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Das Bürohaus „Cube“ am Hauptbahnhof, gläsern und vollgestopft mit Sensoren und IT.

© CA-Immo

Flächen in der Hauptstadt: Wohnungsnot? Berlin erlebt einen Büro-Boom

Das Swissôtel nahe dem Ku’damm schließt – weil Büros sich besser rechnen. In Zukunft werden vielleicht sogar Kaufhäuser den Schreibtischen weichen müssen.

120 Angestellte drohen ihren Job zu verlieren, das Swissôtel schließt. Die Eigentümer des Hauses am Kurfürstendamm Ecke Joachimsthaler Straße bauen um. Büros soll es geben. Vor gerade mal 20 Jahren war der Grundstein für den gedrungenen runden Stahl-Beton-Bau nach Plänen der Hauptbahnhof-Architekten Gerkan Marg und Partner gelegt worden. Jetzt reiben sich alle die Augen, dass sogar gut besuchte Luxushotels Neuem weichen müssen. Aber dafür gibt es Gründe.

„Immer mehr Büronutzer kommen nach Berlin und suchen nach Flächen“, sagt Wolfgang Branoner. Die Seitenstraßen des Kurfürstendamms seien besonders attraktiv. Deshalb sagt der Unternehmensberater voraus: „Wir werden erleben, dass auch Kaufhäuser in Bürohäuser umgewandelt werden.“ Technisch sei das kein Problem, und für Investoren rechneten sich Bürobauten am besten.

Branoner ist einer, der die Begehrlichkeiten von Investoren heute ebenso gut kennt wie zur Jahrtausendwende, als der Bürohaus-Bau in Berlin schon mal boomte. Da war er Senator für Wirtschaft, auch in der Verwaltung für Stadtentwicklung hatte er als Staatssekretär gearbeitet.

Vom Überfluss zum Mangel in zehn Jahren

Dem Senat heute attestiert er ein „Komplettversagen“ in der Stadtentwicklung der vergangenen zehn Jahre: Weil die Wende am Markt nicht erkannt wurde, habe sich Berlin von einer Stadt mit Wohnungen und Büros im Überfluss in einen Ort des Mangels verwandelt.

Wer ein Grundstück mit Baurecht besitze, werde fast schon bedrängt von Käufern. Dass die Entwickler nun auf Büros setzen, sei leicht zu erklären: „Sie sind einfacher und günstiger zu bauen und können leichter in ein Hotel oder ein Pflegeheim umgebaut werden.“

Dass immer weniger Wohnungen entstehen, liege auch am „Berliner Modell“ des Senats, das im Siedlungsbau Investoren vorschreibt, ein Drittel der Fläche für den Sozialen Wohnraum zu nutzen und sich auch sonst an den Kosten für Straßen, Wasser-, Strom-Netze und die übrige Infrastruktur zu beteiligen. „Sehr aufwändig und kompliziert dazu“, nennt Branoner das. „Deshalb ist es aus Investorensicht lukrativer, ein Bürohaus zu bauen.“

Immer mehr Bauherren nutzen die Gunst der Stunde

Beispiele für das Umschwenken gibt es genug, so das frühere Gelände des Tabakkonzerns Reemtsma in Wilmersdorf. Der Bezirk hätte dort gerne Wohnungsbau gesehen. Aber eine Genehmigung für den Bau von Büros und Industrieflächen ist erteilt. Der Markt macht es rentabel. Müsste der Investor alles nochmal auf Start setzen, kostete ihn das drei Jahre Planungszeit. Das lohnt sich nicht.

Beispiel Cuvry-Brache im Stadtteil Kreuzberg. Da wollte der Bauherr den Wunsch des grün regierten Bezirks folgen und Wohnungen statt Gewebebauten bauen. Doch die Verhandlungen über Art und Dichte der Häuser zogen sich hin. Da zog der Investor die Reißleine und baut nun Büro- und Gewerbeflächen. Eine Genehmigung aus früheren Zeiten liegt vor.

Beispiel Knorr-Bremsen-Areal in Marzahn. Hier spaltet der Streit um Wohnungen oder Büros sogar den Senat: Katrin Lompscher (Linke) steht mit der Forderung nach dem Bau von 1500 Wohnungen auf der einen Seite, Wirtschaftssenatorin Ramona Pop (Grüne) auf der anderen. Sie fordert, dass auf den neun Hektar auch künftig Gewerbeflächen entstehen.

Der Streit konnte nicht einmal im neu eingerichteten „Steuerungsausschuss“ des Senats zum Anschieben festgefahrener Bauvorhaben geschlichtet werden. Zweimal kam der Zankapfel auf die Tagesordnung des Gremiums – vergeblich.

Die Beispiele zeigen: Immer mehr Bauherren nutzen die Gunst der Stunde, nämlich die Nachfrage der vom Wachstum der Stadt getragenen Unternehmer, und stellen ihnen Glaspaläste mit neuester Digitaltechnik hin.

Mit „30 Euro und mehr“ beziffern die Manager von CA-Immo die erzielbare Miete pro Quadratmeter in Berlin. Der Konzern baut die Europa-City rund um den Hauptbahnhof und stellt dort den „Cube“ hin, ein Bürohaus vollgestopft mit Sensoren und künstlicher Intelligenz, die sogar eigenständig Licht und Wärme runterdimmt, wenn der Letzte das Gebäude verlässt.

Für zusätzlichen Schub sorgt der liberale Arbeitsmarkt und dessen Bedarf nach „Co-Working-Spaces“, eine Art WG auf Zeit für die digitalen Nomaden. Für Bauherren ist das ein Segen, weil sie dafür mehr Miete als für altbackene Büroflächen erzielen.

Vielleicht ist ja alles miteinander vereinbar?

„Es gibt viele Unternehmen, die expandieren wollen. Wir haben nicht genügend Gewerbeflächen für sie“, sagte Wirtschaftssenatorin Ramona Pop kürzlich. Deshalb müssten bestehende Industrie-Flächen gesichert werden.

Pop hat dafür einen Flächenentwicklungsplan vorgelegt. Berlins Wirtschaft wächst und zwar stärker als deutschen Durchschnitt und das steht auf dem Spiel, wenn Flächen fehlen. Aber auch die Senatorin für Stadtentwicklung Katrin Lompscher (Linke) muss liefern: Die Wohnungsnot wächst und der Senat verfehlt seine Ziele im Neubau.

Trotzdem will sie „Flächenkonkurrenzen“ verhindern und setzt auf Kooperation: „Aktuell werden die Stadtentwicklungspläne Wohnen, Wirtschaft, Zentren und Verkehr in enger Abstimmung aktualisiert.“ Vielleicht sei ja alles miteinander vereinbar: „Läden oder Restaurants oder eine Kita im Erdgeschoss, darüber Arztpraxen, Anwaltskanzleien, Büros, Wohnungen – diese Mischung macht eine Stadt erst urban, nutzt die Flächen optimal, führt zu kurzen Wegen und vermeidet damit unnötigen Verkehr.“

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