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Wahl-Neuköllner. Irene Kosok mit ihren Töchtern Luzie (re.) und Lotte.

© Georg Moritz

Familie in Neukölln: Katastrophe Spielplatz

Familie Kosok lebt gerne in Neukölln - auch wenn es Kinder hier nicht immer leicht haben. Besonders der Zustand der Spielplätze macht der Mutter Sorgen. Eine Familie und ihre Erfahrungen im Problemkiez.

„Als wir vor elf Jahren aus Nordrhein-Westfalen nach Neukölln ziehen wollten, haben uns Freunde gewarnt: Ihr seid verrückt! Da kann man mit Kindern nicht leben!’“, sagt Irene Kosok. Sie und ihr Mann ließen sich nicht beirren und mieteten eine 4,5 Zimmer-Wohnung am S-Bahnhof Sonnenallee. „Es war für uns beide nahe zur Arbeit, das hat den Ausschlag gegeben.“ Mittlerweile hat die 40-jährige Innenarchitektin zwei Töchter: Luzie, 12, und Lotte, 7.

Die Wahl-Neuköllnerin hat sich an der Erstellung des Berliner Familienberichts 2011 beteiligt. Von den Möglichkeiten der Kinderbetreuung in der Stadt ist die dynamische Frau mit der schwarzen Architektenbrille sehr angetan. „In Nordrhein-Westfalen gibt es Kindergartenplätze erst für Kinder ab drei Jahren – wenn man sich bereits während der Schwangerschaft anmeldet.“ Im Neuköllner Kiez fand sie für beide Töchter problemlos Kindergartenplätze, was es ihr ermöglichte, schnell wieder in den Beruf einzusteigen.

Was nach Ansicht der 40-jährigen Mutter verbesserungsbedürftig wäre: Freizeitangebote gibt es in Neukölln hauptsächlich für schwierige Jugendliche. „Um die von der Straße zu holen, wird viel gemacht.“ Für Jüngere hingegen seien die Möglichkeiten begrenzt. „Der Zustand der Spielplätze ist katastrophal. Einfach die Kinder laufen lassen, das geht da nicht“, sagt sie und deutet auf die Graffiti-verschmierten Geräte auf dem Spielplatz an der Schudomastraße. Oft finden die Kinder hier Scherben und Spritzen im Sand. Außerdem werde das Gelände von Jugendlichen als Treffpunkt genutzt. „Da wird dann auch geraucht und Alkohol getrunken, und die kleineren Kinder trauen sich nicht hin.“

Problematisch findet Kosok auch, dass viele Autofahrer Tempo-30-Zonen ignorieren: „Schilder reichen nicht. Auf dem Richardplatz gilt Schrittgeschwindigkeit. Da hält sich niemand dran.“ Ihr Wunsch: Geschwindigkeitsbegrenzungen müssten durch Kontrollen konsequent durchgesetzt werden.

Mit dem Betreuungsschlüssel der nächstgelegenen Grundschule ist Kosok ebenfalls nicht glücklich: An der Grundschule in der Köllnischen Heide liegt der Anteil von Schülern nichtdeutscher Herkunft bei etwa 80 Prozent. „In der Klasse meiner Kleinen fing es mit 26 Schülern an.“ Das findet die 40-Jährige für eine Brennpunktschule unhaltbar. „Meine Tochter hatte eine kleine Schwäche in Mathematik, da konnte der Lehrer nicht darauf eingehen. Der ist mit den Problemfällen ausgelastet. Es geht nicht nur um Sprachprobleme. Manche Kinder kommen in die erste Klasse und können keinen Stift halten.“ Das größte Manko sei die soziale Entmischung in den Schulen.

Wegziehen aus Neukölln, das kam für Familie Kosok trotz allem nie in Betracht: „Es ist schon ein bisschen rauer hier. Im Winter zum Beispiel lüftet die Kneipe bei uns im Haus durch die Tür zum Treppenhaus, damit es im Gastraum nicht kalt hereinzieht. Das ist schon ein bisschen ekelig. Aber es gibt viele umgängliche Leute“, sagt sie. Nord-Neukölln sei außerdem gerade im Image-Aufwind. „Es wird cool, hier zu wohnen. Sogar Mütter mit den schicken Bugaboo-Designer-Kinderwagen sieht man nun hier auf der Straße“, sagt Irene Kosok und wünscht sich: „Hoffentlich schicken die Eltern ihre Kinder hier auch zur Schule.“ Es sei gesamtgesellschaftlich fatal, wenn alle ihre Kinder nur in den guten Gegenden zur Schule schicken würden. „Aber wenn diese jungen Eltern hier bleiben, kann sich etwas Positives im Kiez tun.“

Annette Leyssner

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