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Das Gebäude des "Neuen Deutschland" am Franz-Mehring-Platz in Friedrichshain.

© Imago/Jürgen Ritter

FDP-Abgeordneter kritisiert Entscheidung: Bezirksverordnete tagen im „Neuen Deutschland“

Die Verordneten von Friedrichshain-Kreuzberg treffen sich wegen der geltenden Abstandsregeln im historisch aufgeladenen Verlagsgebäude. Das gefällt nicht allen.

Corona macht erfinderisch, das gilt auch für die Bezirksverordnetenversammlungen (BVV) in Berlin. Weil sich deren Mitglieder während der monatlichen Sitzungen an die Abstandsregeln halten müssen, fanden diese zuletzt in Turnhallen, einer Kirche oder der Zitadelle Spandau statt. 

Am 17. Juni, dem Tag des blutig niedergeschlagenen Arbeiteraufstands im Jahr 1953, kommt ein neuer Notbehelf hinzu: 31 Verordnete von Friedrichshain-Kreuzberg treffen sich im „Tagungszentrum Franz-Mehring-Platz 1“, besser bekannt als Verlagsgebäude des „Neuen Deutschland“ (ND). Der Bau wurde 1974 als Sitz des ehemaligen SED-Zentralorgans eröffnet und beherbergt heute neben der Zeitung weitere Organisationen und Verbände, darunter die Zentralen der Kommunistischen Partei Deutschlands und der DKP Berlin.

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Aufgrund dessen und wegen der historischen Aufladung von Datum und Ort übt Michael Heihsel, einer von zwei Verordneten der FDP im Bezirk, Kritik an der am Dienstag getroffenen Entscheidung.

Als „krass und pietätlos“ bezeichnet der Liberale die mit Zustimmung von SPD, Linken, Grünen und wohl auch AfD gefällte Entscheidung für das ND-Gebäude. Er moniert vor allem die Eigentumsverhältnisse der Immobilie, die knapp zur Hälfte der Linkspartei gehört. Heihsel zufolge hatten zunächst nur er und in Reaktion darauf auch die CDU gegen den Umzug gestimmt – erfolglos.

Während die Fraktionschefs von Linke und SPD die Kritik Heihsels als „künstliche Erregung“ und Griff in die „politische Mottenkiste“ bezeichneten, bemüht sich BVV-Vorsteherin Kristine Jaath (Grüne) um die Versachlichung der am Dienstag gut zwei Drittel der Ältestenratssitzung einnehmenden Debatte. 

Kostenpunkt: weniger als 500 Euro

Den Vorschlag für die Nutzung des ND-Gebäudes habe ihr Büro gemacht, weil die zuvor für die BVV-Sitzungen genutzte Sporthalle nicht mehr zur Verfügung stand. Günstige Alternativen habe es im Bezirk quasi nicht gegeben, für die Sitzung im ND-Gebäude zahle der Bezirk weniger als 500 Euro.

Zum Vergleich: Im Nachbarbezirk Neukölln war ein bekanntes Tagungshotel für die Durchführung von BVV-Sitzungen angefragt worden. Kostenpunkt hier: ab 3000 Euro – pro Sitzung. Jaath dazu: „Unser Budget ist begrenzt und wir haben mit dem Saal 2017 bei der Verleihung der Bezirksmedaille gute Erfahrungen gemacht.“ 

Anders als heute habe die Anmietung des Raumes damals nicht für Proteste aus den Reihen der BVV gesorgt, erklärt Jaath weiter. Umso überraschter zeigte sie sich von der am Dienstag aufgebrochenen Kontroverse.

Pikant: Für seine Kritik an der Entscheidung des Ältestenrats bekam Heihsel auch Gegenwind aus der eigenen Partei. Stefan Förster, Mitglied der FDP-Abgeordnetenhausfraktion und Historiker, erklärte via Twitter, die historische Bedeutung von Gebäuden habe „oftmals nichts mit deren Nutzung heute zu tun“. Heihsel warf Förster daraufhin Einmischung vor und bezeichnete dessen Vorgehen als „unprofessionell“.

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