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Die Angeklagten verdecken im Gerichtssaal des Kriminalgerichts Moabit ihre Gesichter.

© dpa/Christian Ender

Rechter Terror in Berlin: Erste Zeugen im Neukölln-Prozess befragt

Polizisten traten am zweiten Tag des Prozesses um den Neukölln-Komplex in den Zeugenstand. Zwei Rechten werden Brandanschläge und weitere Taten vorgeworfen.

Polizisten traten am zweiten Tag des Prozesses rund um den Neukölln-Komplex in den Zeugenstand. Die Erinnerungen der Beamten aber sind zum Teil verblasst. „Es ist keine Show hier“, warf einer der Verteidiger bei einem Disput ein. „Warum wird angeklagt nach so vielen Jahren?“ Er kenne seinen Mandanten Sebastian T. schon lange – „ich meine, er müsste freigesprochen werden“.

Dem 39-jährigen Tilo P, einst in der AfD Neukölln aktiv, und dem 36-jährigen Neonazi Sebastian T. wird vorgeworfen, in der Nacht des 1. Februar 2018 die Autos des Buchhändlers Heinz Ostermann und des Linke-Politikers Ferat Kocak in Brand gesetzt zu haben.

Zudem geht es um rechtsextreme Schmierereien an Hauswänden und Aufkleber an Bushaltestellen oder Verteilerkästen. Die Anklage lautet auf Brandstiftung beziehungsweise Beihilfe dazu, Bedrohung, Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen, Sachbeschädigung. Im Fall von T. geht es zudem um Betrug.

Wegen Sachbeschädigung mitangeklagt ist ein dritter Angeklagter. Dessen Anwalt hatte auf einen „Deal“ mit Gericht und Anklagebehörde gehofft. Es gehe im Fall seines Mandanten doch nur „um ein paar Aufkleberchen“ und eine „irgendwie banale Sachbeschädigung“.

Vor Beginn des zweiten Verhandlungstages kam es auch zu einem Gespräch der Prozessbeteiligten, um möglicherweise eine schnelle Entscheidung im Fall des Angeklagten B. zu erreichen.

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Die Richterin teilte später mit, das Gericht habe dem 38-Jährigen in Aussicht gestellt, dass bei geständigen Angaben in Anbetracht der lange zurückliegenden Vorfälle „mit einer deutlichen Geldstrafe von 150 bis 120 Tagessätzen reagiert werden könnte“. Der Verteidiger, ein bekannter Anwalt der rechten Szene, lehnte ab.

Die Stimmung in dem Prozess, der unter verschärften Sicherheitsvorkehrungen läuft, scheint gereizt. Für Disput sorgte auch die Aussage einer Zeugin, die sich wohl erst kürzlich bei der Polizei gemeldet hatte. Einer der Anwälte verlangte Auskunft, ob es zur Verhandlung parallel Ermittlungen gebe - Observationen oder Telefonüberwachungen.

Schließlich die Antwort: Nicht in diesem Verfahren, aber es gebe weitere offene Ermittlungsverfahren gegen P. und T. Eine der Vertreterinnen der Anklage wies darauf hin: „Es gibt ja mehr als die zwei hier angeklagten Brandstiftungen.“

Mehr als 70 rechtsextreme Straftaten seit 2013

Mehr als 70 rechtsextreme Straftaten zählen die Ermittlungsbehörden seit 2013 in Neukölln, darunter 23 Brandanschläge vorwiegend auf Autos. Um einige der Taten geht es im Prozess. Ziel der Aktionen war aus Sicht der Staatsanwaltschaft: Menschen, die sich gegen rechts engagieren, sollten eingeschüchtert werden. Die Ermittlungen hatten sich jahrelang hingezogen. Mit Pannen und Versäumnissen.

Als erster Zeuge zu rechtsextremen Schmierereien und rechten Aufklebern im Sommer 2017 wurde ein Polizeibeamter befragt. Seine Erinnerung war schwach – „es ist fünf Jahre her, wir haben so viele Einsätze“. Weitere Zeugen in Uniform wurden mit Codiernummer und nicht namentlich in den Zeugenstand gerufen. Sie hatten damals Observationen durchgeführt. Der Prozess geht am 12. September weiter.

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