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Steuerbetrug ist Betrug an der Gesellschaft. Und auch in Berlin ein Problem.

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Exklusiv

Finanzverwaltung gibt Zahlen bekannt: 96 Jahre Haft für Berliner Steuerhinterzieher

336 Berliner mussten im vergangenen Jahr Geldstrafen von insgesamt 1,66 Millionen Euro zahlen. Das ist deutlich weniger als im Vorjahr.

Von Laura Hofmann

Im Kampf gegen Steuerhinterziehung haben Berliner Gerichte im Jahr 2019 Geldstrafen in Höhe von insgesamt rund 1,66 Millionen Euro verhängt. Das sind eine Million Euro weniger als 2018. Die Zahl der verurteilten Steuerhinterzieher ist mit 336 etwas geringer als im Vorjahr. Damals wurden 379 Berliner wegen Verstößen gegen die Abgabenordnung schuldig gesprochen.

Die Zahlen gehen aus einer Antwort der Senatsfinanzverwaltung auf Anfrage des Linke-Abgeordneten Sebastian Schlüsselburg hervor, die dem Tagesspiegel exklusiv vorliegt.

3420 Steuerstrafverfahren wurden 2019 in Berlin eingeleitet, 3233 abgeschlossen. Das sind zwar mehr als 2018 (3034). In den Jahren zuvor lag die Zahl der abgeschlossenen Strafverfahren aber teilweise deutlich über diesem Wert. Auch die Summe der Haftstrafen ist wesentlich kleiner als im Vorjahr.

2018 wurden noch Haftstrafen von insgesamt 146 Jahren verhängt

2019 mussten Steuerhinterzieher zusammengerechnet 96 Jahre und einen Monat ins Gefängnis. 2018 waren es noch 146 Jahre und 10 Monate, der Spitzenwert der vergangenen 14 Jahre. „Der Kampf gegen Steuerhinterziehung hat in Berlin leider einen deutlichen Rückschlag erlitten“, kommentiert Schlüsselburg, der rechtspolitischer Sprecher seiner Fraktion ist und die Zahlen zur Steuerhinterziehung regelmäßig abfragt.

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Anders sei der Rückgang bei den abgeschlossenen Verfahren, der Summe der Geldauflagen und Geldstrafen sowie der Freiheitsstrafen nicht zu erklären. „Besonders auffällig ist, dass diese Entwicklung auch mit einem deutlichen Rückgang der Selbstanzeigen aufgrund des Ankaufes von Steuer-CDs aus der Schweiz, Luxemburg und Liechtenstein einhergeht“, sagt Schlüsselburg.

Linke-Abgeordneter Sebastian Schlüsselburg fragt die Finanzverwaltung regelmäßig nach Steuersündern in Berlin.
Linke-Abgeordneter Sebastian Schlüsselburg fragt die Finanzverwaltung regelmäßig nach Steuersündern in Berlin.

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Tatsächlich gab es 2019 lediglich 18 Selbstanzeigen im Zusammenhang mit Geldanlagen in der Schweiz, Luxemburg und Liechtenstein. 2018 waren es noch 36. Dass sich in den Vorjahren deutlich mehr Berliner selbst wegen Steuerbetrug angezeigt haben – 2014 waren es 1272, zwei Jahre später noch 154 – ist damit zu erklären, dass Berlin mit anderen Bundesländern und dem Bund von 2010 bis 2012 sogenannte Steuer-CDs gekauft hat, die Informationen über mögliche Steuervergehen Deutscher enthalten. Eine Selbstanzeige hat zumindest strafmildernde Wirkung.

Linken-Abgeordneter fordert Ankauf von neuen Steuerdaten

Doch nun fühlten sich die Steuerbetrüger in Berlin offenbar wieder sicher, sagt Schlüsselburg. „Das muss sich ändern. Steuerbetrug ist kein Kavaliersdelikt, sondern eine Straftat zu Lasten aller“, sagt der Abgeordnete.

Die Finanzverwaltung weist in ihrer Antwort auf seine Anfrage darauf hin, dass sie „aktuell die Bestrebungen verstärkt, gemeinsam mit anderen Stellen vorzugehen und koordinierte, ressortübergreifende Maßnahmen zu ergreifen“. Regelmäßige Treffen und die Einrichtung von Arbeitsgruppen sollen eine Vernetzung fördern.

Schlüsselburg fordert Berlin und den Bund auf, den Ankauf von neuen Steuerdaten offensiver anzugehen und zusätzlich die Identität der Verkäufer analog zu den Zeugenschutzprogrammen zu schützen. „Offensichtlich lässt sich Steuerbetrug leider nur so effektiv bekämpfen.“

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