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Beim Food Truck gibt es mal Curry, mal Spätzle.

© Sven Darmer

Hirschgulasch für die Obdachlosen: Foodtruck versorgt Bedürftige in Berlin mit Restaurant-Essen

Ein Foodtruck verteilt jeden Abend hochwertiges Essen an Obdachlose. Gekocht wird es in einem Kreuzberger Restaurant. So soll es auch nach dem Lockdown bleiben.

Da schau her, an diesem Abend ist sogar ein Prominenter mitgefahren, nicht schlecht. So was haben sie nicht oft hier unter der Brücke am Ostbahnhof. Also übernimmt Oliver die Vorstellung, kann ja sein, dass nicht jeder hier den ungewöhnlichen Besucher erkennt. 

Oliver, der seinen Nachnamen nicht sagen will, hat die Kapuze seines Pullovers fest über den Kopf gezogen, die Temperatur liegt schließlich am Gefrierpunkt, dann macht er mit den Händen eine einladende Bewegung und verkündet: „Guten Abend meine Damen und Herren, auch David Garrett ist da.“

Na ja, fast. Der hochgewachsene Mann, der aus einem dunklen Lieferwagen steigt, trägt einen kurzen Pferdeschwanz, das schon, aber damit hat sich auch die Ähnlichkeit mit dem Star-Geiger.

Und die Männer und Frauen, die sich jetzt von ihren Matratzen erhoben haben, die interessiert auch mehr, was der Lieferwagen sonst noch zu bieten hat. Eine Klappe, wie sie Imbisswagen haben, ist geöffnet, und aus dem Inneren sagt eine Frau vergnügt: „Heute gibt es Italienisch und Thailändisch.“

Voilà, es ist angerichtet am Obdachlosen-Treff beim Ostbahnhof, auswählen bitte. Lieber Spaghetti Bolognese oder Thailändisches Curry mit Reis? Alles im Angebot, genug da, jeder kann sich satt essen. 

Neun obdachlose Männer und eine Frau greifen zu den gefüllten Plastiktellern, es ist warm, es schmeckt köstlich. Kein Wunder, das Essen wurde ja auch am Nachmittag im Sage-Restaurant in Kreuzberg vorgekocht. Der Foodtruck, der jetzt, 19.30 Uhr an diesem Februartag, am Ostbahnhof steht, hat Wärmeplatten.

Seit 20. Dezember versorgt der Foodtruck Obdachlose

Jeden Abend seit dem 20. Dezember fährt der Foodtruck drei Standorte von Obdachlosen in der Stadt an, rund 80 Portionen Essen verteilen Helfer, Kaffee und Tee natürlich auch. Ein besonderes soziales Projekt zur Hilfe für die Bedürftigsten der Stadt. 

Sascha Disselkamp, Inhaber des Sage-Restaurants, und sein Kumpel Knut Borowski, ein breitschultriger Bühnentechniker, hatten die Idee zum „Foodtruck for the Homeless Berlin“. Es ist ein privates Projekt, keine versteckte Werbung fürs Restaurant, darauf legen Disselkamp und Borkowski großen Wert. 

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Die Küche des Restaurants bietet nur die kulinarische Plattform für die Hilfe. Alles ist freiwillig. „Wir haben 40 Leute, die schnippeln, schälen, kochen oder Essen ausfahren“, sagt Disselkamp.

Am Herd stehen ausgebildete Köche, die aber nicht zum Restaurant gehören. „Mit dem Lockdown hat das Projekt nichts zu tun“, sagt Disselkamp. "Uns geht es ums Helfen. Nächstes Jahr werden wir mit Sicherheit wiederkommen.“

"Wir wollen nicht einfach Essen aus dem Kofferraum verteilen"

Es geht auch darum, Obdachlosen Momente der Würde zu geben. „Wir wollen nicht einfach nur Essen aus dem Kofferraum verteilen“, sagt Disselkamp, „wir wollen auch mit den Menschen sprechen, ihre Sorgen hören, schauen, wie wir helfen können.“

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Borowski ist oft dabei, wenn das Essen verteilt wird. Auch an diesem Abend fragt er nach den Problemen. Er kennt ja viele von denen, die hier hier leben. Benjamin zum Beispiel, ein untersetzter Mann, das Gesicht gezeichnet von vielen kalten Nächten unter freiem Himmel. 

„Benjamin kommt aus Island“, sagt Borowski. Und Benjamin, der genau wie Oliver seinen Nachnamen für sich behalten möchte, fühlt sich wohl. Er streicht seine flachen Hand über den Bauch und sagt grinsend: „Essen sehr sehr gut.“

Es gab auch schon Hirschgulasch mit Kartoffelstampf

Serviert hat das Team schon Hirschgulasch mit Kartoffelstampf und Rotkohl, Pastinaken-Eintopf mit Kartoffeln und Kassler und Käsespätzle mit Speck. „Manchmal“, sagt Disselkamp, „gibt es sogar Sachen, die zwei Tage geschmort haben.“ Den Truck hat ihnen ein Sponsor zur Verfügung gestellt.

Das ganze Projekt lebt von Spenden. „Wir haben einen großen Bekanntenkreis“, sagt Borowski. In den sozialen Medien informieren sie über die Hilfe für die Obdachlosen, inzwischen hat sich der Kreis der Spender erweitert. Sogar eine Einzelspende über 5000 Euro ist eingegangen. [Kontakt über: www.facebook.com/Food-4-Homeless-Berlin]

Die hintere Tür des Trucks ist geöffnet, Bestellungen werden aufgenommen. Neben den Herdplatten ist eine Art Kleiderkammer, hier stapeln sich Hosen, Jacken, Schuhe, sogar Zelte und Schlafsäcke sind verpackt. Eine Helferin notiert individuelle Wünsche. Eine Frau hätte gerne „eine Jacke, eine Hose und wenn es möglich ist, Schuhe“. Die Helferin notiert.

Dem Projekt sind auch viele Kleider gespendet worden

Das Projekt hat inzwischen viel Kleidung gespendet bekommen, Bestellung genügt, zwei Tage später sind die Sachen, soweit vorrätig, da und können im Wagen abgeholt werden. Oliver nimmt seine Bestellung entgegen, eine Hose, eine Jacke. Er lebt seit zwei Jahren auf der Straße, „ein wirklich hartes Leben“, sagt er, vor allem „wenn man älter ist als 50.“

Am vergangenen Donnerstagabend hatte er aber erstmal wieder die Chance, hochwertig zu essen. Im Angebot des Trucks: Kichererbsen-Eintopf mit Kartoffeln und Hackfleisch oder mit Käse überbackene Pasta Bolognese.

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