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Spielende Schulkinder mit Corona-Masken.

© Doris Spiekermann-Klaas

Frühjahrsschulen in Berlin: Wie Ferienkurse Kindern helfen sollen, Defizite aufzuholen

Auch in diesen Ferien gibt es Angebote, Lernlücken aus dem Homeschooling zu schließen. Doch sie reichen nicht, sagen Schulleiter.

Von Louise Otterbein

Das Fenster zum Schulhof steht offen, die Schüler:innen sitzen mit weitem Abstand an ihren Tischen und betrachten ein Wimmelbild. Es zeigt einen Bauernhof. Sie tauschen sich darüber aus, was sie sehen und fantasieren, was die Schweine und Pferde auf dem Bild wohl essen könnten. Alle Kinder tragen Mund-Nase-Schutz. Es könnte ein ganz normaler Schultag sein, doch so normal ist er nicht. Denn seit einigen Tagen sind Frühjahrsferien in Berlin. Die Erst- und Zweitklässer der Moabiter Grundschule sind hier, weil sie an der Ferienschule teilnehmen.

Schon seit vielen Monaten läuft der Schulbetrieb coronabedingt nur eingeschränkt und nicht jede:r Schüler:in lernt zu Hause unter Bedingungen, die das Schritt halten ermöglichen. Deswegen werden an insgesamt 129 Grundschulen und 89 weiterführenden Schulen in Berlin seit dem letzten Sommer Ferienkurse angeboten. Den insgesamt Kindern und Jugendlichen soll damit die Chance gegeben werden, Defizite aufzuholen.

Das Angebot der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie gilt sowohl für Zweitklässler – in einigen Fällen auch Erstklässler – als auch für Schüler:innen der neunten und zehnten Klassen. Bei freien Kapazitäten haben auch Acht- und Neuntklässlerinnen die Möglichkeit an dem Programm teilzunehmen. Träger ist die Technische Jugendfreizeit- und Bildungsgesellschaft (tjfbg). An der Moabiter Grundschule in der Paulstraße werden insgesamt 30 Schüler in drei Gruppen über die zwei Wochen Ferien unterrichtet.

Maxi Werth ist eine der Lehrenden, die an der Grundschule drei Stunden am Tag unterrichtet. Sie ist Lehramtsstudentin im fünften Semester und ist das erste Mal bei der Ferienschule dabei. Die Tage will sie nutzen, um die zehn Kinder zum Sprechen, Schreiben und Fantasieren zu animieren. Es gehe ihr zuallererst um den mündlichen Sprachgebrauch – die Kinder in den ersten Schuljahren zum Sprechen und ersten Schreiben anzuregen und zu motivieren. Mathe wird ebenfalls unterrichtet. „Mir ist es wichtig, dass die Kinder Freude haben, es sind ja schließlich Ferien“, sagt Werth. „Sie sollen das Gefühl haben, dass sie lernen dürfen und dass es kein Muss ist.“

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Einen ähnlichen Ansatz hat auch Bernd Schlarmann. Der Förderlehrer übernimmt die zwei anderen Gruppen an der Moabiter Grundschule. In der Aula der Schule turnt er mit den Kindern über die Bühne – sie sind sichtlich begeistert. Er hat ihnen die Janosch-Geschichte Riesenparty beim kleinen Tiger vorgelesen – nun hat jedes Kind eine Rolle bekommen. Von der Bühne wiehert, muht und miaut es. „Ich bin der Löwe, roar“, ruft ein Junge durch seine Maske und reißt die Arme in die Luft. „Die Kinder haben in den letzten Monaten viel Zeit zu Hause verbracht“, sagt Schlarmann. Deswegen will er, dass sie sich in den zwei Wochen viel bewegen und sprechen können. „Die meisten Schüler und Schülerinnen haben nicht Deutsch als Muttersprache. Deswegen geht es hier viel um Sprachgebrauch und -erwerb.“ Er achte auf die Einhaltung der Hygienebestimmungen, auch beim Theater spielen mit den Kindern – doch es mache vieles schwerer.

Lehrerin Maxi Werth nutzt den Unterricht, um mit Sprachspielen und Wimmelbildern die Fantasie der Kinder anzuregen.
Lehrerin Maxi Werth nutzt den Unterricht, um mit Sprachspielen und Wimmelbildern die Fantasie der Kinder anzuregen.

© Doris Spiekermann-Klaas

Ausgewählt würden die Schüler:innen durch die Lehrkräfte in Abstimmung mit den jeweiligen Eltern. Für die Frühjahrsschule und Grund- und weiterführenden Schulen seien insgesamt 400 Lerngruppen für bis zu 4000 Kinder und Jugendliche vorgesehen. Das Angebot richtet sich an Schüler:innen, die von der Zahlung des Eigenanteils bei Lernmitteln befreit sowie Anspruchsberechtigte nach dem Bildungs- und Teilhabegesetz (LmB/BuT) sind. Das Budget für die Ferienschule wurde im Vergleich zum Angebot in den Winterferien leicht erhöht. Es stehen in diesem Frühling insgesamt 765.900 Euro zur Verfügung, rund 100.000 mehr als im Winter.

Ilona Vogt ist stellvertretende Schulleiterin an der Moabiter Grundschule. Sie freut sich, den Eltern und Kindern das Angebot zu machen. „Es kommt wirklich gut an, auch bei den Kindern. Die meisten freuen sich ein paar Tage hier zu spielen und zu lernen.“ Im Vorfeld hätten die Lehrkräfte ihr gesagt, welche Defizite es bei den Kindern gebe. Diesem Bedarf habe sie zusammen mit den Ferienlehrer:innen das Programm angepasst. Sie bedauert das Angebot nur Erst- und Zweitklässlern machen zu können. „Es reicht nicht, nur den Jüngsten diese Möglichkeit zu bieten“, sagt sie. „Eigentlich bräuchten alle Kinder diese Förderung.“

Die Allerkleinsten hätten bisher noch keine normale Schulzeit erlebt

Dieser Meinung ist auch Astrid-Sabine Busse, Vorsitzende des Interessenverband Berliner Schulleitungen (IBS). Trotzdem sieht sie die Schwierigkeiten das umzusetzen. „Es wäre schön, wenn es für alle möglich wäre. Doch das ist von den Kapazitäten her sicherlich nicht zu schaffen“, sagt sie. Die größten Defizite würden bei den Allerkleinsten auftreten. Diese hätten bisher noch keine normale Schulzeit erlebt. Unter solchen Umständen mit dem Lernen von Lesen und Schreiben zu beginnen, sei mehr als ungünstig – sowohl für die Kinder als auch für die Eltern. Trotzdem müsse man das Angebot für mehr Schüler ausweiten.

Doch die Ferienschulen seien nicht genug. „Es ist besser als nichts, aber dass die Kinder nicht von ihren üblichen Lehrer:innen unterrichtet werden, ist nicht optimal“, sagt Busse. „Ich wünsche mir generell mehr Flexibilität für die Schulen um selbst Lernunterstützer:innen einzukaufen, die in der regulären Schulzeit parallel helfen.“ Man müsse mehrgleisig fahren, um die Kinder richtig zu unterstützen.

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Dem stimmt auch der Vizevorsitzende der Vereinigung der Sekundarschulleitungen (BISSS), Sven Zimmerschied, zu. Er ist Schuldirektor an der Friedensburg Oberschule in Charlottenburg und bedauert, seine Siebt- und Achtklässler nicht zur Ferienschule haben anmelden zu können. „Die Plätze für die Frühjahrsschule reichten nur für die neunten Klassen, drei Gruppen mit Zehntklässlern waren bereits nicht mehr möglich.

Dann eine Auswahl zu treffen, welcher Schüler und welche Schülerin die Förderung am dringendsten braucht, ist schwierig.“ Auch er spricht sich dafür aus, parallel zum regulären Schulbetrieb mehr Förderprogramme anzubieten – auch in Hinblick auf die Zeit nach der Pandemie, es sei viel aufzuholen.

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