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Endstation. Diese S2 nach Buch verfällt am Prellbock des Bahnhofs Mellensee, südlich von Zossen. Erinnern Sie sich noch an Ihre letzte Fahrt mit dieser alten Baureihe?Liebe Leserinnen, liebe Leser: Senden Sie Ihre Berliner Seitenblicke an leserbilder@tagesspiegel.de!

© Michael Tobaben

Foto-Chronologie: Mit Berlins S-Bahn durch die Zeit

Cola-Dosen, Toaster, Taucherbrillen. Es gibt viele Namen für Berlins S-Bahnen. Die erste Generation fuhr 70 Jahre, die jüngste wird gerade getestet.

Ein frühes Bild der städtischen Zugverbindungen hat uns Heinrich Zille überliefert. Vor dem Fenster seiner Charlottenburger Wohnung fuhren 1893 zwei Züge auf der Ringbahn aneinander vorbei. Dampfschwaden, Gemüsebeete, Hemden auf Wäscheleinen - viel mehr ist nicht zu sehen auf seinen Aufnahmen der sandigen Ödnis, die bald zur Stadt werden sollte. Gleich auf vier Gleisen kreisten die Vorortzüge seit 1877 weit um die Stadt herum.

Auch die Stadtbahn, die seit 1882 vom Bahnhof Charlottenburg bis zum heutigen Ostbahnhof quer durch die Stadt führt, geriet vor Zilles Linse: 1892 passierte ein Dampfzug auf dem Viadukt gerade die Rote Burg, so hieß damals das Königliche Polizeipräsidium zwischen Alexanderstraße und der späteren Dircksenstraße. Die kleinen Tenderlokomotiven der Preußischen Eisenbahn prägten noch lange den aufstrebenden Zugverkehr der Stadt.

Berlin als Vorbild für effektiven Nahverkehr

Gegen Ende des Jahrhunderts gab es in der Stadt und um sie herum bereits 114 Bahnhöfe, zwischen denen 412 Kilometer Schienen verlegt wurden. Mit Eröffnung des Nord-Süd-Tunnels 1939 war das Berliner Siedlungsgebiet für damalige Verhältnisse hervorragend erschlossen.

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Ab der Jahrhundertwende wurde langsam deutlich, dass die Dampfloks nicht für immer durch die Quartiere der wachsenden Stadt dampfen konnten. Die Vorteile der Elektrifizierung lagen auf der Hand: Weniger Rauch und Russ, schnellere und leisere Züge, leichtere Wartung. Doch es sollte noch eine Weile des Experimentierens vergehen, bis sich die E-Modelle unter den Zügen im Stadtverkehr durchsetzten.

1930 wurde "S-Bahn" offiziell

Die ersten S-Bahnen, so wie wir sie heute kennen, fuhren ab 1928 durch die Stadt, nachdem in kurzer Zeit immer mehr Gleise mit einer Gleichstromschiene ausgerüstet worden waren. Der rot-gelbe Urtyp von 1928 ist vielen Berlinern noch bekannt, denn die letzten Züge der Bauart "Stadtbahn" wurden erst knapp 70 Jahre später in Museen gebracht, verschrottet oder irgendwo abgestellt (s.u.). Bis zu acht gleichlange Wagen wurden gekoppelt, wobei jeweils zwei eine technische Einheit bilden (Viertelzug). Alle moderneren Verwandten, von denen viele bis heute durch die Stadt fahren, nahmen Bezug auf diesen Bauplan.

Der Begriff S-Bahn wurde erst 1930 in Berlin offiziell. Wofür die Abkürzung steht, ist nicht ganz sicher: Vermutlich für die Stadtschnellbahn.

Heinrich Zilles Foto des Stadtbahn-Viadukts 1892.

Der Blick aus Heinrich Zilles Wohnung an der Sophie-Charlotten-Straße in Charlottenburg, 1893.

Siedlungsverbinder. Die Ringbahn auf einem Plan von 1877.

S-Bahn-Vorläufer. Ein elektrischer Triebwagen im Versuchsbetrieb, 1903.

Mit diesem 96 Jahre alten Modell "Bernau" begann der elektrische Betrieb bei der S-Bahn. Lange verfiel der alte Triebwagen auf einer Bahnanlage nahe dem Bahnhof Grunewald, bis er 2019 zum Technikmuseum gebracht wurde.

Urtyp aller S-Bahnen (ET 165). Von keiner Serie wurden mehr Exemplare gebaut. Hier noch im ursprünglichen Zustand auf einer Sonderfahrt, 1987.

Erst 1997 verschwanden die letzten der alten Züge von Berliner Gleisen.

S-Bahn am Ostkreuz, 1967. Das bis 1944 gebaute Nachfolgemodell (ET 167) war sogar noch bis 2003 im Einsatz.

Am Bahnhof Plänterwald

Bis zur Jahrtausendwende war dieser von der Reichsbahn in Schöneweide modernisierte Urtyp im Einsatz.

Kennen Sie noch die Holzklasse? Ein Bild aus dem Herbst 1988 auf der Stadtbahn, wo ein von der BVG betriebener Zug unterwegs war.

Die durchgehende Bank ganz hinten. Hier ließen sich Fahrräder anlehnen, wenn keine Fahrgäste im Weg waren.

Lässig an der offenen Tür stehen, sich den Wind um den Kopf wehen lassen und am Bahnsteig aus dem fahrenden Zug springen. Das hatte 1974 im Westen der Stadt kaum jemanden gestört und wurde noch nicht von der Technik verhindert.

Alte Wagen, aufgepolsterte Sitze. Ein fast leerer Waggon im Westnetz, 1984.

Foto: Ub12vow (CC: BY-SA 3.0)
Foto: Ub12vow (CC: BY-SA 3.0)

© Ub12vow

Ein BVG-Zug der S3 am Bahnhof Wannsee, Juni 1984.

Foto: Ub12vow (CC: BY-SA 3.0)
Foto: Ub12vow (CC: BY-SA 3.0)

© Ub12vow

14. November 1989. Kurz nach dem Mauerfall gab es auch schon eine kleine Wiedervereinigung auf der Schiene, wie dieses Foto dokumentiert. Am Bahnhof Zoo verkehrte ein gemischter Zug von BVG und Reichsbahn. Da beide Teile älter waren als die Teilung, ließen sie sich koppeln.

Foto: Roehrensee (CC: BY-SA 3.0)
Foto: Roehrensee (CC: BY-SA 3.0)

© roehrensee

Endstation am Bahnhof Mellensee.

Abgestellt und vergessen am Walburger Bahnhof

Foto: Christopher Wiegand (CC: BY-ND 2.0)
Foto: Christopher Wiegand (CC: BY-ND 2.0)

© Christopher Wiegand

Modell "Toaster". In den Jahren der Teilung ging auch die Entwicklung der S-Bahnen getrennte Wege. Ab 1984 war die BVG für das Westnetz zuständig. In diese Zeit fiel auch der Auftrag für die Baureihe 480, das sind die Züge mit den trapezförmigen Scheiben an der kantigen Front. Warum der Spitzname Toaster auftauchte, ist nicht ganz sicher. Vielleicht, weil das Aussehen an einen alten Siemens-Toaster erinnert. Möglicherweise auch wegen mehrerer Brände, die durch defekte Heizungen ausgelöst wurden.

"Unsere Coladose" schreibt die Bahn über diesen Zugtyp (485), der ursprünglich rot lackiert war und noch von der Reichsbahn in Auftrag gegeben wurde. Die Bahn ließ die Ost-Züge nach der Jahrtausendwende schrittweise ausmustern. Zum Glück waren noch nicht alle Waggons verschrottet, als 2009 die große S-Bahn-Krise ausbrach und das Eisenbahnbundesamt einen großen Teil der desaströs gewarteten Flotte stilllegen ließ. Die verbliebenen alten Züge mit der mittig geteilten Frontscheibe konnten reaktiviert werden und fahren bis heute durch die Stadt.

Foto: Ewan Munro (CC: BY-SA 2.0)
Foto: Ewan Munro (CC: BY-SA 2.0)

© Ewan Munro

Modell Taucherbrille. Die weitaus meisten Züge im Bestand der S-Bahn im Jahr 2020 fahren mit der geschwungenen Frontscheibe im Bahnhof ein, die der Serie auch ihren Spitznamen einbrachte. An Problemen mit dieser jüngsten, bis zum Jahr 2004 ausgelieferten Baureihe entzündete sich das Desaster um ausgebliebene Wartungen.

Kommen und gehen. Letzte Linienfahrt für einen 70 Jahre alten Zug im Jahr 2000, während nebenan der Nachfolger wartete.

S-Bahn-Surfer stiegen früher während der Fahrt aus Fenstern oder kletterten durch offene Türen aufs Dach. Ganz verschwunden ist das Phänonem auch bei elektronisch gesicherten Türen und geschlossenen Fenstern nicht, wie diese Aufnahme vom Bahnhof Neukölln zeigt. Für den lebensgefährlichen Ritt sind die Jugendlichen an einer geeigneten Stelle von außen auf den Zug geklettert.

Torwart-Tor beim Ringbahn-Kickern. Berlins S-Bahnen sind breit genug für Kinderwagen und Kickertische.

Die Berliner nehmen's gelassen: Ein Pony in der S-Bahn.

So sieht die Zukunft aus: Die jüngsten Züge der Serie 483/484 sind bislang nur im nächtlichen Probebetrieb zu sehen. Erst ab Januar 2021 sollen die ersten der neuen Bahnen in den regulären Betrieb aufgenommen werden.

Test in der Kältekammer in Wien. Bei minus 25 Grad soll noch alles funktionieren.

Den ersten Spitznamen hat der Neue schon weg: "Rasendes iPad" nannte S-Bahnchef Peter Buchner den Zug wegen seiner platten Schnauze.

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