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Volle Konzentration, bitte. Der Parlamentsbetrieb beginnt wieder.

© Britta Pedersen / dpa

Ferienende: Die Landespolitik kehrt zum Normalbetrieb zurück

Welche Themen stehen nach den Ferien an – und wie ist die Stimmung?

Von
  • Ulrich Zawatka-Gerlach
  • Sabine Beikler

Vorbei sind die Ferien – viel zu tun hat die Landespolitik. Gleich am ersten Tag nach der Sommerpause hat der Gesundheitsausschuss des Parlaments den neuen Landeshaushalt auf die Tagesordnung gesetzt. Die anderen Fachausschüsse folgen in dichtem Takt. Es geht um die Feinjustierung des Etatentwurfs, der vom Senat im Juni beschlossen wurde. Das wird die Abgeordneten, Regierung und Opposition, über Monate beschäftigen. Erst am 12. Dezember wird das große Werk beschlossen, das die Politik von Rot-Rot-Grün bis zum Ende der Wahlperiode in Zahlen fasst.

So gesehen haben die Fraktionschefs von SPD, Linken und Grünen nur noch Euro-Zeichen in den Augen. Der interne Verteilungskampf beginnt. Die Grünen bereiteten sich am erweiterten Wochenende auf einer Fraktionsklausur in Prag auf den politischen Herbst vor. Die sozialdemokratischen Abgeordneten laden in der nächsten Woche alle Senatsmitglieder zu einer Sitzung ein, um über die Schwerpunkte der einzelnen Ressorts zu diskutieren. Auch die Linksfraktion ist „voll drin in den Vorbereitungsrunden“, sagt deren Ko-Vorsitzende Carola Bluhm.

Die meisten waren in Urlaub, man konnte sich mehrere Wochen aus dem Weg gehen. Ob das reicht, um tatkräftig und entspannt weiter zu regieren, wird man sehen. Eigentlich wollten die Chefs der Koalitionsfraktionen gemeinsam mit den parlamentarischen Geschäftsführern am 16. August in Klausur gehen, um zum Ende der Sommerpause auf einen gemeinsamen Nenner zu kommen. Aber das scheiterte an Terminproblemen. Vielleicht wird das Treffen während der bundesweiten „Unteilbar-Demo“ in Dresden am 24. August spontan nachgeholt.

Der Abstimmungsbedarf in der Koalition ist groß

Der Abstimmungsbedarf ist jedenfalls groß. Es gibt zwar Schnittmengen, aber jeder Regierungspartner hat eine eigene Agenda. „Uns geht es vor allem darum, die Stadt bezahlbar zu halten und ein gutes Gesetz für den Mietendeckel zu erarbeiten. Außerdem wollen wir uns stärker um die Mobilitätswende für alle Berliner kümmern“, sagt SPD-Fraktionschef Raed Saleh. Und er will, um Familien zusätzlich zu entlasten, noch „ein, zwei Zeichen setzen“. Salehs Vorschlag: Kinder sollen das Technik- und das Naturkundemuseum kostenlos besuchen können.

Soweit es den Mietendeckel betrifft, ist sich Rot-Rot-Grün noch einig. Die Koalition erwartet einen Gesetzentwurf, der nicht nur juristisch solide ist, sondern auch Härtefälle gut regelt, die Mieter vor der Umwandlung in Eigentumswohnungen schützt und den städtischen Wohnungsunternehmen und Genossenschaften nicht die Geschäftsgrundlage entzieht. Die Grünen fordern von Stadtentwicklungssenatorin Katrin Lompscher (Linke) jetzt schon einen Bericht über mögliche negative Folgen des Gesetzes. Auch die Linksfraktion will „niemanden bestrafen, der ordentlich saniert“, sagt Bluhm. Sie wünscht sich ein Mietenmoratorium „mit Augenmaß“.

Der Linken ist besonders wichtig, in nächster Zeit den Kauf von Grundstücken zu beschleunigen. Finanzsenator Matthias Kollatz (SPD) habe bisher zu wenig vorgesorgt, kritisiert Bluhm. „Jetzt sind wir mit stark steigenden Preisen und einem großen Flächenmangel konfrontiert.“

Dann nennt die Vorsitzende der Linksfraktion noch ein Problem: die Berliner Verwaltung. Der Fachkräftemangel sei groß, es werde zu wenig ausgebildet und die wachsende Verwaltung leide unter fehlenden Büroräumen. Bluhms Vorschlag: ein flächendeckendes Angebot an Tele-Arbeit für die Beschäftigten.

Die Grünen bestehen darauf, die koalitionsintern strittige Reform des Polizeigesetzes bis Jahresende zu beschließen. Zu dem innenpolitischen Paket, das SPD, Linke und Grüne seit Monaten nicht beschlossen bekommen, gehört aus Sicht der Grünen-Fraktionschefin Antje Kapek auch die Einsetzung eines Polizeibeauftragten, die Novellierung des Abstimmungsgesetzes und ein neues Transparenzgesetz. Das Versammlungsrecht müsse liberalisiert werden. „Es gibt keinen Punkt, der unlösbar ist“, sagt sie optimistisch.

Wichtig ist den Grünen auch, dass das geplante Parité-Gesetz vorankommt. Es soll, wie in Brandenburg, die Parteien zwingen, auf ihren Kandidatenlisten Männer und Frauen gleichermaßen zu berücksichtigen. Zum Wunschkatalog der Grünen gehören auch ein Familienfördergesetz und eine Bundesratsinitiative für die Abschaffung des Ehegattensplittings. Außerdem fordert die Fraktion einen Fonds für den Ankauf von Grünflächen, der aus der Grundsteuer finanziert werden soll.

Schulsanierung bleibt ein zentrales Problem

Ein zentrales Problem bleiben der Neubau und die Sanierung der Berliner Schulen. Nicht nur Linke und Grüne, auch die Sozialdemokraten verfolgen kritisch, ob das beschlossene Milliardenprogramm auch umgesetzt wird. „Wir müssen uns auf die Abarbeitung des Koalitionsvertrages konzentrieren“, mahnt Bluhm. Das hielt die Grünen nicht davon ab, auf ihrer Klausurtagung klar zu machen, dass für den Klimaschutz in Berlin mehr getan werden müsse. Die Partei kann sich derzeit über prächtige Umfragewerte freuen. Die SPD hingegen versucht erkennbar, aus der Abwehrhaltung in die Offensive zu kommen.

So liegt über allem schon ein Hauch von Wahlkampf, obwohl das Abgeordnetenhaus erst im Herbst 2021 neu gewählt wird. Die rot-rot-grüne Koalition bleibt unter Spannung, zumal es keine kraftvolle Opposition gibt, die disziplinierend wirken könnte. Bei internen Konflikten sei der Senat das Hauptproblem, hört man in allen drei Regierungsfraktionen, die sich auf fachlicher Ebene meistens zusammenraufen. Doch aus dem Kabinett schwappe die schlechte Stimmung immer wieder ins Parlament, beklagen Abgeordnete.

Zuletzt vor zwei Wochen, als der Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD) die Ferien unterbrach, um Lompschers Stadtentwicklungsplan „Wohnen“ zu stoppen. Seitdem liegen in der Linksfraktion, wird dort bestätigt, die Nerven blank. Manche Koalitionäre sagen, sie seien schon wieder urlaubsreif.

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