisten Abgänge verzeichnen. Auch die BVG kann derzeit nicht alle Busfahrten wie ursprünglich geplant anbieten. Seit August ist das Angebot auf mehr als 30 Linien eingeschränkt, was längere Taktungen zur Folge hat. Ein Ende der Einschränkungen hat das Unternehmen bisher nicht bekannt gegeben.

30
Linien der BVG sind derzeit wegen Mitarbeitermangels ausgedünnt.

Zurück auf dem Betriebshof: Die Stimmung unter den langjährigen Fahrern bei ihrer Nachschulung ist gut, bei den Parkversuchen wird viel gelacht. Tobias Kutta erzählt derweil von Bremsübungen, bei denen ein Eimer voll Wasser in den leeren Bus gestellt wird oder eine Cola-Flasche – der Spaß soll nie zu kurz kommen, gleichzeitig ist Feingefühl an der Bremse wichtig. Die Fahrgäste werden dafür dankbar sein.

Wer bei der BVG ohne Busführerschein anfängt, muss zunächst 28 Tage Theorie und 28 Tage Fahrpraxis ableisten, danach folgen einige Tage mit Tarif- und Streckenschulung, auch der Umgang mit Alltagssituationen im Bus wird thematisiert. Anschließend geht es für 12 bis 18 Tage für Lehrfahrten auf die Straßen Berlins. Das Einstiegsgehalt für den sogenannten Busfahrer zur Qualifikation liegt in Berlin bei 2542 Euro brutto, nach der Qualifizierung gibt es etwas mehr. 

„Es ist eigentlich ein schöner Job als Fahrer. Man ist am Puls der Zeit. Man sieht, wo Gebäude entstehen, man erlebt jede Jahreszeit“, sagt Akademie-Leiterin Kern. Sie habe die Jahre als Fahrerin stets genossen und ein großes Vertrauen des Unternehmens wahrgenommen. Es gebe viele Freiheiten im Fahrdienst, das sei manchmal Live-Comedy, erzählt Kutta.

Dass sich der Job ab und zu auch stressig anfühlen kann, verschweigen die beiden aber nicht. „Zwei bis drei Minuten kann man aufholen, wenn man die Linie gut kennt. Ab fünf Minuten denk ich da nicht mehr drüber nach“, sagt Kutta über Verspätungen. Neulingen falle es dagegen nicht immer leicht, einfach über die Verspätungsanzeige hinwegzusehen. Doch das Motto bei der Fahrerausbildung sei klar, sagt Kutta: „Sicherheit geht vor Fahrzeit. Alles andere ist egal.“

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