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Ermittelt wird gegen alle 62 Beteiligten der beiden Polizei-Chatgruppen.

© picture alliance / Tim Brakemeie

Update

Fremdenfeindliche Inhalte in Gruppenchats: Staatsschutz ermittelt gegen 62 Polizeibeamte in Berlin

Einige Polizisten sollen in Chats potenziell Strafbares geteilt, andere geschwiegen haben. Ursprung der Ermittlungen ist ein Beamter mit Kontakten ins rechtsextreme Milieu.

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Es fing mit vier Berliner Polizisten in der Chatgruppe „Eierköppe“ an, einer davon war in der AfD und verbandelt mit dem bekannten Neuköllner Neonazi Tilo P. Eineinhalb Jahre nach dem Auffliegen der Truppe zeigt sich: Das Ausmaß ist in der Berliner Polizei offenbar noch viel größer. Der Staatsschutz des Landeskriminalamtes ermittelt jetzt gegen 62 Beamte wegen zwei weiterer polizeiinterner Gruppenchats. Dort sollen potenziell strafbare und disziplinarwürdige Inhalte geteilt worden sein. Das teilte die Polizei Berlin am Freitag mit.

In den Chats wurden nach Tagesspiegel-Informationen Bilder mit rechter Propaganda und fremdenfeindliche Sprüche geteilt. Den Angaben nach waren die Chats bei der Auswertung von Beweismitteln aufgetaucht, die der Staatsschutz im Rahmen von vorherigen Ermittlungen beschlagnahmt hatte – nämlich bei den „Eierköppen“.

Die im vergangenen Jahr gegründete Ermittlungsgruppe (EG) „Zentral“ des Polizeilichen Staatsschutzes am Landeskriminalamt habe daraufhin Ermittlungen gegen alle 62 Beteiligten der Chatgruppen eingeleitet, allesamt sollen nach Informationen des Tagesspiegel Beamte sein. Wie eine Polizeisprecherin dem Tagesspiegel sagte, hatten sich die Chats nicht auf polizeieigenen IT-Systemen sondern öffentlichen Chatplattformen abgespielt.

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Erste Untersuchungen hätten ergeben, dass die Nachrichten, Bilder und Karikaturen zwar inhaltlich nicht strafbar seien, aber Verstöße gegen die Beamtenvorschriften und Dienstverfahren nach sich ziehen könnten, erklärte eine Polizeisprecherin der Deutschen Presseagentur (DPA). Allen Polizisten müsse klar sein, dass sie in solchen Chatgruppen auch nicht Mitglied sein dürften.

„Die Rollen der beteiligten Dienstkräfte sind dabei unterschiedlich und reichen von aktivem Tun bis zum Dulden entsprechender Inhalte“, heißt es in der Mitteilung. Einzelne Polizisten seien der Sprecherin zufolge bereits versetzt worden, für alle Beteiligten würden Maßnahmen geprüft. Um welche Maßnahmen es sich genau handelt, teilte die Polizei nicht mit.

„Die Achtung der Menschenwürde sowie die Verfassungstreue sind Grundfeste unseres Berufs“, teilte Polizeipräsidentin Barbara Slowik mit. „Dienstliches und außerdienstliches Verhalten von Polizistinnen und Polizisten darf keinen Zweifel daran aufkommen lassen.“

Bei 62 betroffenen Polizisten lässt sich nicht mit bedauerlichen Einzelfällen argumentieren.

 Vasili Franco, Innenexperte der Grünen

Die Ermittlungsgruppe „Zentral“ gehe daher nicht nur politisch motiviertem strafbaren Handeln von Polizeikräften nach. Die EG „Zentral“ prüfe auch Sachverhalte unterhalb der Strafbarkeitsschwelle im Hinblick auf arbeits- oder dienstrechtliche Verstöße, die mit der Rolle und dem Selbstverständnis der Polizei Berlin nicht vereinbar sind, erklärte Slowik weiter.

„Bei 62 betroffenen Polizisten lässt sich nicht mit bedauerlichen Einzelfällen argumentieren“, erklärte Grünen-Innenexperte Vasili Franco. „Als Beamter in Uniform trägt man eine besondere Verantwortung, das gilt auch bei der internen Kommunikation oder im Netz.“ Vorfälle wie dieser beschädigten das Vertrauen in die gesamte Polizei. „Umso wichtiger ist es, hier klare Grenzen zu ziehen.“ Laut Franco waren die Mitglieder des Innenausschusses bisher nicht über die Ermittlungen informiert worden. Dies sei „kein guter Stil“. Die Aufklärung dürfe nicht ins nächste Jahr verschleppt werden, forderte der Grünen-Politiker.

Ermittlungen wegen Geheimnisverrats führten zu rechter Chatgruppe

Die Beweismittel, auf denen die beiden Chatgruppen entdeckt wurden, waren im Juli 2021 bei der Durchsuchung von Wohnungen, Aufenthaltsorten und Dienstanschriften von vier Polizeibeamten der „Eierköppe“-Gruppe beschlagnahmt worden.

Wegen des Anfangsverdachts der Volksverhetzung und des Verwendens von verfassungsfeindlichen Symbolen hatte die EG „Zentral“ damals gegen die Beamten ermittelt. Ihnen wurde vorgeworfen, in einer Chatgruppe mit zwölf Teilnehmern Nachrichten mit menschenverachtenden Inhalten versandt zu haben.

Hervorgegangen waren diese Durchsuchungen aus einem gesondert geführten Verfahren wegen Geheimnisverrats. Bei der Auswertung von beschlagnahmten Handys waren die Ermittler auf die Chatgruppe gestoßen. Auslöser waren die von der Polizei durchsuchten Daten des Neuköllner Neonazis Tilo P., einem der Hauptverdächtigen im Neukölln-Komplex, der am Donnerstag vom Vorwurf der Brandstiftung freigesprochen wurde.

Im Zentrum des Verfahrens steht der Polizist Detlef M., einst Wachleiter in Treptow-Köpenick und bei der AfD aktiv. M. ist wegen Geheimnisverrats angeklagt, der Prozesstermin ist offen. Wie der Tagesspiegel erfuhr, sollen M. und andere „Eierköppe“ auch Mitglieder in den nun aufgedeckten Chatgruppen gewesen sein.

Die EG „Zentral“ untersucht seit April 2021 Verbindungen von Polizisten zu rechtsextremistischen Kreisen und Straftaten. Im ersten Halbjahr 2022 liefen bei der Berliner Polizei 64 Disziplinarverfahren wegen Dienstvergehen mit politischer Motivation. Mehr als 60 Polizisten und Polizistinnen standen wegen rassistischen oder rechtsextremistischen Fehlverhaltens und entsprechender Äußerungen im Verdacht. Bei der Berliner Polizei arbeiten insgesamt knapp 27.000 Polizeibeamte und Angestellte.

In den vergangenen Jahren waren mehrere problematische Vorfälle bekannt geworden, darunter im Oktober 2020 eine Chatgruppe von Polizeischülern mit 26 Mitgliedern, die laut Staatsanwaltschaft Nachrichten mit rassistischen Inhalten oder Hakenkreuzen austauschten. (mit dpa)

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