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Matthias Kollatz (SPD), Senator für Finanzen.

© Gregor Fischer/dpa

Schuldenbremse: Finanzsenator will Berlin per Gesetz zum Sparen zwingen

Die Linke will Geld verteilen, die SPD Schulden abbauen. Und die Grünen? Sie wiesen Matthias Kollatz den Weg zum Kompromiss für ein Gesetz zur Schuldenbremse.

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

Berlin hat immer noch 57,6 Milliarden Euro Schulden, für die im laufenden Jahr rund 1,2 Milliarden Euro Zinsen aus dem Landeshaushalt bezahlt werden müssen. Grund genug, die Schuldenbremse ernst zu nehmen, die im Rahmen der Föderalismusreform 2009 ins Grundgesetz geschrieben wurde. Sie verpflichtet Bund und Länder, ab 2020 nur noch im wirtschaftlichen Abschwung, bei „Naturkatastrophen oder außergewöhnlichen Notsituationen“ Kredite aufzunehmen.

Die meisten Bundesländer haben dafür bereits eigene Regelungen formuliert. Entweder in der jeweiligen Landesverfassung oder als einfaches Landesgesetz. Berlin tat sich damit bisher schwer. Denn das Grundgesetz lässt Ermessensspielräume zu, wie die Länder das grundsätzliche Verbot der Kreditaufnahme politisch und rechtlich gestalten.

Aber jetzt sieht es so aus, als wenn die Regierungsparteien SPD, Linke und Grüne noch gerade rechtzeitig auf einen Nenner kommen. Spätestens am 18. Juni wird Finanzsenator Matthias Kollatz (SPD) den Entwurf für eine Berliner Schuldenbremse vorlegen, der koalitionsintern schon weitgehend abgestimmt wird.

Dem gingen zähe Diskussionen voraus, in denen sich die Finanz- und Schuldenphilosophie der Regierungspartner widerspiegeln. Der sozialdemokratische Finanzsenator hätte gern eine sehr strikte Regelung gehabt, die sich an der Konsolidierungsvereinbarung orientiert, die zwischen dem Bund und dem ehemaligen Haushalts-Notlageland Berlin für die Jahre 2011 bis 2019 abgeschlossen wurde. Im Gegenzug erhielt Berlin in diesem Zeitraum eine Konsolidierungshilfe von jährlich 80 Millionen Euro.

Die Linken hingegen wollen die Neuverschuldung in wirtschaftlich schlechten Zeiten möglichst wenig regulieren – und sie halten wenig davon, die hohen Altschulden zu tilgen. Dem Staat soll möglichst viel Verteilmasse erhalten bleiben.

Der Kompromiss: konjunkturelle Schwankungen herausrechnen

Die Grünen bewegen sich zwischen diesen beiden Polen. Es ist kein Zufall, dass ihnen im Koalitionsstreit um die Schuldenbremse letztlich eine erfolgreiche Vermittlerrolle zufiel. Man einigte sich nun darauf, das vom Bund praktizierte Verfahren in leicht veränderter Form für Berlin zu übernehmen. Im Grundsatz geht es bei dieser Schuldenregelung darum, konjunkturell bedingte Schwankungen bei den Steuereinnahmen herauszurechnen. Nach dieser Operation („Produktionslückenverfahren“) darf der öffentliche Haushalt kein strukturelles Defizit mehr aufweisen.

Ich fände es gut, wenn das Konzept 'die starken Schultern tragen die meiste Last' umgesetzt werden würde. Dann kann man im nächsten Schritt nachsehen, ob eine Schuldenbremse überhaupt nötig ist.

schreibt NutzerIn DerDilettant

Das ist grob vereinfacht erklärt. Hinter der komplexen Finanzmathematik verbergen sich viele politisch brisante Probleme. So wollen die Haushälter von Rot-Rot-Grün beispielsweise vermeiden, dass Berlin auch in wirtschaftlich schlechten Jahren Schulden tilgen muss. Geklärt werden muss auch, in welchem Umfang landeseigene Einrichtungen und Unternehmen eigenständig Schulden aufnehmen dürfen.

Finanzielle Spielräume sollen erlaubt sein, aber keine unkontrollierbaren Schattenhaushalte. Und über allem schwebt die Frage: Ist ein strukturell ausgeglichener (also von Konjunktureinflüssen bereinigter) öffentlicher Haushalt sinnvoll? Die Linken und manche Wirtschaftswissenschaftler bezweifeln den Sinn der „schwarzen Null“.

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Christian Amsinck, Hauptgeschäftsführer der Unternehmensverbände Berlin-Brandenburg (UVB) ist aber davon überzeugt. Das Prinzip „keine neue Nettokreditaufnahme“ müsse für den Berliner Senat ein verbindliches Ziel in der Haushaltspolitik bleiben. „Noch wirken die steigenden Einwohnerzahlen und die niedrigen Zinsen stabilisierend in Zeiten einer nachlassenden Konjunktur“, sagte er dem Tagesspiegel. Aber die sinkenden Steuereinnahmen seien eine deutliche Warnung.

Unternehmer fordern Schuldenbremse in der Landesverfassung

In dieser Hinsicht sei die Schuldenbremse ein wirksames Instrument, so Amsinck. Sie lege strenge Tilgungsmodalitäten fest, wenn in Notzeiten Kredite aufgenommen werden müssten und sorge für Transparenz, indem Schattenhaushalte vermieden würden. Der UVB-Chef forderte deshalb, die Schuldenbremse in der Landesverfassung festzuschreiben. Rot-Rot-Grün will die neue Regelung aber nur in die Landeshaushaltsordnung aufnehmen.

Beatrice Kramm, Präsidentin der Industrie- und Handelskammer (IHK) Berlin, hält die Schuldenbremse „zusammen mit dringend nötigen Investitionen in die öffentliche Infrastruktur für das Fundament eines prosperierenden Berlin“. Sie verweist darauf, dass sich der Schuldenstand im Kernhaushalts, in den Extrahaushalten und in den Landesunternehmen auf insgesamt 78 Milliarden Euro summiere. Angesichts dessen schwebe das „Damoklesschwert einer möglichen Zinserhöhung drohend über Berlin“.

Die Politik vergesse zu oft, sagte Kramm dieser Zeitung, dass Berlin erst 2018 offiziell aus der Haushaltsüberwachung durch Bund und Länder entlassen worden sei. Trotz historisch niedrigem Zinssatz müsse die Stadt sechs Prozent der Steuereinnahmen für Zinsen aufwenden. Dies könne bei steigenden Zinssätzen zu einem unsicheren finanziellen Klima führen, weil der Spielraum für Investitionen sinke.

Der Berliner Rechnungshof fordert seit 2010 regelmäßig, die Schuldenbremse in der Landesverfassung zu verankern. Das erleichtere eine Kontrolle durch das Verfassungsgericht und erhöhe die rechtliche Bindungswirkung über die Wahlperiode hinaus.

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