zum Hauptinhalt
Berliner von nebenan.

© Florian Reischauer

Foto-Ausstellungen in Berlin: Berlins Mitte zwischen Gentrifizierung und Touris

Die Ausstellung „Pieces of Berlin“ in der Galerie Neurotitan zeigt Stadtalltag. Die Fotos scheinen aus der Zeit gefallen – und sind doch aktuell.

Achtzig quadratische Fotografien hängen dicht nebeneinander an den Wänden der Neurotitan Galerie: Menschen alleine, zu zweit, mit Hunden, einem Bollerwagen oder auch einem Fahrrad frontal aufgenommen, dazwischen Landschafts-, Bahnhofs-, Plattenbau- und Straßenaufnahmen aus Berlin.

Unprätentiös sehen sie aus, die Menschen und Motive auf Florian Reischauers Bildern, keine Hipster, keine schönen Altbauhäuser. Alle eint die Rahmung und die Materialität: ein Negativrand, matter Abzug auf PVC-Plane und: die Fotos scheinen aus der Zeit gefallen zu sein. Verträumtes Licht, leichte Unschärfen. Wären nicht hier und da Details erkennbar wie ein modernes Autos oder Gebäude, die vor nicht allzu langer Zeit gebaut worden sind, könnten sie auch Berlin-Aufnahmen aus den siebziger oder achtziger Jahren sein.

„Für mich sind die Fotos schon während sie entstehen immer Erinnerungen“, sagt der Fotograf beim Treffen im Café um die Ecke. Er arbeitet momenthaft und analog: Pro Motiv hat er ein Foto, Inszenierung gibt es bei ihm nicht. Seit 11 Jahren lebt der Oberösterreicher nun in Berlin, zu Beginn fotografierte er, um die Stadt kennenzulernen. Seine Aufnahmen zeigt er auch in einem Blog. „Ich bin froh, dass ich all die Jahre dieses Projekt verfolgt habe und natürlich weiterhin mache, die Fotos sind ja auch ein Stück Zeitdokumentation.“

Über QR-Codes lässt sich etwas über die Protagonisten in der Ausstellung erfahren. Da sind zum Beispiel Marion und Thomas. Sie: herausgewachsene Dauerwelle, 80er-Jahre-Brillenmodell, abgetragene Jeans, braune Laufschuhe. Er: grauer Schnurrbart, wenig Kopfbehaarung, weiße Jeans, Plauze. Eng stehen sie zusammen vor einer Ladentür, ihr linker Arm liegt auf seiner Schulter. Jahrelang betrieben die beiden im Bergmannkiez eine Tischlerei – bis sie diese schließen mussten: „Berlin ist Scheiße! Das bringt kein Spaß mehr / Früher gab's hier alles, das war bunt gemischt: Kriminelle, Reiche, Arme, Studenten, Hausbesetzer und jeder hat auf jeden aufgepasst“, heißt es in dem kurzen Text zu ihnen.

Mieterhöhungen und Lebensqualität in Berlin – Themen, die sich auch durch Florian Reischauers neues Buch „Pieces of Berlin, 2014 – 2018“ ziehen, das ebenfalls ausgestellt ist. In der ganzen Stadt ist er für seine Fotos unterwegs. „Das, was meine Porträtierten beschäftigt, ähnelt sich“, meint der Fotograf, der seine Models direkt auf der Straße anspricht. „Früher waren die Leute offener, heute wollen viele nicht, dass ihre Fotos irgendwo im Internet auftauchen“ – der digitale Wandel lässt grüßen.

So atmosphärisch seine Bilder sind, so ist es – zumindest fast – auch der Ort. Die Neurotitan Galerie liegt in einem der letzten nicht gentrifizierten Hinterhöfe Mittes. Was dort am Hackeschen Markt allerdings auch bedeutet, dass eine Menschengruppe nach der anderen durch die Höfe läuft, um „the authentic atmosphere of East Berlin“ wie es einer der Touristenführer nennt, zu sehen und zu fotografieren – für das ganz eigene Stück Berlin. Davor die dicht befahrene Rosenthaler Straße und eine große Baustelle. Bis vor kurzem stand dort noch eine Seniorenpension. Bald stehen dort Luxuswohnungen.

Pieces of Berlin – Buchpräsentation und Ausstellung, Neurotitan Shop & Gallery im Haus Schwarzenberg, Rosenthaler Straße 39 (Mitte), nur noch bis diesen Sonnabend, täglich 12 bis 20 Uhr, Eintritt frei.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false