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Kunst, Kitsch, Krempel: Auf dem 17. Juni findet man fast alles, und man wird als Verkäufer auch fast alles los.

© Kai-Uwe Heinrich

Flohmarkt-Jubiläum an der Straße des 17. Juni: Die Schatzsucher

Der Trödelmarkt an der Straße des 17. Juni wird 40. Sein Gründer Michael Wewerka ist immer noch jedes Wochenende dort. Ein Spaziergang

Von Fatina Keilani

Es ist kühl und nieselt, auf den Pelzmänteln glitzern die Tropfen, Porzellan wird nass, Silber, Bücher, auch Handgewebtes und Kunsthandwerkliches, Neues und Altes. Die Händler decken schnell Plastikplanen über ihre Schätze, aber das ist nicht gut fürs Geschäft, genau wie dieses Wetter. Dabei ist an diesem Wochenende eigentlich Geburtstag. Der Trödelmarkt an der Straße des 17. Juni wird 40, damit ist er der älteste in Berlin. An diesem Sonntag soll es immerhin trocken bleiben; vielleicht kann dann doch noch richtig gefeiert werden. 40 Jahre – und einer war von Anfang an dabei. Michael Wewerka hat den ersten Trödelmarkt Berlins gegründet. Und betreibt ihn heute noch. Jeden Samstag und Sonntag schlendern die Besucher in der Straße des 17. Juni an den 60 Ständen entlang, auf der Suche nach gebrauchten Sachen. Mittlerweile wird auch einiges an neuer Ware dort verkauft. Wewerka ist heute 77 Jahre alt – und hatte schon lange vor der Trödel-Ära ein Faible für gebrauchte Gegenstände. „Es war die Sperrmüllzeit“, erinnert er sich. „Wir haben alles Mögliche gesammelt und in unserem Laden verkauft. Dann erfuhr ich von einem Trödelmarkt in Hannover. Mir schoss sofort die Frage durch den Kopf: Warum gibt es das nicht in Berlin?“ Ein Jahr später, 1974, wurden die ersten Stände am Sophie-Charlotte-Platz aufgebaut. So lange habe es gedauert, bis er die Genehmigung erhalten habe. 50 Stände waren es, fast so viele wie heute. „Wir haben ja auch viel Werbung gemacht. Es war eine Attraktion“, sagt Wewerka. Der erste Gegenstand, den er verkauft hat? Daran kann er sich nicht mehr erinnern. Er weiß aber noch, dass er immer wieder überrascht war, was sich alles verkaufen ließ. „Manchmal hatte ich nur einen alten Hut oder ein Glas dabei. Das wirst du nie los!, sagte ich mir. Und dann waren es die Dinge, die als Erstes weggingen.“

40 Jahre Trödelmarkt – und eigentlich hat sich nichts verändert. „Die Menschen kaufen immer noch das Gleiche wie früher: Bücher, Vinylplatten, Kunst, Möbel, Porzellan.“ Geändert hat sich nur eines: Wewerka verkauft selbst nicht mehr. Viel lieber spaziert er über den Markt, schaut sich nach möglichen Schätzen um. Sein liebstes Stück sei eine Arbeit des Malers Wolf Vostell, erzählt er. Die hänge jetzt bei ihm zu Hause. „Dafür musste ich lange verhandeln.“ Das gehöre nun mal dazu. „Du darfst nie den ersten Preis akzeptieren!“

Jedes Wochenende geht Wewerka über seinen Trödelmarkt. Wer häufiger hier ist, kennt ihn bereits. Er steht gerne am Eingang und begrüßt die Leute, dann folgt sein täglicher Rundgang. „Ganz früh am Morgen kommen die Antiquitätenhändler. Sie suchen neue Stücke für ihre Geschäfte“, erzählt er. Später am Tag bilde sich dann eine bunte Mischung aus Touristen, Berlinern, Jungen, Alten. Es wabert Frittendunst aus Imbisswagen, es gibt Currywurst, Pommes – aber nirgends ein Espressomobil oder das angesagte Street Food. Der hippste Flohmarkt ist dieser hier nicht – aber für alle, die nach Schätzen fahnden, ist er genau richtig. „Es gibt die, die gezielt suchen, und die, die nur spazieren gehen, die Stimmung genießen wollen. Doch am Ende kaufen sie alle etwas.“ Wewerka kennt die Geschichten: „Einmal hat jemand einen Ring mit Stein ergattert. Es stellte sich heraus, dass es ein Brillant war.“

Wewerka beobachtet oft, wie junge Menschen ihre gerade erstandenen Möbel nach Hause tragen. Die Wohnung mit gebrauchten Gegenständen einrichten – etwa ein neuer Trend? „Ganz klar“, sagt Wewerka. „Es ist doch auch ein Lebensstil, alte Dinge wiederzuverwenden.“ Das sei das Tolle am Trödeln. „Jeder muss nur zu Hause gucken, was so herumsteht und nicht gebraucht wird und schon kann er einen Stand aufmachen.“ Und Geld verdienen. Denn das ist es doch, was am Ende dabei herauskommen soll. „Ist doch besser, als zum Arbeitsamt zu gehen“, sagt Wewerka.

Welche geliebten Schätze Tagesspiegel-Redakteure einmal auf dem Flohmarkt erobert haben, lesen Sie hier.

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