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"Willkommen-in-Arbeit-Büro" steht auf dem Schild vor einem Hangar im Flughafen Tempelhof, das zwei Mitarbeiter an eine Wand halten.

© dpa

Notunterkunft Tempelhof: Erstes "Willkommen-in-Arbeit-Büro" für Flüchtlinge eröffnet

In der Notunterkunft Tempelhof gibt es jetzt ein Jobbüro für Flüchtlinge. Für die Grünen ist das „blinder Aktionismus“, weil viele Fragen unklar sind.

Es herrscht Konsens darüber, dass der Weg zur Integration der vielen Flüchtlinge in Berlin über den Arbeitsmarkt gehen muss. Doch wie genau das gelingen soll, ist nicht klar. Die neueste Idee ist das „Willkommen-In-Arbeit-Büro“, das die Senatorin für Arbeit, Integration und Frauen, Dilek Kolat (SPD), am Mittwoch in der Notunterkunft Tempelhof eröffnet hat. Angekündigt als Jobcenter für Flüchtlinge, sollen dort in Zukunft Arbeitsberatung und Jobvermittlung stattfinden. „Integration beginnt am ersten Tag“, sagte Kolat. Das Büro ist eine Kooperation mit der Regionaldirektion Berlin- Brandenburg der Bundesagentur für Arbeit.

Arbeitsvermittlung und Bildungsangebote

In der Halle 6 des früheren Flughafens werden Integrationslotsen, Bildungsberater und sogenannte Jobcoaches wochentags von 12 bis 18 Uhr für die Bewohner der anderen Hangars zur Verfügung stehen. Acht Computerarbeitsplätze gibt es, auch eine Spielecke für Kinder ist vorhanden. An einer langen Wand hängen bereits Jobangebote auf Englisch. Computerwissenschaftler werden da gesucht, Haushaltshilfen oder Praktikanten für eine Immobilienfirma. Vertreter der Berliner Jobpoints helfen Flüchtlingen, die bereits eine Arbeitserlaubnis haben, solche offenen Stellen zu besetzen. Erst nach Anerkennung ihres Asylgesuchs besteht Anspruch auf die Unterstützung durch das Jobcenter. Arbeitsvermittler helfen dann bei der Jobsuche. Büros der Arbeitsagentur gibt es in der Berliner Außenstelle des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge und in der Lageso-Außenstelle in der Bundesallee.

"Die Menschen sind nicht gekommen, um sich auszuruhen"

Das „Willkommen-In-Arbeit-Büro“ wird im Gegensatz dazu vom Senat und dem Heimbetreiber Tamaja geführt und soll Hilfe leisten, auch wenn noch keine Arbeitserlaubnis besteht. Wer keinen Anspruch auf einen Integrationskurs hat, kann sich bei den Bildungshelfern über Deutschangebote an den Volkshochschulen informieren. Auch das Projekt „Arrivo“, das bei einer Berufsausbildung hilft, und das IQ-Netzwerk zur Anerkennung ausländischer Qualifikationen werden vertreten sein. Die Terminvergabe erfolgt durch Sozialarbeiter des Betreibers Tamaja. Übersetzungsaufgaben übernehmen unter anderen auch Flüchtlinge, die schon gut Deutsch sprechen. Etwa acht Personen können gleichzeitig betreut werden. „Die Menschen sind nicht hergekommen, um sich auszuruhen. Sie wollen aktiv einen Beitrag leisten“, sagt Michael Elias, Geschäftsführer von Tamaja. Arbeit trage zur Befriedung bei.

Grüne: Massenunterkünfte Hindernisse für Integration

Doch nicht für alle Menschen ist es sofort ideal, sich in Arbeit zu stürzen. Neben Sprachschwierigkeiten können auch traumatische Erfahrungen eine tägliche Arbeit erschweren. „Beschäftigung kann bei der Bewältigung des Traumas helfen, aber auch hinderlich sein“, sagte Kolat. Arbeitgeber müssten sich darauf einstellen. Eine systematische psychologische Betreuung in den Unterkünften fehlt bislang. Sabine Bangert, arbeitsmarktpolitische Sprecherin der Grünen im Berliner Abgeordnetenhaus, sieht die Unterbringung in Massenunterkünften wie in Tempelhof als großes Hindernis für eine Integration in den Arbeitsmarkt: „Es ist schwer vorstellbar, dass Menschen, die in solchen Zuständen leben, morgens geregelt zur Arbeit gehen können.“ Dem Senat fehle eine klare Strategie für die Integration von Flüchtlingen insgesamt, sagt Bangert.

"80 Prozent ohne formalen Abschluss"

Maßnahmen wie das neue „Willkommen-In-Arbeit-Büro“ bezeichnet sie als „blinden Aktionismus“. Das Ganze laufe parallel zu denen der Bundesagentur für Arbeit und wirke wenig systematisch. Ihrer Meinung nach mangele es an Abstimmung zwischen Kolat und wichtigen Akteuren der Berliner Wirtschaft, etwa der Industrie- und Handelskammer. „Leider schafft es der Senat nicht, alle diese Akteure miteinander zu vernetzen“, sagt Bangert. Die Zusammenarbeit des neuen Willkommen-In-Arbeit-Büros mit dem IQ-Netzwerk hält die Grünen-Politikerin außerdem für nicht ausreichend: „80 Prozent der Flüchtlinge können keinen formalen Abschluss nachweisen.“ Bangert fordert daher ein Kompetenzzentrum, in dem Qualifikationen nachträglich zertifiziert werden können. Ohne formale Abschlüsse tue sich die Wirtschaft schwer, Menschen einzustellen – auch wenn viele Firmen dringend Arbeitskräfte brauchten. Erst kürzlich ergab eine Umfrage des Wirtschaftsinstituts Ernest & Young, dass vier von fünf Unternehmen in Berlin vergeblich nach neuen Mitarbeitern suchen.

Pascale Müller

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