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Bundesweit führt die Corona-Pandemie zu Überlastungen in Krankenhäusern. In Berlin mahnen Chefärzte zur Vorsicht.

© Boris Roessler/dpa

Exklusiv

„Extremsport, Drogen und Unfallgefahren meiden“: Berliner Chefärzte warnen vor Notbehandlung auf Intensivstationen

Weil die Kliniken viele Covid-19-Fälle versorgen, geraten andere „Behandlungen auf heutigem Niveau“ in Gefahr. Intensivmediziner appellieren an die Bevölkerung.

Die führenden Intensivmediziner der Hauptstadtregion warnen vor Versorgungseinbrüchen – und fordern erstmals zu individuellen Schutzmaßnahmen auf. Steige die Zahl der schweren Covid-19-Fälle, könne man die Behandlungen auf den Intensivstationen der Kliniken „nicht mehr lange auf dem heutigen Niveau aufrechterhalten“, heißt in einem noch unveröffentlichten Appell, der dem Tagesspiegel vorliegt.

„Wir raten dazu, in den nächsten Wochen besonders vorsichtig zu sein“, sagte Jörg Weimann am Dienstag auf Tagesspiegel-Anfrage. „Dazu zählt etwa Extremsport auszusetzen, riskanten Drogenkonsum zu vermeiden und nur äußerst wachsam am Straßenverkehr teilzunehmen.“

[Lesen Sie auch: „Wie konnte das alles passieren?“ – Berlins Intensivpflegekräfte verzweifeln an der vierten Corona-Welle (T+)]

Weimann ist Chefarzt der Intensivstation im Sankt Gertrauden-Krankenhaus in Berlin-Wilmersdorf und hatte mit Charité-Experte Steffen Weber-Carstens für Berlins Senat während des Pandemiestarts 2020 das „Save“-Konzept mitentworfen. Für den aktuellen Appell haben sich 40 Chef- und Oberärzte der großen Krankenhäuser in Berlin und Brandenburg abgestimmt; diese Männer und Frauen leiten die regionalen Intensivstationen und bilden das „Save“-Netzwerk.

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Demnach werden die schwersten Covid-19-Fälle in der Universitätsklinik versorgt, die über die nötige Spitzentechnik verfügt. In 16 weiteren Großkrankenhäusern werden ebenfalls Covid-19-Patienten versorgt, die meist künstlich beatmet werden. Nur wer nach der Corona-Infektion behandelt wird, aber nicht auf eine Intensivstation muss, kommt in ein kleineres Krankenhaus.

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Schon jetzt würden Operationen oft verschoben, heißt es in dem Appell: „In den nächsten Wochen wird eine weiter anwachsende Zahl von Patientinnen und Patienten mit Covid-19 auf unseren Intensivstationen, zusätzlich zu allen anderen Schwerstkranken versorgt werden müssen. Das wird nur noch dadurch gelingen, dass die Teams der Intensivstationen bei gleicher Besetzung eine immer größer werdende Patientenzahl betreut – und das muss zwangsläufig zu einer Verminderung der Qualität führen.“

In Sachsen schon Praxis - Covid-19-Patienten werden aus Dresden per Flugzeug in Kliniken anderer Bundesländer verlegt.
In Sachsen schon Praxis - Covid-19-Patienten werden aus Dresden per Flugzeug in Kliniken anderer Bundesländer verlegt.

© Sebastian Kahnert/dpa

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Die vierte Coronawelle setzt die Kliniken unter Druck – die Behandlung heftiger, ansteckender Lungenleiden wie Covid-19 erfordert oft viel Platz, Personal und Technik. Wegen der steigenden Zahl an Covid-19-Fällen werden seit einer Woche in allen Krankenhäusern planbare Behandlungen anderer Patienten verschoben. Zuvor hatten schon die Charité und Berlins ebenfalls landeseigene Vivantes-Kliniken elektive Eingriffe abgesagt.

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Künftig könnten „zeitsensible Fälle“ auf Operation warten müssen

Was genau als planbare OP eingestuft wird, hängt von den vor Ort leitenden Ärzten ab. Als Grenzfälle gelten insbesondere Tumorbehandlungen. Künftig könnten Patienten, die derzeit noch als „zeitsensible Fälle“ schnell versorgt werden, wohl warten müssen.

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„Benötigt jemand beispielsweise eine Schmerztherapie, die Lunge muss von Schleim abgesaugt werden oder jemand soll eine Lagerungstherapie erhalten, wird das dann gegebenenfalls hinausgeschoben werden müssen“, schreiben die Intensivmediziner: „Auch in der Notversorgung von Opfern schwerer Unfälle kann wichtige Zeit dadurch verloren gehen, dass Rettungswagen und Notärzte nicht mehr einfach die nächstgelegene Klinik anfahren können, sondern längere Wege für das nächste freie Intensivbett in Kauf nehmen müssen.“

Im Brandenburger Süden ist die Lage besonders angespannt. Mit zunehmenden Infektionszahlen füllen sich die Kliniken der Lausitz, weshalb Patienten in Krankenhäuser im Norden verlegt werden. Um zu verhindern, als Intensivpatient in einer Klinik zu landen, appellieren die Chefärzte an die Bevölkerung: „Schränken Sie Ihre Kontakte auf ein Minimum ein! Lassen Sie sich Impfen und Boostern! Tragen Sie eine FFP2-Maske!“

Derzeit werden in Berlin 714 Covid-19-Patienten in einer Klinik versorgt, davon fast 203 auf einer Intensivstation. Von diesen Männern und Frauen wiederum werden 177 beatmet, 32 von ihnen durch eine sogenannte Ecmo, eine High-Tech-Maschine für die allerschwersten Fälle. Von diesen Behandlungsplätzen gibt es in Berlin nur etwas mehr als 40 – und sie werden auch für bestimmte Nicht-Corona-Patienten gebraucht. Die genannten Kennzahlen stiegen über Wochen.

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